Dienstag
03.10.2023, 06:42 Uhr
Autor
red
Der Herbst ist für Fledermäuse eine besondere Zeit: Sie planen ihren Nachwuchs und bereiten sich auf ihre Winterquartiere vor. Manchmal reisen sie dafür sehr weit. Die winzigen Säugetiere haben unglaubliche Fähigkeiten, zeigen kuriose Verhaltensweisen und haben fast Supermannqualitäten...
Jetzt im Oktober sind sie noch zu beobachten: Fledermäuse jagen bei Dämmerung und in der Nacht durch die Luft. Geschäftig flattern die neben den Flughunden einzigen flugfähigen Säugetiere der Welt umher und futtern, was die Luft an Insekten bietet, um sich später möglichst gesund und rund durch den Winter schlafen zu können.
Die kleinen Flattertiere haben eine Menge Erstaunliches auf Lager. Dass die Tiere Echolot zum Orten ihrer Nahrung nutzen, ist vielen bekannt. Aber auch die Brautwerbung geschieht per Ultraschall und das nicht etwa im Frühling, sondern im Herbst. Und die sehr kleinen Säuger – unsere größte heimische Fledermaus ist gerade mal 8,5 Zentimeter lang – treten im Herbst eine weite Reise Richtung Süden an. Aber das ist längst nicht alles.
Gesänge locken Weibchen zum Balzquartier
Während die meisten Säugetiere und Vögel ihren Nachwuchs im Frühling zeugen und gebären, packen die Fledermaus erst im Herbst starke Gefühle für das andere Geschlecht. Nachdem die Jungtiere im September die Wochenstuben verlassen haben, wird in sogenannten Balzquartieren die nächste Generation produziert.
Die Fledermausmännchen warten ab Mitte September in Baumhöhlen auf vorüberziehende Weibchen. Diese werden nun mit Gesängen angelockt. Die Balzrufe sind für uns nicht hörbar, weil sie im Ultraschallbereich ertönen. Für eine Fledermausdame hingegen ist der Gesang des Männchens so betörend, dass sie zum Balzquartier fliegt. Dort kommt es zur Paarung.
Die Familienplanung des Weibchens steht dann schonmal: Aber bis zur Geburt wird es noch lange dauern, denn das Weibchen verwahrt die Spermien noch bis zum nächsten Frühling in seinem Geschlechtstrakt.
Neben der Liebe ist eines wichtig: Winterspeck muss her!
Flattern, Fressen und Futtern – das sind neben der Paarung die wichtigsten Tätigkeiten der Fledermaus im Herbst. Um den langen Winterschlaf zu überstehen, ist es erforderlich, dass sich die Säuger einen dicken Speckmantel anfressen. Sie müssen im Herbst 20 bis 30 Prozent an Gewicht zulegen. Im Spätherbst suchen sie dann ihre Winterquartiere auf.
Langstreckenflüge ins Winterquartier
Einige unserer 25 heimischen Fledermausarten bevorzugen sehr weit entfernte Winterquartiere. Im Herbst beginnt daher nicht nur der Zug der Vögel in den Süden, sondern auch der der Fledermäuse.
Durch Beringungen der Tiere können Biologen ihre Wanderungen verfolgen. So haben sie entdeckt, dass die nur 5 Zentimeter kleinen und 6 bis 15 Gramm schweren Rauhautfledermäuse sogar knapp 2000 Kilometer zwischen dem Sommer- und Winterquartier zurücklegen.
Wie die Tiere auf der langen Reise navigieren, ist noch nicht aufgeklärt worden. Denkbar ist eine Orientierung am Magnetfeld der Erde oder aber an Landmarken. Thalia Jentke von der Fledermaus Beringungszentrale Bonn am Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig (ZFMK) erklärt uns auf Nachfrage: Die Wanderrichtung in den größten Teilen Europas ist in der Regel im Herbst immer Richtung Südwesten. Während des Zugs ziehen die Tiere durchschnittlich 30 bis 50 Kilometer pro Nacht. Der Zug findet bei den meisten Individuen zur selben Zeit statt, jedoch nicht in mit Vögeln vergleichbar großen Schwärmen.
Der Winter kann kommen
Die Familienplanung steht, der Bauch ist voll, das Winterquartier ist bezogen – jetzt kann der Winterschlaf beginnen. Im Winterquartier hängen sich die Fledermäuse dicht aneinander gekuschelt kopfüber in ihre kühlen, aber frostfreien Schlafplätze. Sie senken ihre Körpertemperatur auf bis zu 3 Grad ab und verlangsamen die Atmung und den Herzschlag bis auf rund ein Dutzend Schläge pro Minute.
Der Frühling ist die Zeit zum Trächtigwerden
Wenn die Fledermäuse im Frühling aufwachen, fliegen sie in ihre Sommerquartiere zurück. Diese sind im Gegensatz zu den Winterquartieren nach Geschlechtern getrennt. In ihrem Quartier werden die Weibchen in Abwesenheit der Männchen trächtig, weil sie deren Spermien im vergangenen Herbst eingelagert hatten. Nach 50 Tagen Tragzeit ziehen sie ihr Fledermausbaby in einer Wochenstubengesellschaft groß, die sie mit den anderen Weibchen bilden.
Ein stilles und langes Leben im Verborgenen
Fledermäuse können ein Alter von über 20 Jahren erreichen und somit sehr alt werden. In Anbetracht ihrer geringen Körpergröße ist das eine absolute Besonderheit, denn kleine Säuger leben eigentlich nur sehr kurz.
Unsere heimischen Fledermäuse sind außer für Insekten völlig ungefährlich. Fledermäuse leben vielmehr so still und verborgen, dass sie auch der Wissenschaft noch viele Rätsel aufgeben.