nnz-Doku:

Sülzhayner machen auf Probleme aufmerksam

Mittwoch
27.09.2023, 10:54 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
Bei der gestrigen Sitzung des Nordhäuser Kreistages machten zwei Bürger aus Sülzhayn während der Einwohnerfragestunde auf Probleme infolge der Unterbringung von Migranten aufmerksam. In unserer Doku-Reihe veröffentlichen wir das Redemanuskript...


Sehr geehrter Herr Landrat,
sehr geehrte Kreistagsmitglieder,
mein Name ist Sebastian Kalbitz, ich bin 39 Jahre alt, verheiratet und Vater von vier Kindern. Zusammen mit Frau Dr. Trogisch sind wir heute, stellvertretend für eine Vielzahl von Sülzhaynern hier, um noch einmal öffentlich und für alle hörbar, auf die Problematik in unserem Ort hinzuweisen und Sie für dieses emotionale Thema zu sensibilisieren.

Die Probleme sind mannigfaltig und ich könnte diese hier problemlos stundenlang aufzählen. Aber wir sind mehr an einer Lösung interessiert. Deswegen möchte ich mit einem Leitsatz der SPD beginnen, welcher auf der Homepage der SPD zu finden ist. „Wir wollen eine Gesellschaft, die inklusiv und solidarisch ist und allen Bürgern die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben möglich macht. Ein moderner und starker Sozialstaat ist dafür die Grundlage und begegnet allen Menschen mit dem Respekt, den sie verdienen.“

Von inklusiv und solidarisch, sowie der Teilhabe aller Bürger am gesellschaftlichen Leben, sind wir bei uns im Ort aktuell soweit entfernt, wie nie zuvor! Und ich möchte betonen, dass das nicht an den solidarischen und empathischen Einwohnern unseres Ortes liegt. Auch der dort beschworene Respekt, den alle Menschen verdienen, scheint uns nicht entgegengebracht zu werden, oder wie ist es zu erklären, dass hier Tatsachen über die Köpfe der Einwohner hinweg geschaffen werden und eine öffentliche Beteiligung in Entscheidungsprozesse einfach ignoriert und trotz Bitten nicht zugelassen wird?

Was mich dann wirklich betroffen macht ist die Tatsache, dass der barrierefreie Umbau der Kreismusikschule in der letzten Kreistagssitzung abgelehnt wurde. Sechs Wochen später stand dann groß in der Zeitung, der Südharz hat ein Herz für Behinderte. Ein Herz für Behinderte, weil bereits barrierefreie Gemeinschaftsunterkünfte mittels 4,7 Millionen Euro vom Land, behindertengerecht umgebaut werden sollen?

Positiv an dieser Stelle möchte ich allerdings Herrn Hesse erwähnen, der derzeit versucht, ein Bindeglied zu sein. Jedoch merkt man schnell, dass er mit seinen Kompetenzen und Entscheidungsbefugnissen an seiner Grenze des Machbaren angelangt ist. Das was hier möglich ist, ist lediglich eine leichte Symptom-Bekämpfung ohne nachhaltige Perspektive für uns.

Eine in Aussicht gestellte Reduzierung wird aller Wahrscheinlichkeit nach, zu Beginn des Winters verpuffen, da erfahrungsgemäß die Zahlen zum Winter hin stark steigen. Durch das Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetz ist die Aufnahme und Verteilung der Asylsuchenden im übertragenen Wirkungskreis an die Kreisfreien Städte und Landkreise abgetreten.

Laut Auskunft von Frau Ministerin Dänstedt, hat Sie, bzw. ihre Behörde keinen Einfluss darauf, wie im Landkreis Nordhausen die Verteilung erfolgt. Auch laut unserem Bürgermeister Herrn Pasenow, hat dieser keinen Einfluss auf die Verteilung. Dies vorangestellt, bleibt allein der Landkreis, der für die derzeitige Verteilungssituation verantwortlich ist. Nach der Thüringer Flüchtlingsverteilungsverordnung gibt es eine Verteilungsquote. Diese beträgt für den Landkreis Nordhausen aktuell 4 von Hundert.

Ich möchte an der Stelle betonen, dass wir uns in unserem Ort gerade zwischen 25 bis 30 von Hundert bewegen. Und das ohne ausreichende Infrastruktur wie zum Beispiel ausreichenden ÖPNV, ohne Einkaufsmöglichkeiten, ohne straßenbegleitenden Geh-/Radweg zur Gemeinde Ellrich, ohne Freizeitgestaltungsmöglichkeiten und so weiter.

Wir fordern deswegen alle Anwesenden auf, dass in ihrer Zuständigkeit mögliche und zumutbare zu unternehmen, um uns bei der Lösung des „Problems“ zur Seite zu stehen. Die Zeit drängt, denn es ist 5 vor 12 und das nicht wegen dem Wetterklima. Das Stimmungsbarometer ist auf Anschlag und ein weiter so, kann es nicht mehr geben. Offensichtlich ist Nordhausen letzten Sonntag gerade noch einmal mit dem sprichwörtlichen „blauen Auge“ davon gekommen.

Daher bitte ich Sie hier alle eindringlich, den in den vergangenen Tagen viel beklatschten Schulterschluss der Nordhäuser Kommunalpolitik auch tatsächlich zu zeigen und nicht nur die Aufgaben in der Stadt, sondern auch die Aufgaben im Landkreis im Blick zu haben und gemeinsam die Probleme zu lösen. Nach nunmehr acht Jahren Asylunterkunft in Sülzhayn können wir Ihnen allen versichern, dass, so wie es derzeit betrieben wird, es definitiv nicht der richtige Weg für die Zukunft ist.

Deshalb unsere Forderung an Sie alle! Gehen Sie weg von der zentralen, massenhaften Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften mitten in unserem Ort, nur weil es offensichtlich gewinnorientierter für die Service Gesellschaft ist. Prüfen Sie Möglichkeiten alternativer Unterbringen in ihren Orten und bieten Sie ihre Unterstützung dem Landkreis an. Denn ich bin überzeugt, dass die Akzeptanz bei einer Quote von nur 4 von Hundert, verteilt auf den gesamten Landkreis, wesentlich höher sein wird.

Wir wünschen uns für unseren Ort, dass die 2015 in Aussicht gestellte Umnutzung der Sonderschule in der Dr.-Kremser-Straße 37, auch tatsächlich Beachtung findet und an entsprechenden Nutzungskonzepten gearbeitet wird. Wie im Dorferneuerungsprogramm festgeschrieben, sollte in dem Bereich unseres Ortes die neue Dorfmitte entstehen und den Ort zusammenbringen.

Was die Realität jetzt aber tatsächlich zeigt ist, dass der Ort mehr denn je, durch die zentrale Lage der Unterkunft, geteilt ist. Ausdrücklich laden wir noch einmal alle Verantwortlichen, insbesondere den Landrat, zu einem kurzfristigen Bürgerdialog ein. Mehr als die Hand auszustrecken, können wir nicht. Sie müssen die Hand schon selbst ergreifen!

Und bitte, auf die groß angelegte Polizeieskorte sollten Sie beim nächsten Besuch verzichten. Wir sind alles anständige, vernünftige Bürger, die einfach nur gehört werden wollen. Zum Schluss gebe ich Ihnen noch den Rat, den ich auch meinen Kindern immer wieder gebe: Setzen Sie sich hin und machen Sie ihre Hausaufgaben. Und vor allem, handeln Sie nach dem Wahlspruch der SPD und zeigen Sie Verstand und vor allem HERZ! Vielen Dank!
Sebastian Kalbitz