Thomas Kohl im 1. Sinfoniekonzert

Nachtigall mit Bass

Mittwoch
27.09.2023, 10:35 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Thomas Kohl ist seit 1995 im Solistenensemble des TN LOS! Der Sänger fühlt sich musikalisch sowohl im Musical als auch in einer Wagner- oder Mozart-Oper wohl. Im 1. Sinfoniekonzert der neuen Spielzeit übernimmt er nun eine Sprechrolle...

Ob als »eindrucksvoller Komtur« in »Don Giovanni«, als »souveräner König Marke« in »Tristan und Isolde« oder als Don Alfonso in »Così fan tutte« oder Bartolo in »Die Hochzeit des Figaro«, immer strahlt seine schöne Bass-Stimme. Im 1. Sinfoniekonzert ist er der Sprecher in Theo Loevendies »Die Nachtigall« nach dem Märchen von Hans Christian Andersen.

Es ist nicht das erste Mal, dass du neben dem Opernbetrieb auch in Konzerten als Sprecher in Erscheinung trittst...

Ja, ich habe schon verschiedene andere Stücke für Sprecher und Orchester gemacht, zum Beispiel von Camille Saint-Saёns »Der Karneval der Tiere« mit Zwischentexten von Loriot. Was die Texte bei »Die Nachtigall« ein bisschen tricki macht, ist, dass sie nicht nur zwischen der Musik, sondern auch über die Musik gesprochen werden. Ich habe eine richtige Partitur – die zudem noch handgeschrieben ist, was es nicht einfacher macht. Teils muss ich aufpassen, dass ich bis zu einem bestimmten Zeitpunkt mit dem Reden fertig bin, teils gibt es bestimmte Akkorde als Anhaltspunkt oder Pausen, in denen dann auch der Dirigent auf mich warten kann.

Thomas Kohl muss in der "Nachtigall" ausnahmsweise einmal nicht singen (Foto: Theater Nordhausen) Thomas Kohl muss in der "Nachtigall" ausnahmsweise einmal nicht singen (Foto: Theater Nordhausen)


Die Anforderungen an Gesangsstimme und Sprechstimme sind meines Wissens unterschiedlich.

Rein technisch denke ich da nicht mehr darüber nach. Für eine tiefe Männerstimme liegt das Singen und Sprechen zudem auch am nächsten beieinander, was es per se einfacher macht. Bei Frauenstimmen ist es schwieriger. Übrigens ist die Intonationshöhe der Frauensprechstimme in den letzten Jahrzehnten deutlich messbar abgesunken. Der Unterschied zur Männerstimme lag vor zwanzig Jahren im Durchschnitt fast bei einer Oktave. Heute ist es nur noch eine Quinte. Denk einmal an die hohen Piepsstimmen in den alten Filmen. Da hat es einen Kulturwandel gegeben. Für mich ist es prinzipiell immer reizvoll, auch in Sprechtexten – ähnlich wie bei den Dialogen in Operetten – mit unterschiedlichen Farben zu arbeiten. In »Die Nachtigall« bietet sich das bei der Gestaltung der verschiedenen Figuren und ihrer wörtlichen Rede an. Da gibt es zum Beispiel den Kaiser und seinen Kammerdiener, denen ich einen je anderen Charakter geben will. Das Stück ist zum Teil auch witzig, z.B. wenn die beiden durch den Wald laufen und die Nachtigall suchen und dann eine Kuh muht und die Frösche quaken, was im Orchester auch zart angedeutet wird. Ich habe auf jeden Fall Spaß daran.

Ursprünglich war das Werk des niederländischen Jazzmusikers, Klarinettisten und Komponisten Loevendie als Bühnenmusik für eine Theateraufführung geschrieben, 1981 entstand die Orchesterfassung, die im Konzert mit dem rückgeführten Originaltext von Andersen zu Gehör gebracht wird. Hast du dir im Vorfeld die Musik angehört? Wie würdest du die Musik beschreiben?

Es gibt verschiedene interne Aufnahmen vom Verlag, die ich mir angehört habe. Michael Helmrath, der das 1. Sinfoniekonzert dirigieren wird, weiß da mehr, er hat dieses Stück schon einmal aufgeführt. Ein wenig hat mich die Musik an »Die Geschichte vom Soldaten« von Strawinsky erinnert. Die Musik ist sehr bunt, und vielfältig gestaltet, gut anzuhören – durchaus auch für Kinder. Es ist ein ständiger Wechsel zwischen Musik und Sprache, die Musik illustriert die Handlung und macht die Geschichte spannend.

Musik spielt in den Geschichten Andersens eine wichtige Rolle. Viele seiner Figuren sind Künstler, Musiker oder Tänzer. Andersen will durch Musik in die Tiefe des Herzens gelangen. Die Nachtigall, der unscheinbare kleine Vogel mit der wunderbaren Stimme, rührt jeden, der sie hört, in dem Märchen zu Tränen. Hat dich schon einmal Musik zu Tränen gerührt?

Als Zuschauer habe ich schon sehr berührende und tolle Momente genossen, aber mich traf es eher beim Musizieren. Zum Beispiel kam mir bei einer Bach-Solokantate, während ich die Arie sang, der Gedanke: das wird nie wieder so schön. Ich hatte das Gefühl, diesen Moment, den kannst du nicht halten. Es war einfach perfekt. In der Tat habe ich aber bei ganz schlichten Liedern zur Gitarre angefangen zu heulen. Ich konnte einfach nicht mehr weitersingen.

Du spielst auch Gitarre, und mit dem Duo »noKlassik« bedienst du damit noch ein anderes Genre als den Operngesang, kam das später dazu?

Damit fing es an. Über diese Schiene bin ich überhaupt zum Gesangsstudium gekommen. Mit 14 Jahren habe ich angefangen, Gitarre zu spielen und vor allem Chansons gesungen und bin so mit 17 beim Gesangsunterricht gelandet. Musik stand irgendwie immer obenan. Ich hatte damals auch in der Kirchenband mitgespielt. Eigentlich wollte ich aber einen ganz anderen Beruf ergreifen, hatte schon eine Elektrikerlehre angefangen. Abitur war zu der Zeit ein bisschen schwierig, weil ich nicht zur Jugendweihe gegangen bin und eben keinen 1,o Durchschnitt hatte. Mein Traumberuf wäre Tontechniker gewesen. Aber zu DDR Zeiten war auch das eher unerreichbar. Der Beruf war systemrelevant, weil man für eine Arbeit beim Rundfunk und Fernsehen regimekonform sein musste. Aber meine Gesangslehrerin hatte mich gleich in der dritten Stunde gefragt, ob ich nicht Gesang studieren will - sonst wäre ich wahrscheinlich Elektroingenieur geworden.

Du hast dann ab 1989 in Berlin an der Hochschule für Musik Hanns Eisler studiert.

Ja, bei Günther Leib, das war seinerzeit ein namhafter Sänger und ich habe künstlerisch viel von ihm gelernt, vor allem hat er mir viel für die Liedinterpretation mitgegeben. Viel verdanke ich Gert Bahner, Direktor an der Oper Leipzig, der als Professor für den Musiktheaterbereich auf mich aufmerksam geworden war. So hatte ich das Glück, von vornherein in Opernproduktionen involviert gewesen zu sein. Ab dem 2. Studienjahr habe ich jedes Jahr eine Produktion mitgemacht, was überhaupt nicht selbstverständlich war.

Wann bist du nach Nordhausen gekommen?

Direkt nach dem Studium. Ich bin seit 1995 hier. Nordhausen war und ist mein einziges Festengagement. Mit Familie, wir haben drei Töchter, ist ein Nomadenleben eher schwierig. Ich hatte und habe hier tolle Aufgaben und das Angebot eines anderen Theaters, für dass ich mit der ganzen Familie umgezogen wäre, – ist ja auch finanziell ein Riesenaufwand – war nicht dabei.

Du hast viele große Partien von Mozart bis Wagner gesungen, was wäre denn noch eine Wunschrolle von Dir?

Ich bin gespannt, was noch kommt. Mozart – immer wieder gern, da habe ich inzwischen aber schon alles gesungen, was für mich infrage kommt. Derzeit stehe ich als Bartolo in Mozarts »Die Hochzeit des Figaro« auf der Bühne, macht richtig Spaß. Ansonsten freue ich mich wahnsinnig auf »Roméo et Juliette« von Gounod. Da singe ich den Frère Laurent (Pater Lorenzo), eine nicht ganz so große Rolle, aber eine superschöne Partie – fast wie für mich geschrieben. Ich freue mich immer, neue Rollen kennenzulernen. Es sind immer die Aufgaben, an denen man gerade arbeitet, die einen fesseln.
Renate Liedtke