Interview mit Jörg Neubauer vom Jungen Theater

Über wahre Freundschaft und den Miesepups

Dienstag
12.09.2023, 15:44 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Jörg Neubauer vom Jungen Theater inszeniert die Geschichte vom Miesepups die am kommenden Sonntag ihre Premiere in Nordhausen erlebt. Renate Liedtke war mit ihm im Gespräch zu dieser Produktion...

Jörg Neubauer inszeniert seine Bühnenfassung vom "Miesepups" (Foto: TNLOS) Jörg Neubauer inszeniert seine Bühnenfassung vom "Miesepups" (Foto: TNLOS)

Der Miesepups wohnt in einer dunklen Baumhöhle im Mooswald – ganz allein. Er will auch gar nicht, dass ihn jemand besucht. Seit er vor zwei Jahren eingezogen ist, hat er nicht einmal aufgeräumt – keine Lust. Er selbst sieht auch nicht besonders hübsch aus – findet er, und da war es wohl besser, wenn ihn niemand sah. Das Nakinchen und das Heichörnchen hat er sich von der Fee schon wegwünschen lassen, die fanden ihn ja sowieso entweder gruselig oder ein bisschen unhöflich. Nur das Kucks ließ sich nicht von ihm vergraulen. Es brachte eine Taschenlampe mit, damit der Miesepups nicht im Dunkeln über seinen eigenen Müll stolpert, legte ihm ein Marmeladenbrot vor die Tür und es fand ihn, so wie er war, ganz in Ordnung, half ihm, den Schuster im Wald zu finden und die Flaschen entsorgen. Tja, und dann, dann konnten sie vom Pfandgeld Eis essen. War eigentlich schön!

Renate Liedtke: »Der Miesepups« ist ein Kinderbuch von Kirsten Fuchs, nun ist die Geschichte am Jungen Theater Nordhausen zu erleben, in einer eigenen Fassung?
Jörg Neubauer
: Ich habe sehr dicht an der Vorlage vom Kinderbuch den Text für die Figuren rausgezogen. Eine kurze Erzählerfrequenz führt am Anfang in die Geschichte ein und schon erwachen die Figuren zum Leben.

Du sagst Figuren, ich lese aber nur eine Person als Darstellerin: Daniela Bethge…
Daniela ist der Miesepups. Die anderen Figuren werden von Tristan Meuser, der bei uns seinen Bundesfreiwilligendienst macht, als Puppen geführt. Daniela verleiht den Puppen ihre Stimme, nur die Rolle des Kucks, die spreche ich. Die Puppentexte haben wir vorher aufgenommen und verfremdet.

Miesepups – das klingt so ein bisschen stofflich, was ist denn dieser Miesepups?
Der Miesepups ist ein Wesen, das in den meisten von uns ein wenig schlummert. Es ist die Seite in uns, die etwas findet, um die Spülmaschine doch lieber nicht auszuräumen und den Wäscheberg nicht in die Waschmaschine zu stopfen. Der Miesepups schiebt die Dinge, die anstehen, lieber auf die lange Bank.

Der Miesepups traut sich nicht unter die Leute, weil er sich selbst so unansehnlich findet …
Nun, er ist mit sich selbst nicht so ganz im Reinen und ein sehr unsicherer Typ. Bei der Fee, die bei ihm nachts auftaucht und ihm drei Wünsche freistellt, ist ein Wunsch davon, dass alles, was so dick und hässlich an ihm ist, weg sein soll. Als dann aber der Wunsch in Erfüllung geht und am Miesepups kaum noch etwas übrig ist, ist das auch nicht so toll. Auf einmal vermisst er seine schiefen Zähne und seinen Kullerbauch und wünscht sich schnell alles wieder zurück. So macht der Miesepups im Stück einen richtigen Prozess durch. Er lernt, mit sich ins Reine zu kommen und sich selbst zu mögen.

Das ist gerade für junge Leute eine total aktuelle Thematik.
Genau. Wir entsprechen alle nicht unserem Idealbild. Aber, was ist schön? Nur dünn und schlank? Ich glaube nicht. Und das ist etwas, was der Miesepups langsam erkennt. Dieses Kucks, ein Wesen, was immer wieder kommt und ihn angucken will, ist eine tolle Figur, die unterstützend ist, die einfach nicht locker lässt.

Das Kucks ist ein richtiger Freund…
Ja, das Kucks zeigt dem Miesepups immer wieder, dass es ihn gut findet, so wie er ist, und ihn mag und immer für ihn da ist. Es motiviert den Miesepups schließlich auch, aus dem Quark zu kommen. Ich sehe das Kucks als die verkörperte Positivität und Leichtigkeit. Alles, was bei Miesepups schwerfällig und problembeladen ist und eine schier unüberwindbare Herausforderung scheint – zum Beispiel das Abgeben der Pfandflaschen – das macht das Kucks mal eben so. Aber es hält dem Miesepups nichts vor, sondern nimmt ihn an die Hand und sagt: »Komm, wir machen das gemeinsam, ich kann dir zeigen, wo es langgeht«. Das Kucks gibt ganz viel positive Energie.

Welche dramaturgische Funktion hat die Fee in der Geschichte?
Die Fee ist in meiner Interpretation so etwas wie die innere Stimme vom Miesepups, also etwas, was er sowieso weiß. Deshalb hat Daniela, unser Miesepups, auch die Stimme der Fee eingesprochen. Im Lauf des Stückes gleicht Daniela die Stimmfarben der beiden Figuren, die am Anfang sehr unterschiedlich sind, immer mehr an. Diese Fee erfüllt eigentlich gar keine Wünsche, sie gibt nur Hinweise und Handlungsempfehlungen. Miesepups wünscht sich zum Beispiel den Ast weg, auf dem die nervigen Tiere immer rumtoben. Die Fee sagt: »Da hast du eine Säge, dann mach ihn weg«. Gut, einmal zaubert sie (vielleicht) mit dem Dicksein, aber es kann auch sei, das alles eigentlich nur im Traum passiert. Die Fee ist wie eine innere Stimme, die rät, es einfach nur zu tun. Durch die unverbrüchliche Freundschaft vom Kucks findet Miesepups die Zuversicht, dass er das kann, es selbst anpacken.

Es ist ein Stück für Kinder ab vier Jahren, ist das in dem Alter schon begreifbar?
Ich bin davon überzeugt, vielleicht nicht in allerletzter Konsequent, aber dafür haben wir ja eine Fee auf der Bühne. Auch die Vierjährigen kennen das, sie sollen ihr Spielzeug aufräumen oder sich selbst anziehen und haben gar keine Lust dazu. Egal, wie alt wir gerade sind, es gibt Dinge, von denen wir wissen, dass es gerade angebracht wäre, diese zu erledigen, doch dafür muss manchmal erst der innere Schweinehund überwunden werden.
Das Stück spielt im Wald?
Ja, in einer Höhle im Mooswald. Der Wald wurde wie mit großen grünen Pinselstrichen auf die Aushänger, die Gassen, gemalt. Carolin Flucke hat die Bühne entworfen und auch die Wesen selbst angefertigt, also das Heichhörnchen, das Nakinchen und auch das Kucks. Das hat Kucks ganz große Kulleraugen, es kann wirklich richtig gut gucken.
Wie lange wird die Vorstellung dauern?
So zwischen 35 und 40 Minuten Spieldauer werden wir voraussichtlich haben.

Ist auch Musik dabei?
Ja, da bin ich noch auf der Suche. Etwas Schönes habe ich schon gefunden. Der Komponist heißt Mikael Karlsson, die Musik ist schön schräg, hört sich aber dennoch sehr angenehm an, sie ist so ein bisschen »miesepupsig«, schwerfällig und beschwingt zugleich.

Schafft der Miesepups es letztlich, über seinen Schatten zu springen?
Ja. Am Schluss kommt der Miesepups endlich aus dem Knick und verlässt seine Höhle. Das Kucks hat wieder ein Geschenk für ihn, ein Armband mit der Aufschrift »Ein Herz für Miesepups«. Beim Verlassen der Vorstellung bekommen alle Kinder auch so ein Armband – ein Herz für alle Miesepupse um uns herum und die Miesepupse in uns selbst.