Angemerkt

Der Wähler - die große Unbekannte

Montag
11.09.2023, 09:00 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
Nun ist der erste Wahlakt vorbei und in vielen Parteizellen in diesem kleinen nordthüringer Universum wird man verblüfft den Kopf immer noch schütteln. Wie konnte das passieren?

Wahl 2023 (Foto: nnz) Wahl 2023 (Foto: nnz)
Die meisten Menschen, mit denen ich mich in den zurückliegenden Tagen und Wochen zum Thema OB-Wahl unterhielt, gingen - bei sechs Kandidaten - von der Notwendigkeit einer Stichwahl aus. Für die Mehrheit war ebenso klar, dass AfD-Kandidat Jörg Prophet dabei gesetzt sei. Die Unbekannte sei lediglich die Antwort auf die Frage, wer ihn herausfordern wird.

Die Minderheit der Gesprächspartner (es war zugegebenermaßen nur ein Stimme) ging davon aus, dass der bisherige Amtsinhaber eine Chance habe. Und diese eine Stimme sollte Recht behalten. Der Wähler hat das so entschieden und die Strategien oder das Taktieren und all die offenen oder versteckten Empfehlungen der "Etablierten" einfach "missachtet". Vielleicht war es eine Trotzreaktion, vielleicht aber auch das Ergebnis der Wahrnehmung aus den sechs Jahren Buchmann im Rathaus, die scheinbar anders ist als in den Parteizentralen.

Wie anders ist es zu erklären, dass der OB mit einem minimalsten Aufwand seinen Wahlkampf betrieb, dieses Ergebnis einfahren konnte? Mitunter konnte man annehmen, die wenigen Wahlplakate sind der Rest der Stichwahl-Plakate von vor sechs Jahren. Kein Großwahlplakat, kein Banner an irgendwelchen Geländern. War es der Amtsbonus?

Ich glaube eher an die Denkzettel-Strategie und damit kommen wir zum eigentlichen Verlierer dieser Wahl. Das ist nicht nur Alexandra Rieger, das ist auch Matthias Jendricke. Der war Initiator, Antreiber, Ansager, Wahlkampfstratege und was weiß ich noch alles. Es gab mehrere warnende Stimmen zur Personalie Rieger. Und es gab einen Wahlkampf, der nicht mehr in die Zeit passte, vor allem nicht in die politische Zeit. Die alten Muster, immer mehr Prominenz nach Nordhausen zu locken, die verfangen nicht mehr. Ein Carsten Schneider und zwei Minister von einer Partei, die momentan beim Wahlvolk nicht so angesagt ist, das muss man erst einmal hinbekommen.

Doch der Denkzettel der Wähler galt auch den anderen Verlierern. Denen, die meinten, man könne von Weimar aus den Menschen der Rolandstadt etwas mehr Freundlichkeit beibringen. Oder jenen, die als selbsternannte Volkspartei keinen eigenen Kandidaten mit Parteibuch auftreiben konnten. Vom liberalen Personen-Hickhack ganz zu schweigen.

In zwei Wochen wird es einen Mann geben, der für weitere sechs Jahre die Geschicke dieser Stadt lenken und leiten muss. Der Zusammenführen muss: im Rathaus selbst, in der Stadt mit ihren Ortsteilen und ins Umland hinaus. Letztlich sind die Zu- und Umstände, die den gegenwärtigen Status Quo bis hin zum Absperrungswahnsinn oder der Bürgerserviceferne ausmachen, das Ergebnis der bisherigen sechs Jahre. Und so, in dem waren sich alle anderen fünf Kandidaten im Wahlkampf einig, kann es nicht weitergehen. Oder vielleicht doch?
Peter-Stefan Greiner