Denkmalstag am Kyffhäuser

Grabungsschnitt in die Geschichte

Sonntag
10.09.2023, 15:14 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Weithin sichtbar ist das Kyffhäuserdenkmal mit seinem imposanten Turm nicht nur eine Landmarke. Der Besuchermagnet ist auch ein Pfund für die gesamte Region, aus dem man in Zukunft gerne mehr machen möchte. Doch bevor gebaut werden kann, sind erst einmal die Archäologen dran und denen konnte man heute über die Schulter blicken…

Bei strahlend blauem Himmel lockte heute auch der Kyffhäuser zum Tag des offenen Denkmals. Das eigentliche Highllight fand sich aber in den Ruinen der Oberburg (Foto: agl) Bei strahlend blauem Himmel lockte heute auch der Kyffhäuser zum Tag des offenen Denkmals. Das eigentliche Highllight fand sich aber in den Ruinen der Oberburg (Foto: agl)


Wenn die Archäologie auf die Baustelle drängt, ist das für den Bauherr nicht immer erfreulich. Grabungen kosten schließlich Zeit. Bauherr will demnächst auch die Kyffhäuser-Stiftung sein, mehrere Millionen Euro sollen in das Wahrzeichen hoch oben auf dem Berge fließen, nur sind die Archäologen hier freilich gerne gesehen, auch wenn sie dafür sorgen, dass einmal gefasst Pläne umgeschrieben werden müssen.

Und danach sieht es nach den ersten, größeren Grabungen der jüngeren Vergangenheit aus. Seit April war das Landesamt für Denkmalschutz mit drei bis sechs Mann grabend auf der Oberburg tätig und konnte unter anderem die Reste der Burgkapelle freilegen.

Aber warum überhaupt auf der Kyffhäuser-Burg graben? Ist bei so einem bekannten und viel besuchten Denkmal nicht schon lange jeder Winkel erforscht? Ganz und gar nicht, erzählt Dr. Robert Knechtel, der im Landesamt für Nordthüringen zuständig ist. Zusammen mit Grabungsleiter Dr. Holger Grönwald gab man den Besuchern von Burg und Denkmal heute einen Einblick in die Arbeit der Archäologen. „Es gab an dieser Stelle schon in den 1930er Jahren Grabungen. Aber damals hat man mit Masse gearbeitet wo man gut ausgebildete Leute vom Fach gebraucht hätte. Wie der Bau des Denkmals zuvor ist das wie ein Sturm über den Berg hinweggefegt. Die Dokumentation war dürftig und die Forschung an sich stark politisiert. Nach dem Krieg hat sich keiner mehr so recht an das Material herangetraut und in der DDR hatte man andere Prioritäten“, berichtet Knechtel.

Dr. Robert Knechtel, Antje Hochwind-Schneider Stiftungsvorsitzende und Landrätin und Grabungsleiter Dr. Holger Grönwald (Foto: agl) Dr. Robert Knechtel, Antje Hochwind-Schneider Stiftungsvorsitzende und Landrätin und Grabungsleiter Dr. Holger Grönwald (Foto: agl)


Die Aufzeichnungen von damals taugen nur noch als vage Referenz und so stoßen die Archäologen tatsächlich auf eine ganze Reihe neuer Erkenntnisse. Die besagte Kapelle etwa wurde im späten 11. Jahrhundert errichtet, wohl aber schon im 12 Jahrhundert umgenutzt. Spätere Generationen errichten Wohngebäude an der Südmauer, mitsamt Heizanlage. Das geschulte Auge sieht Aufbau, Umbau, Verfall und Nachnutzung. „In der Vergangenheit konnten wir immer mal ein paar Probestiche machen, aber wenn sie nur einen Quadratmeter ausgraben, ergibt sich kein größeres Bild. Hier haben wir 400 Quadratmeter freilegen können.“ berichtet Grabungsleiter Grönwald. Weitere Probegrabungen sollen im kommenden Jahr folgen, denn die Burg hat verbirgt noch Geheimnisse. Wo etwa der hochherrschaftliche „Pallas“ stand ist bis heute ungeklärt.

Grabungsleiter Grönwald erläuert die Funde anhand von Drohnenaufnahmen (Foto: agl) Grabungsleiter Grönwald erläuert die Funde anhand von Drohnenaufnahmen (Foto: agl)


An anderer Stelle reicht die Geschichte noch viel weiter zurück. So wurde lange vermutet, dass es auf dem Höhenzug auch bronzezeitliche Anlagen gegeben haben könnte, unter Umständen vielleicht gar eine befestigte Höhensiedlung. Der Schluss kommt nicht von ungefähr, im Umland sind zahlreiche Spuren dieser frühen Kulturblüte in der Goldenen Aue erhalten, darunter etwa die Hügelgräber bei Auleben oder die spektakulären Funde, die man vor ein paar Jahren bei Bielen gemacht hat und die heute im Heringer Schloss bewundert werden können. Nun glaubt man auf der Kyffhäuserburg Anzeichen für Wallanlagen gefunden zu haben. Außerdem fielen den Archäologen Funde in die Hände, die sich in etwa auf das 7. vorchristlichen Jahrhundert datieren lassen.

Aus Geschichte mehr machen
Für die Kyffhäuser-Stiftung sind das alles fantastische Nachrichten, auch wenn sich die Investitionspläne verschieben. „Man hat sich hier lange auf das Denkmal konzentriert, wir wollen den Fokus erweitern und die gesamte Geschichte in den Blick nehmen.“, erzählt Antje Hochwind-Schneider, Landrätin im Kyffhäuser-Kreis und Stiftungsvorsitzende. Sowohl das Denkmal wie auch die Barbarossa-Burg seien von zentraler Bedeutung für die gesamte Region, auch über die Kreisgrenzen hinweg. Rund 20 Millionen Euro sollen deswegen in den nächsten Jahren in die Anlage fließen. Neben einem neuen Empfangsgebäude will man unter anderem den Barbarossa-Turm barrierefrei erschließen, als Ausstellungsraum nutzen und gleichzeitig mit einer Kuppel vor dem Unbill der Witterung und dem Zahn der Zeit schützen.

Die Archäologen haben auch heute die Chance genutzt, noch ein paar Aufnahmen zu machen. Im kommenden Jahr soll an andere Stelle weiter gegraben werden  (Foto: agl) Die Archäologen haben auch heute die Chance genutzt, noch ein paar Aufnahmen zu machen. Im kommenden Jahr soll an andere Stelle weiter gegraben werden (Foto: agl)


Für die Umsetzung hat man sich mit dem Leipziger Prof. Volker Rodekamp professionelle Unterstützung mit ins Boot geholt. Rodekamp hat lange am Völkerschlacht-Denkmal in Leipzig gewirkt und dabei geholfen, die Anlage wieder stärker ins Licht des öffentlichen Interesses zu rücken. „Wir können und sollten nicht vor der Geschichte davon laufen, auch nicht vor den schwierigen und schweren Teilen. Und wir müssen uns überlegen, welche Geschichten wir erzählen, um Perspektiven für das 21. Jahrhundert zu schaffen“, erzählt der Professor.

Zwischen 120.000 und 130.000 Besucher zählt man in der Anlage jedes Jahr, der Corona-Knick ist dabei noch nicht ganz überwunden, kann Landrätin Hochwind ergänzen. Mit den Investitionen hofft man das Wahrzeichen der Region in die Zukunft führen zu können und auch wieder mehr Besucher auf die Höhen des Kyffhäuser zu locken.

Einen besonderen Gast konnte man am Rande heute aus Übersee begrüßen: den Amerikaner Andrew Potts. Der kommt aus Illinois, welches sich seit Ende des 19 Jahrhunderts mit dem „Soldiers and sailors Monument“ schmückt. Er zeigt ein paar Bilder und die Parallelen zum Kaiserdenkmal auf dem Kyffhäuser sind offensichtlich. Dessen Architekt Bruno Schmitz war nahezu gleichzeitig mit dem Zeichnen der Pläne für beide Monumente beschäftigt und auch in den künstlerischen Details der Skulpturen lassen sich Vergleiche anstellen. Es ist nur ein Detail am Rande der langen Geschichte von Burg und Denkmal aber eines das zeigt, welch verschlungene Wege Kultur, Kunst und Geschichte mitunter gehen können. Und wer weiß Angesichts dessen schon, welche Überraschungen das alte Gemäuer noch bereit hält.
Angelo Glashagel