Podiumsdiskussion im Clubhaus

Wen würde die Jugend wählen?

Mittwoch
06.09.2023, 15:46 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Im Jugendclubhaus konnten sich die Kandidaten für das höchste Amt im Nordhäuser Rathaus heute den Fragen der Jugend stellen, die im Nachgang schon einmal einen Wahl-Probelauf durchführten…

Podiumsdiskussion im Jugendclubhaus (Foto: agl) Podiumsdiskussion im Jugendclubhaus (Foto: agl)


Die Podiumsdiskussion samt „Jugendwahl“ ist der vorläufige Höhepunkt des Projektes „Scha(r)f auf Wa(h)l“, welches vom Kreisjugendring und den Jugendgremien in Kreis und Stadt auf die Beine gestellt wurde. Die Fragerunde hat inzwischen Tradition, egal ob Landrats- oder OB-Wahl - die Diskussion im Clubhaus gehört fest zum Terminkalender der Nordhäuser Urnengänge.

Das hat sich herumgesprochen und entsprechend groß war heute auch der Andrang der geladenen Schulen. Rund 200 Kinder und Jugendliche kamen am Vormittag im Clubhaus zusammen, um sich ein Bild vom Feld der OB-Kandidaten zu machen und fast noch einmal so viele waren online zugeschaltet.

Vier Themen, 45. Minuten
Moderator Thomas Müller hatte heute keinen leichten Job, nur knappe 45. Minuten, also eine Schulstunde, blieben um vier Themenkomplexe zu behandeln und dabei die Redezeit der sechs Kandidaten im Gleichgewicht zu halten. Die Fragen stammten dabei nicht aus Müllers Feder, sondern aus der Zielgruppe selbst. Denn auch wenn heute nicht viel Zeit blieb, thematisch in die Tiefe zu gehen, so hatte der Nachwuchs doch schon im Vorfeld die Möglichkeit, den Aspiraten auf das OB-Büro auf den Zahn zu fühlen.

Organisiert wurde die Runde vom Kreisjugendring, dem Kinder- und Jugendstadtrat und dem Kinder- und Jugendparlament des Kreises (Foto: agl) Organisiert wurde die Runde vom Kreisjugendring, dem Kinder- und Jugendstadtrat und dem Kinder- und Jugendparlament des Kreises (Foto: agl)


Was ist ihre Motivation, Oberbürgermeister werden zu wollen?
Heute nun also noch einmal der direkte Vergleich von Angesicht zu Angesicht. Moderator Müller eröffnete mit einer einfachen Eingangsfrage: Warum will man OB werden?

Als erster darf Jörg Prophet (AfD) antworten: seine Motivation sitze im Saal und an den Bildschirmen, er wolle Anwesenden und auch seinen eigenen Kindern eine Stadt hinterlassen, in der man sich wohlfühlen und gut leben und arbeiten könne.

Carsten Meyer (Grüne) haben zwei Gründe zur Kandidatur bewogen: zum einen sollte breite und vielfältige Wahlmöglichkeiten geboten werden, zweitens wäre es für ihn persönlich schön, wenn er sein jahrzehntelanges Engagement in der Kommunalpolitik mit der Tätigkeit als OB krönen könne.

Amtsinhaber Kai Buchmann (parteilos) gab an nichts anderes zu wollen als vor sechs Jahren: das Beste für die Heimatstadt erreichen. Leider sei noch nicht alles perfekt, deswegen würde er gerne „noch eine zweite Runde gehen“.

Andreas Trump (parteilos für die CDU) möchte nicht, das Nordhausen endet wie manch andere Regionen, aus denen die Jugend lieber wegzieht und nicht mehr wiederkehrt. Um als junger Mensch nach den eigenen Vorstellungen gut leben zu können, brauche es gute Bedingungen.

Bürgermeisterin Alexandra Rieger (SPD) sieht eine tolle Stadt und tolle Menschen, die zwar vieles geschehen machen, ihre Ressourcen und Stärken aber nicht voll ausschöpfen. Man müsse zeigen, dass man mehr kann und das könne durchaus auch bedeuten, dass wieder mehr für die Jugend geboten wird, zum Beispiel im Clubhaus.

Stefan Marx (FDP) lebt und arbeitet seit über 25 Jahren in Nordhausen und kandidiert unter dem Motto: „Wer seine Stadt liebt, der macht sie besser“. Das sei sein Ansatz und das bedeute ebenfalls, mehr Angebote für die Jugend zu schaffen.

Die Diskussionrunde war gut besucht - vor Ort wie auch online (Foto: agl) Die Diskussionrunde war gut besucht - vor Ort wie auch online (Foto: agl)


Tour de Force
In rasantem Tempo musste es nun weiter gehen, Frage Nummer Eins: Wie gedenken Sie die Attraktivität der Stadt zu steigern?

Marx: er habe vernommen, dass unter den jungen Menschen der Stadt der Wunsch nach mehr Aufenthaltsorten und überdachten Sitzmöglichkeiten bestehe und die Skaterbahn dringend renoviert werden müsse. Denkbar sei auch ein Ausbau von Möglichkeiten im öffentlichen Raum, etwa durch öffentliche Grillplätze in den Parks der Stadt oder ein Jugendcafé oder -büro in der Innenstadt, in dem die Verwaltung als Ansprechpartner direkt erreichbar sein könnte.

Ähnliches schwebt Alexandra Rieger vor, die Idee Jugendbüro sollte weiter verfolgt werden. Davon ab habe man zwar viele Spielplätze für jüngere Kinder in der Stadt, Angebote für die Nordhäuserinnen und Nordhäuser im Alter zwischen 10 und 20 Jahren fehlten aber noch. Mit dem „Nordpark“ gehe man erste Schritte das zu ändern. Grundsätzlich sei es aber auch gut, wenn die Jugend selber Engagement zeige und Ideen einbringe.

Lehrer und Schuldirektor Andreas Trump meint den jungen Leute fehle es an Orten, an denen „keiner daneben steht der aufpasst“. Solche „Aneignungsräume“ müsse man schaffen und mehr Angebote für Sport und Freizeit etablieren, ihm schwebe etwa ein „Bike-Park“ hinter der Gumpe vor. Im Blick habe er auch das Angebot an den Kiesseen und die Sanierung des Salza-Bades.

Kai Buchmann verwies darauf, dass man die letzten Jahre viel in Freizeitangebote investiert habe, aber auch noch für andere Dinge zuständig sei. Um gute Lernbedingungen an den Schulen und Kindergärten zu schaffen nehme man viel Geld in die Hand. Der Skatepark sei das ein lang bekanntes Negativ-Beispiel, dem er sich gerne in der nächsten Legislatur annehmen würde.

Carsten Meyer will sich darauf konzentrieren, gute Perspektiven in und nach der Schule zu schaffen, so es denn finanzierbar ist. Versprechen könne man vieles, ein Bürgermeister sei aber kein Alleinherrscher, sondern an die Zusammenarbeit mit dem Stadtrat gebunden.

Jörg Prophet meinte man solle die Entscheidung, was geschehen soll der Jugend selbst überlassen. Die müsse darauf aufmerksam machen, was interessant sei. Mit dem Stadtrat könne man gut Kontakt aufnehmen, auch über politisch engagierte Eltern. Zweitens könne man zwar viele Themen aufnehmen, der Hauptschwerpunkt bleibe aber immer das Geld und das müsse von unten nach oben verteilt und für die Sanierung der Schulen und deren Ausstattung bereitgestellt werden.

Intermezzo
Auf die vorbereitete Frage folgte ein kurzes Intermezzo aus dem Publikum, Romy fragt: „Wie stehen sie zu LGBTQ+ Community und wie könne deren Akzeptanz erhöht werden? Im Saal sind raunen und auch Beifall zu hören.

Jörg Prophet: jeder habe unveräußerliche Rechte, dazu gehöre der "Standard" zwischen Mann und Frau aber auch die „Zwischentöne“. Man müsse diesen respektvoll entgegen kommen, dürfe aus Minderheiten aber nicht Mehrheiten machen. Ansonsten habe er mit dem Thema nicht viel zu tun, die Betreffenden Personenkreise müssten in ihrem Auftreten die
Akzeptanz erhöhen, das dies für ihn attraktiver werde.

Carsten Meyer: Es gibt verschiedene Wege Familie zu sein, mit ihm würde es zum Christopher Street Day auch eine Regenbohnefahne am Rathaus geben.

Kai Buchmann: „Es kann jeder Leben wie er gerne möchte, damit ist das Thema für mich beendet.“
Andreas Trump: man hat jeden Menschen so zu akzeptieren, wie er gerne leben möchte, ohne das ihm dabei jemand anderes reinreden kann.

Alexandra Rieger: schließt sich ihrem Vorredner an, Leben sollte man mit Respekt dem Anderen gegenüber.

Stefan Marx: Zum freiheitlichen Denken gehört die freie Lebensentfaltung, es gelte Respekt dem entgegenbringen der anders ist. Sollte sich zeigen, dass es Einschränkungen und Benachteiligungen, dann müsse man aktiv werden.

Migration und Flüchtlinge
Themenkomplex zwei behandelte das Zusammenleben in der Stadt, genauer die Integration von Migranten und Flüchtlingen.

Wieder machte Prophet den Anfang: es gäbe viele, die sich in der Schule und Klassenverband gut integrierten, da sehe er „prinzipiell keine Probleme. Womit er „nicht so einverstanden sei“, seien Menschen die nicht bereit seien, sich zu integrieren. Gemeinschaftliche Arbeit sei da ein probates Mittel, den Weg in die Gesellschaft zu finden. Ob er denn da ein Problem mit dem Standpunkten seiner Partei habe, wirft Müller ein. Man sei kein Einwanderungsland, entgegnet Prophet, eine Zugangskontrolle werde hier aber nicht gelebt. Ein Mindestmaß an Grundsicherung vorauszusetzen sei „nicht unehrenrührig“.

Carsten Meyer meint, das erste Thema müsse die Sprache und damit die Verfügbarkeit von Sprachkursen sein. In diesem Hinblick habe man vieles falsch gemacht als Gesellschaft. Zudem schaue man gerne an denen vorbei, die zum arbeiten nach Deutschland kommen. Die Akzeptanz dieser zumeist „Unsichtbaren“ müsse man fördern.

Kai Buchmann zeigt sich froh, das Nordhausen ein sicherer Ort für Geflüchtete sei, man habe mit der dezentralen Organisation der Unterbringung gute Erfahrungen gemacht und werde weiterhin versuchen, Wohnraum bereit zu stellen.

Auch Andreas Trump unterstreicht die Wichtigkeit des Spracherwerbs, die Thematik sei aber diffizil und man müsse zwischen, Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen unterscheiden. Die Möglichkeiten einer Stadtverwaltung seien in der Sache begrenzt, gerade mit Hinblick auf die Platz- und Personalsituationen an den Schulen.

Alexandra Rieger sieht ebenfalls die Sprache im Vordergrund und verweist auf technische Lösungen, die im Alltag zunächst helfen können. Eine schnelle Integration brauche gelebte, positive Beispiele.

Stefan Marx meint es sei neben der Sprache wichtig nicht zu vergessen das diejenigen, die hierher kommen in der Regel ihre Gründe haben. Es sei wichtig, das Verständnis auf allen Seiten zu stärken und Projekte die Informationsaustausch und Arbeit fördern soweit als möglich zu unterstützen.

Bus, Bahn und Fahrrad
Auch Kinder und Jugendliche sind mobil und pendeln nach Nordhausen. Entsprechend wichtig waren dem Nachwuchs die Standpunkte der Kandidaten zu Bus, Bahn und Rad.

Stefan Marx: die sind Radwege wichtig, da gibt es viel zu tun. Insbesondere in der Innenstadt brauche es ein Konzept, um mit dem Rad gut und sicher von A nach B zu kommen. Die Verbindung zu den Ortsteilen zu stärken müsse ebenso Ziel sein. Die Angebote des ÖPNV seien vor allem auch ein Geldproblem, man müsse sehen, wie man die Fahrzeiten dem Bedarf anpassen könne.

Alexandra Rieger sieht positive Ansatzpunkte für den ÖPNV am Beispiel der Veranstaltung „Feuer und Flamme“ am Kiesschacht. Hier hatte man den Verkehr bedarfsorientiert eingerichtet. Als passionierter Radfahrerin seien ihr auch die Achsenverbindungen zu den wichtigen Stellen in der Innenstadt wie den Schulen wichtig.

Andreas Trump will sich weiter für die Anbindung der Ortsteile stark machen. Bus und Bahn müssten nutzbar sein, egal wo man im Kreis wohne, dafür brauche man endlich den Nahverkehrsverbund. Die Sache sei schwierig, aber man könne sie nicht lösen, wenn man es gar nicht erst versuche.

Kai Buchmann verweist auf das Erreichte. Man habe viel gemacht und noch viel geplant, aber im ÖPNV fehle es Geld. Man brauche neue Bahnen, neue Busse und neue Fahrer, das werde ein großes Zukunftsthema.

Carsten Meyer führte an das es Radwege in alle Ortsteile geben sollte, selbt ein Fahrradstreifen sei besser als gar kein Radweg. Wünschenswert wären auch überdachte Abstellmöglichkeiten und eine Mindestbedienung des ÖPNV in die Ortsteile.

Jörg Prophet lies vernehmen das man das Geld für den ÖPNV gerne aufbringe, dafür aber die Ausstattung der Kommunen verbessert werden müsse. Alleine sei ein „Mobilitätsmix“ nicht zu schaffen.

Angst und Sicherheit
Der letzte Punkt des Tages war die öffentliche Sicherheit. Nach 20 Uhr gebe es auch für die Jugendlichen in Nordhausen „Angsträume“, berichtet Klara, insbesondere durch Personen unter Alkohol- und Drogeneinfluss. Wie Gedenken die Kandidaten die Sicherheit in der Stadt zu verbessern?

Andreas Trump sagt „Angsträume“ dürfe es nicht geben, Polizei und Ordnungsamt müssten gemeinsam mehr und besser bestreifen. Es würde auch helfen, die Sauberkeit der Stadt zu verbessern und wo Brennpunkte identifiziert werden, sei auch Videoüberwachung denkbar.

Alexandra Rieger möchte das Ordnungsamt personell verstärken und auch in den Abendstunden auf den Straßen sehen. Dabei sollte aber die mobile Sozialarbeit nicht vernachlässigt werden, es werde nicht helfen, nur mit Sicherheitskräften in Uniform aufzuwarten.

Stefan Marx möchte ebenfalls Ordnungsamt und Polizei besser koordinieren. Wer auffällig werden, müsse auch dementsprechend wahrgenommen werden.

Kai Buchmann sei die Brisanz der Sache erst klar geworden, als er für das Video zum Jugendwahl-Projekt mit den Kindern und Jugendlichen ins Gespräch kam. Die einzige Antwort könne mehr Präsenz von Polizei und Ordnungsamt einzige Antwort sein.

Carsten Meyer sieht Brennpunkte schon jetzt, vor allem in Nordhausen Ost und auf dem Petersberg. Hier brauche man wieder Straßensozialarbeiter. Man müsse erst das Gespräch suchen, ehe man mit Maßnahmen auftritt.

Jörg Prophet verweist auf Polizei, Ordnungsamt und sozialarbeiterische Maßnahmen, lehnt aber eine Videoüberwachung ab.

Die Jugend hat die Wahl
Und das war der flotte Galopp durch die Themen, die der Jugend bei der OB Wahl unter den Nägeln brennen. Vor dem Wochenende hat die nun die Möglichkeit, ihre Stimme auch auf dem Wahlzettel abzugeben. Diese Jugendwahl ist allein theoretischer Natur und soll vor allem als praktisches Beispiel demokratischer Gepflogenheiten dienen. Der Urnengang hat keinerlei Auswirkungen auf die eigentliche Wahl am kommenden Sonntag. Um einen Einfluss auf die Wahl gänzlich auszuschließen, wird man die Ergebnisse anders als bisher in diesem Jahr einmal nicht vor dem Wahlsonntag bekannt geben, sondern erst am Montag danach.
Angelo Glashagel