WALDESEL, ARCHE-TIERSCHAU UND EHRUNG EINER ENGAGIERTEN FRAU

Diana und eine Rote Liste

Sonnabend
02.09.2023, 08:00 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
Ich lernte ihn vor 50 Jahren kennen. Einen jungen, schlanken, dynamischen und durchsetzungsstarken Mann. Jahrzehnte kamen und gingen. Die Dynamik ist Wilfried Forst geblieben – auch mit 85 Jahren. Ein Bericht von Kurt Frank...

 Wilfried Forst mit seinen Tieren auf der erst in diesem Jahr angelegten weiträumigen Eselwiese, bepflanzt mit Äpfel-, Pflaumen -und Kirschbäumen. (Foto: Kurt Frank) Wilfried Forst mit seinen Tieren auf der erst in diesem Jahr angelegten weiträumigen Eselwiese, bepflanzt mit Äpfel-, Pflaumen -und Kirschbäumen. (Foto: Kurt Frank)

Nordhausen. Er leitete seinerzeit den Betrieb Nordhausen des Straßen- und Tiefbaukombinats Erfurt. Nach der Wende machte er sich selbständig und führte einen Baustoff-Recyclingbetrieb. Bis zum 80. Lebensjahr. Seine zielstrebige Arbeit, gepaart mit Fachkenntnis, Organisationstalent und Stehvermögen brachten ihm Anerkennung und Erfolge. Mit 80, Stress und Ärger hinter sich lassend, wäre ein ruhiges und beschauliches Leben mehr als verdient gewesen. Doch Wilfried Forst ist nicht der Mann, der nur einfach so in den Tag hinein leben möchte.

Er wollte sich mit seinen Erfahrungen, Fähigkeiten und Kenntnissen, mit Rat und Tat einbringen in das Lebenswerk seiner Tochter Diana. Nach dem Studium einer landwirtschaftlichen Fachschule hatte die junge Frau einen Traum, den sie sich unbedingt erfüllen wollte: eine Farm mit Tieren. Nicht mit irgendwelchen, sondern jenen Arten, die auf der Roten Listen vom Aussterben bedrohter Arten stehen, um sie zu schützen und zu erhalten. Sie wusste um das Risiko, um die Hürden und Steine, die ihr im Weg liegen würden.

Doch ihr unbeugsamer Wille, die Erfahrungen und die tatkräftige Hilfe ihres Vaters führten nach der Grundsteinlegung am 1. April 1998 und nach Jahren mühevoller und entbehrungsreicher Arbeit zum Gipfel des Erfolgs: der Forst-Farm. Dazu zählen heute unter anderem eine große Aktions- und Sporthalle, eine Landgaststätte mit 120 Plätzen, Außenklima-Offenställe, EU-zertifizierte Eigenvermarktung und die historische Kutschenremise.

Die Shetlandponys haben es bei Besuchen auf der Farm  besonders den Kindern angetan. (Foto: Kurt Frank) Die Shetlandponys haben es bei Besuchen auf der Farm besonders den Kindern angetan. (Foto: Kurt Frank)
Wilfried Forst spricht voller Stolz über seine Tochter. Unbeugsam habe sie ihren Weg beschritten, sich wieder aufgerichtet in ausweglos erscheinenden Stunden. Auf ihr Werk blickten er und die gesamte Familie mit Freude. Die Tochter dankt dem Vater liebevoll. Ohne ihn an ihrer Seite wäre die Farm nicht das geworden, was sie heute ist. Anlässlich der Bundeszuchtschau Thüringer Waldesel und der 5. Thüringer Arche- und Regionaltierschau am 8. und 9. September wird Diana Forst auf ihrer Farm für 25-jährige erfolgreiche eigene Betriebsführung von der Industrie -und Handelskammer geehrt werden.

Wie ich den 85-Jährigen bewundere. Von morgens bis zum späten Abend ist er auf den Beinen. Unermüdlich. Er füttert die Tiere, steigt auf den Traktor, bringt die Heuernte ein. Meldet sich die Polizei, ein Bürgermeister, Jagdpächter oder eine andere Person mitten in der Nacht bei ihm und meldet von der Weide entlaufende Rinder, die da irgendwo auf der Straße bei Rothesütte umherliefen, springt er flugs aus den Federn, schwingt sich in den Jeep und fährt los. Außerdem betreut der rüstige Rentner im Unruhestand noch leidenschaftlich sein schon 1965 gegründetes eigenes Pferdegestüt. Derzeit zählt es 15 Zuchttiere, die zu betreuen und zu versorgen sind.

Wilfried Forst mit seiner  Deutschen-Sportpferd-Zuchtstute „Landmaid“. Mit einer Widerristhöhe von 1,75 Meter präsentiert sie sich stolz ihrem Besitzer. (Foto: Kurt Frank) Wilfried Forst mit seiner Deutschen-Sportpferd-Zuchtstute „Landmaid“. Mit einer Widerristhöhe von 1,75 Meter präsentiert sie sich stolz ihrem Besitzer. (Foto: Kurt Frank)
Zehn verschiedene Nutztierarten betreuen Tochter und Vater. Allesamt haben sie Seltenheitswert und sind auf besagter Liste zu finden: Rotes Harzer Höhenvieh, Kaltblutpferde, Sattelschweine, Leineschafe, Deutsche Legegänse, Rouenten, Mittelhäuser Tauben. Wenn sich heute noch Thüringer Waldesel dazu gesellen, dann ist es das Resultat eines Wunsches von Dianas Mama. Margot Forst wollte einen Esel zu den Pferden dazu haben. Das war vor 30 Jahren. Sie ahnte nicht, dass daraus später die erfolgreichste und größte Zuchtherde des Thüringer Waldesels in Mitteldeutschland werden würde.

Die in Thüringen heimischen Esel, erzählt Wilfried im Gespräch mit dem Autor ausgiebig, bestanden ursprünglich aus dem Wald-, Müller-, Stein -und Grauesel. Professor Dietrich Altmann, Chef des Erfurter Zoos und einer der größten Tierzuchtkoryphäen der DDR, habe sie 1961 für einen Gen-Pol zusammen gezogen. Da es sich aber um keine anerkannte Rasse gehandelt habe, verschwanden sie in der Folge wieder.

Wilfried Forst und seine Esel
Wilfried Forst wollte sich damit nicht abfinden. Jahrelang kämpfte er um die Anerkennung der Rasse mit dem Deutschen Eselzuchtverband und beteiligten Ministerien. Am Ende stand am 2. Februar 2019 die Anerkennung als Rasse „Thüringer Waldesel“, einschlägigen EU-Vorschriften entsprechend. Seitdem erfolgen jährlich die Bundeszuchtschauen auf der Farm bei Herreden. Tierparks meldeten sich bei der Familie, die unbedingt solche Esel züchten wollten. Tochter und Vater halfen dem Tierpark Hagenbeck in Hamburg mit zwei Jungtieren. Der Tierpark Görlitz erhielt ebenfalls zwei Esel.

Die Esel-Zuchtherde der Forst-Familie, bestehend aus einem gekörten Hengst, vier Stuten, sechs Jungtieren und Fohlen, wurde als erste in das Zuchtbuch aufgenommen. Am Nachmittag des 8. September besteht ab 15 Uhr die Möglichkeit für interessierte Eselhalter, ihre Tiere zur Eintragung vorzustellen. Das Richterkollegium des Zuchtverbandes wird die Tiere begutachten. Am Vormittag des 9. November ist für die Bundeszuchtschau die Platzierung und Prämierung aller vorgestellten Thüringer Waldesel ab 9 Uhr geplant.

Die Arche-Tierschau als der besondere Höhepunkt ist an beiden Tagen ab 10 Uhr zu sehen. Jeweils ab 13 Uhr erfolgt in der Halle die Zuchtvorstellung verschiedenster Tierarten.
Kurt Frank