Feuerwehr-Statistik in Nordhausen vorgestellt

Alle 15 Minuten wird Alarm geschlagen

Montag
28.08.2023, 13:50 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Etwa alle 15 Minuten wird bei einer oder mehreren Thüringen Feuerwehren Alarm geschlagen. Im vergangenen Jahr verzeichnete man mit über 37.000 Einsätzen neue Rekorde. Hoffnung macht derweil der Nachwuchs. Die Zahlen wurden heute in der neuen Nordhäuser Feuerwache durch Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD)...

Feuerwehreinsatza auf der A38 im August 2022 (Foto: S. Dietzel) Feuerwehreinsatza auf der A38 im August 2022 (Foto: S. Dietzel)


Bei der Nordhäuser Feuerwehr ist man nahezu wunschlos glücklich: neues Haus, neue Fahrzeuge, gute Nachwuchszahlen. Wie andere Kollegen in Thüringen auch hatte man im vergangenen Jahr wieder deutlich mehr Einsätze zu bewältigen.

In der neuen Nordhäuser Wache gab heute Thüringens Innenminister Georg Maier den Blick auf’s große Ganze. „Es ist gut zu sehen, dass sich im Brand- und Katastrophenschutz im Land viel bewegt. Wenn die Feuerwehren gut untergebracht sind, dann löst das immer auch etwas in den Kommunen aus“, eröffnete Maier die Vorstellung der amtlichen Statistik.

Einmal keine Nachwuchssorgen
Die hat gute Nachrichten zu verzeichnen: die Jugendfeuerwehren im Freistaat erhalten guten Zulauf, die Zahl der Mitglieder stieg um beinahe 10 Prozent auf fast 15.000 Mitglieder. Gerade unter den Jüngsten im Alter zwischen sechs und neun Jahren ist der Anstieg besonders markant und machte einen Sprung von 731 Nachwuchs-Kameradinnen und Kameraden auf 4.947. Auch erfreulich: der Anteil der jungen Damen liegt in den Jugendfeuerwehren bei 31 Prozent.

Auch in Nordhausen verläuft die Entwicklung positiv, führte Oberbürgermeister Kai Buchmann aus. Im Jahr 2020 zählte man hier noch 95 Nachwuchskräfte, 2021 waren es bereits 115 und im vergangenen Jahr stieg ihre Zahl auf 133.

Die Thüringer Wehren verbinden mit dem interessierten Nachwuchs auch die Hoffnung, dass ein Teil seinen Weg in die Einsatzabteilungen findet. Hier sind die Entwicklungen weniger rosig aber noch kann man die Zahlen stabil halten. Thüringen zählte im Jahr 2022 1.058 (Vorjahr:1.065) hauptamtliche und 32.097 (Vorjahr: 33.074) ehrenamtliche Feuerwehrleute. Die Umbruchsphase habe bereits begonnen, unterstrich der Verbandsvorsitzende der Thüringer Feuerwehr, Karsten Utterodt.

Thüringens Innenminister Georg Maier stellte die Feuerwehrstatistik für das Jahr 2022 in der neuen Feuerwache in Nordhausen vor (Foto: agl) Thüringens Innenminister Georg Maier stellte die Feuerwehrstatistik für das Jahr 2022 in der neuen Feuerwache in Nordhausen vor (Foto: agl)
Viele Kollegen würden bald altersbedingt in den Ruhestand gehen aber noch könne man das Niveau halten, was nicht in allen Bundesländern der Fall sei. In die Tage gekommen ist auch manches Einsatzfahrzeug. Trotz zahlreicher Beschaffungen in den vergangenen Jahren stehe man weiter vor großen Herausforderungen, gerade mit Blick auf mittlere und kleinere Fahrzeuge, die zum Teil auf den 30. Geburtstag zu gingen. Hier brauche man weiter dringend die Unterstützung des Freistaates.

Respekt für Retter
Der Job bleibt trotz moderner Ausrüstung gefährlich, insgesamt 101 Feuerwehrangehörige wurden im Einsatz im vergangenen Jahr verletzt, Todesfälle hatte unter den Kameraden glücklicherweise nicht zu betrauern. „Es ist eine gefährliche Aufgabe, bei der Menschen tagtäglich in letzter Konsequenz ihr Leben aufs Spiel setzen, um andere zu retten. Da ist es umso unverständlicher, dass Rettungskräfte vermehrt beleidigt und angegriffen werden. Wir hatten 73 derartige Vorfälle im letzten Jahr, von Beleidigung bis Körperverletzung. Da ist etwas in der Gesellschaft nicht in Ordnung.“, kritisierte Innenminister Maier. Hinter den Uniformen stünden Menschen, die Respekt verdienten, dafür hätten Politik und Gesellschaft Sorge zu tragen.

Einsatzzahlen steigen erneut
Die solide Unterstützung tut weiter Not, denn die Schlagzahl der Einsätze eilte auch 2022 neuen Rekorden entgegen. Im Schnitt wird in den Wehrstuben des Freistaates alle 15 Minuten Alarm für eine oder mehrere Wehren gegeben, das macht statistisch 102 Einsätze pro Tag und rund 718 Einsätze pro Woche.

Der Verbandsvorsitzende der Thüringer Feuerwehr, Karsten Utterodt (Foto: agl) Der Verbandsvorsitzende der Thüringer Feuerwehr, Karsten Utterodt (Foto: agl)

Die Gesamtzahl der Einsätze ist mit insgesamt 37.335 Einsätzen gegenüber dem Vorjahr (2021: 35.705) um 4,6 Prozent erneut angestiegen. Obwohl bereits im letzten Berichtsjahr eine signifikante Steigerung erkennbar war, wird 2022 ein neuer Rekord aufgestellt. Dabei ist überdies zu berücksichtigen, dass 2021 die Feuerwehren nicht nur innerhalb Thüringens im Einsatz waren, sondern viele Einsätze auch auf die Hilfeleistung Thüringer Einsatzkräfte bei der Flut im Ahrtal in Rheinland-Pfalz zurückzuführen waren. 

Im Berichtsjahr sind 25.744 Hilfeleistungseinsätze zu verzeichnen – das sind gegenüber 2021 731 weniger. Dennoch stellt die Allgemeine Hilfe 2022 mit einem Anteil von 69 Prozent wie seit Jahren das Hauptaufgabenfeld der Feuerwehren dar.
Deutlich zugenommen haben die Einsätze zur Brandbekämpfung im Berichtsjahr. Sie machen 14,4 Prozent (5.377) aller Einsätze aus. Insgesamt sind etwa 45 Prozent mehr Brandeinsätze bewältigt worden als noch 2021 (3.690). Ebenfalls gestiegen ist die Zahl der Fehlalarmierungen. Sie stiegen von 5.619 auf 6.201 in 2022. Gemessen an allen Einsätzen sind die Feuerwehren in 16,6 Prozent der Fälle fälschlich alarmiert worden.
 
Zunahme bei Brandeinsätzen
Bei der Anzahl der Einsätze, die der Brandbekämpfung dienten, zeigt sich erstmals seit Jahren eine Trendumkehr. Während seit 2019 jährlich weniger Brände registriert wurden, war 2022 eine Zunahme zu verzeichnen, wobei mit 5.377 Brandeinsätzen sogar die Zahl von 2018 überschritten wird. Die Zunahme zeigt sich sowohl bei Gebäudebränden (+ 16,0 Prozent), bei Fahrzeugbränden (+ 16,8) als auch bei sonstigen Objekt- und Flächenbränden (+ 95,5 Prozent). Brände von baulichen Anlagen haben im Jahr 2022 besonders dort zugenommen, wo Menschen wohnen und beherbergt sind, z. B. in Heimen, Beherbergungsstätten und Versammlungsstätten.
 
Was passiert wenn Wasser auf brennendes Speiseöl trifft, durfte der Minister selber ausprobieren (Foto: agl) Was passiert wenn Wasser auf brennendes Speiseöl trifft, durfte der Minister selber ausprobieren (Foto: agl)


Mehr klimabedingte Brände
Die sehr starke Zunahme bei Bränden sonstiger Objekte resultiert u. a. aus mehr als 1.000 Bränden landwirtschaftlich genutzter Flächen und 492 Waldbränden. In Relation zu den viel zu heißen und trockenen Juni- und Julimonaten mit intensiver Sonneneinstrahlung verwundet diese Entwicklung nicht. Der Bericht des Thüringen Forst bestätigt mit 68 Waldbränden bis Ende September und 22 ha Schadfläche, dass im Jahr 2022 die meisten Waldbrände der letzten zehn Jahre (Rekordjahr 2003 91 Waldbrände) im Staatsforst registriert wurden. Durch die Änderung der klimatischen Bedingungen ist langfristig davon auszugehen, dass Wald- und Flächenbrände zunehmend die Thüringer Feuerwehren fordern werden.
 
Viele Menschen gerettet, aber auch viele Verletzte
4.549 Personen wurden beim Einsatz der kommunalen Feuerwehren aus akuter Gefahr gerettet –  davon 906 bei Bränden und 3.643 bei Hilfeleistungseinsätzen. Im Vergleich zum Vorjahr ist das eine deutliche Steigerung, wobei besonders viele Menschen über bauliche Rettungswege gerettet wurden. Neben der Korrelation, dass die Einsatzzahlen insgesamt gestiegen sind, ist das mit der hohen Anzahl der Brände in baulichen Anlagen, bei denen die Bewohner in der Regel alle in Sicherheit gebracht werden, und den vielen Unterstützungseinsätzen für den Rettungsdienst in Einklang zu bringen.

Die Steigerung der Brand- und Hilfeleistungseinsätze hat auch zu einem Anstieg von verletzten Personen geführt. So sind bei den Hilfeleistungen 4.430 Verletzte (ohne Feuerwehrangehörige) zu vermelden. Ein deutlicher Anstieg gegenüber den Vorjahren. Leider gab es nicht nur eine Zunahme der verletzten Personen, sondern auch bei den getöteten. 2022 waren im Rahmen der Allgemeinen Hilfe 586 Getötete (2021: 499) zu beklagen. Die Zahl der bei Hilfeleistungseinsätzen verletzten Feuerwehrangehörigen hat sich von 81 auf 85 leicht erhöht.

Bei Einsätzen zur Brandbekämpfung hat sich die Zahl der registrierten verletzten Personen mit 457 Verletzten im Vergleich zu den Vorjahren (2021:302) deutlich erhöht. Die Zahl der bei Bränden verletzten Feuerwehrangehörigen hat sich ebenfalls zum Vorjahresniveau erhöht und liegt 2022 bei 101 (2021: 56). Glücklicherweise sind 2022 keine Einsatzkräfte im Dienst ums Leben gekommen.
 
Zuwendungen des Landes
Für den Brand- und Katastrophenschutz, die Digitalisierung, Leistellen und Software sowie für die Landesfeuerwehr- und Katastrophenschutzschule (TLFKS) gab das Land auch 2022 34,6 Mio. Euro aus. Darin enthalten sind u.a.
  • Zuwendungsbescheide für den Brandschutz in Höhe von rund 12,7 Mio. Euro
  • 7,7 Mio. Euro für die Beschaffung von Feuerwehrfahrzeugen (62 Fahrzeuge)
  • 1,1 Mio. Euro für Fünf Feuerwehrhäuser und acht Sondereinrichtungen (Schlauchwerkstatt, Atemschutzwerkstatt, Netzersatzanlagen, usw.)
  • 80.000 Euro für die Errichtung von 25 neuen Sirenen und die Umrüstung von 17 Sirenen auf digitale Ansteuerung
  • 3,1 Mio. Euro, um 14.910 Anträge auf Dienstkleidung bzw. Persönliche Schutzausrüstung zu bewilligen.

 
Ausstattung für den Katastrophenschutz
Der Freistaat Thüringen hat im Jahr 2022 das Ausstattungsprogramm im Katastrophenschutz fortgesetzt und die technische Ausstattung bei den Aufgabenträgern weiter komplettiert. So konnten
  • 13 Einsatzleitwagen für eine Führungsstaffel (ELW 1 – FüSt) für etwa 310.000 € pro Fahrzeug,
  • 6 Kleingeländefahrzeuge (ATV) für rund 70.000 € pro Fahrzeug,
  • 4 geländegängige Waldbrandtanklöschfahrzeuge (TLF-Wald) rund 445.000 € pro Fahrzeug

beschafft und übergeben werden. Insgesamt betrug das Investitionsvolumen des Landes für Katastrophenschutz im Jahr 2022 rund 10,9 Mio. Euro.