Zu Besuch

Frust in Sülzhayn, Freude bei Horizont

Freitag
25.08.2023, 17:00 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Da macht sich eine Thüringer Ministerin für Migration auf den beschwerlichen Weg von Erfurt nach Sülzhayn und dann wird sie noch von humorlosen Menschen begrüßt und mit unbeliebten Wahrheiten konfrontiert. Die nnz hat Doreen Denstädt begleitet...

Detlef Bellmann im Gespräch mit Denstädt und Jendricke (Foto: nnz) Detlef Bellmann im Gespräch mit Denstädt und Jendricke (Foto: nnz)
Selbst im beschaulichen Sülzhayn ist es nicht einfach, an einem Freitagvormittag fast 40 Frauen und Männer auf die Straße zu bringen. Immerhin müssen viele Sülzhayner tagtäglich das erarbeiten, was Menschen wie Frau Denstädt dann wieder ausgeben können.

Zum Beispiel für die Integration von Menschen, die sich aus unterschiedlichsten Gründen auf verschlungenen Pfaden nach Deutschland begeben haben. Und damit sehen die Sülzhayner jeden Tag unmittelbar, wie ihre Steuergelder von Frau Denstädt angelegt werden. Bleibt man bei der Sprache der Banker, dann ist diese Anlage weder zielführend noch gewinnbringend.

Rund 200 Flüchtlinge werden in der Gemeinschaftsunterkunft (GU) in dem einstigen Kurort untergebracht. Mit ihnen ist nicht etwa die politisch verordnete Vielfalt in den beschaulichen Ort gekommen, sondern außergewöhnliche Problemlagen, um es vorsichtig auszudrücken. Komplettiert wird der Strauß der Probleme durch die Unterbringung von derzeit 77 Flüchtlingen aus der Ukraine.

In der Unterkunft für ukrainische Flüchtlinge besichtigte die Ministerin die Unterbringung (Foto: nnz) In der Unterkunft für ukrainische Flüchtlinge besichtigte die Ministerin die Unterbringung (Foto: nnz)
In einem Brief haben die Sülzhayner ihre Sichtweise, ihre Beweggründe niedergeschrieben, die sie heute auf die Straße getrieben haben: Besitz und Vertrieb von Drogen, "Rudelbildung", bis hin zu beginnender Prostitution, sind nur einige Punkte in dem Schreiben, das an Ministerin Denstädt und Landrat Matthias Jendricke übergeben wurde. Darin sind nicht mehr Wünsche oder Bitten niedergeschrieben, sondern Forderungen.

Übergeben und versprochen
"Mit Bitten und Wünschen kommen wir weder in Nordhausen noch in Erfurt weiter", sagt ein Sülzhayner. Gemeinsam mit anderen Bürgern habe er sich um die Pflege öffentlicher Anlagen gekümmert. Doch der Kurpark wird von der Initiative nicht mehr gemäht, seit er systematisch kaputtgetrampelt und -gefahren wurde. Der Brunnen wurde zerstört, überall liegt Verpackungsmüll herum.

Einige Einwohner haben ein Alter erreicht, dass die bewusste Erinnerung an die DDR möglich macht, auch der Autor dieser Zeilen gehört dazu. Folgendes war geschehen: Die Service Gesellschaft habe Tage vor dem ministeriellen Besuch das Außengelände der GU inklusive modernen Spielplatz aufgeräumt und herausgeputzt, ganz wie zu Honeckers Zeiten, so ein älterer Einwohner. Schade nur, dass der öffentliche Spielplatz einen etwas vergammelten Charakter habe.

Eine Frau formuliert ihren Frust so: "Integrieren wollen sie sich nicht, Deutsch lernen wollen sie nicht und arbeiten wollen sie nicht. Dafür besaufen sie sich, grölen durch die Straßen und das weit bis nach Mitternacht. Das hält hier kaum noch jemand aus." Was der Berichterstatter am Rande verwundert registriert: Warum brauchen die Kinder in der Unterkunft noch eine Betreuung durch pädagogisches Personal? Haben die keine Mütter oder Väter? Was machen die den ganzen Tag?

Die Ministerin, damit konfrontiert, meint, man könne ihr die Probleme jederzeit schriftlich mitteilen. Ob sie recht bald, wie von den Menschen in Sülzhayn gefordert - hier vor Ort zu einer Gesprächsrunde kommen werde, das wollte sie heute Mittag nicht versprechen.

Ein Versprechen, sprich eine klare Aussage brachte indes Landrat Matthias Jendricke mit: Es wird in Sülzhayn keine weitere Unterkunft für Flüchtlinge geben. Da waren die Bürgerinnen und Bürger dann doch ein wenig beruhigt. Fazit der Frau Denstädt: "Sie sehen, wir bleiben dran." Nach diesem nervenaufreibenden Treffen mit "dem Bürger" ging es dann zurück nach Nordhausen. Der Ausklang des Besuches im Landkreis Nordhausen sollte sich wesentlich freundlicher gestalten.

Besuch beim Horizont
Nach einem Abstecher zum Verein Schrankenlos wurde die Ministerin auch beim Horizont herzlich in Empfang genommen. Hier freute man sich über einen Scheck zur Anschaffung eines neuen Rasentraktors für das Schullandheim Harz-Rigi. Mit knapp 20 Jahren war das alte Gefährt nahezu museumsreif, Ersatzteile gab es keine mehr, erzählt Horizont-Geschäftsführer René Kübler.

Das eigentliche Thema des Besuches war aber nicht die Kinder- und Jugendbildung am Rande Nordhausens, sondern das, was seit jeher das Herz des Horizonts bildet: die Straffälligenhilfe, insbesondere für Jugendliche. Damit hatte der Verein Anfang der 90er Jahre seine ersten Schritte gemacht und das Feld liegt dem Verein bis heute am Herzen. Aktuell organisiert man die Arbeit unter dem Projektnamen "PÜMaS", dem "Professionellen Übergangsmanagement für Inhaftierte und Haftentlassene". Die Leute sollen zurück in die Gesellschaft geführt werden, keine leichte Aufgabe, schon gar nicht, wenn die Bürokratie dazwischen grätscht. Für den Verein nichts Neues, schließlich hat man mehrere Jahrzehnte Erfahrung, aber wenn man schon einmal direkt mit den Verantwortlichen sprechen kann, lässt man sich die Chance nicht entgehen.

René Kübler und Doreen Denstädt bei der Scheckübergabe (Foto: agl) René Kübler und Doreen Denstädt bei der Scheckübergabe (Foto: agl)

Neben dem Wohl und Wehe des Fördermittel- und Antragsdschungels wollte man die Ministerin auch zur Reform der Straffälligenhilfe befragen, die für das kommende Jahr bereits angekündigt wurde.

Die Reise der Ministerin hatte hier aber noch nicht ihr Ende genommen, am Abend wird sie für eine Diskussionsrunde in der Rothleimmühle erwartet.
Peter-Stefan Greiner, Angelo Glashagel