SPD startet in den Wahlkampf

Es geht um alles

Dienstag
22.08.2023, 22:25 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Bisher hat der Wahlkampf eher geplätschert, wenige Wochen sind es nun noch bis zum Urnengang, der die Karten im Rathaus neu mischen soll. Die SPD startete mit Kandidatin Rieger und Besuch aus Berlin nun ernsthaft in die Wahlschlacht…

Die SPD macht Ernst: mit Unterstützung aus Berlin startete Alexandra Rieger heute in die heiße Wahlkampfphase (Foto: agl) Die SPD macht Ernst: mit Unterstützung aus Berlin startete Alexandra Rieger heute in die heiße Wahlkampfphase (Foto: agl)


Der Startschuss fiel heute Mittag auf dem Rathausplatz, Kandidatin Alexandra Rieger wollte den Wählern Rede und Antwort stehen. Da die bei solchen Gelegenheiten nicht auf die Lokalpolitik oder die Feinheiten deutschen Verwaltungshandelns beschränken, hatten die Genossen auch Besuch aus Berlin geladen - Carsten Schneider, Staatsminister und „Ostbeauftragter“ der Bundesregierung.

Das gegenüber dem, was in Berlin entschieden werde, Unmut herrsche, das sei deutlich zu spüren, fasste Rieger am Abend zusammen und Parteifreund Schneider habe sich einiges anhören dürfen. Auf dem Hof des Jugendclubhauses waren es die Nordhäuser Genossen, die zum Sommerfest zusammengekommen waren und sich anhörten, was die Kandidatin und der Abgeordnete zu sagen hatten.

Schützenhilfe aus Berlin: Alexandra Rieger und Carsten Schneider, der "Ostbeauftragte" der Bundesregierung (Foto: agl) Schützenhilfe aus Berlin: Alexandra Rieger und Carsten Schneider, der "Ostbeauftragte" der Bundesregierung (Foto: agl)


Stimmen aus der Wirtschaft
Der Start in den Straßenwahlkampf sei trotz des erwähnten Unmuts gut verlaufen, der Wille zur offenen Diskussion sei immer noch vorhanden, summierte Rieger. Deutliche Kritik hatten aber auch die Nordhäuser Unternehmer vorzubringen, die Schneider am Nachmittag aufgesucht hatte.

Nach den Gesprächen mit den Bürgern der Stadt stand für ihn der Besuch der „IMG“ auf dem Programm. Dort begrüßte Geschäftsführer Helge Maday die Gäste, zu denen sich auch Rieger und Landrat Matthias Jendricke sowie die Mitglieder des Vorstandes des Nordthüringer Unternehmerverbandes (NUV) gesellten.

Nach einem ausführlichen Rundgang durch das Unternehmen fragte Carsten Schneider nach der Mitarbeiterstruktur. Maday berichtete, dass man sich intensiv um die Bindung der Kolleginnen und Kollegen kümmere. Sie seien überwiegend in der Region verwurzelt. Es sei die Unternehmenskultur, die bislang als Stein im großen Mosaik funktioniert. Dennoch sei die Geschäftsleitung stetig bemüht, zum Beispiel das ingenieur-technische Personal nicht nur am Standort Nordhausen zu halten, sondern darüber hinaus weiterhin Fachkräfte für eine moderne Arbeit an modernen Arbeitsplätzen zu gewinnen.

Niels Neu, der Vorstandschef des NUV, drückte gegenüber dem Ostbeauftragten das Unverständnis der Unternehmer hinsichtlich der immer drückenderen Bürokratie aus. Darüber hinaus gebe es ein immer stärkeres Gefühl der Ohnmacht der Menschen hinsichtlich politischer Handlungen oder Entscheidungen, die sich sowohl in Gesprächen als auch in Diskussionsrunden zeige.

Schneider hörte aufmerksam zu, verteidigte die Politik des Bundeskanzlers und sprach über die Macht der großen Lobby-Verbände. Damit wollte sich Niels Neu nicht zufrieden geben, sondern verwies auf die gefühlte Stimmung in der Region und darüber hinaus im gesamten Land. Die würde sich auch in den Umfragewerten der sogenannten etablierten Parteien ausdrücken.

Carsten Schneider lauscht den Ausführungen von Helge Maday (Foto: nnz) Carsten Schneider lauscht den Ausführungen von Helge Maday (Foto: nnz)

Weitere Unternehmer des NUV-Vorstandes kritisierten sowohl die Steuerpolitik als auch die Förderpolitik der aktuellen Regierung, die vor allem multinational agierende Konzern bevorteile, statt den deutschen Mittelstand, im Osten die kleineren Unternehmen hinten runter fallen lasse.

Dazu Schneider: es gehe den Deutschen doch nicht so schlecht, schließlich habe man 12 Jahre wirtschaftlichen Aufschwung hinter sich und nicht die Preise für Energie, sondern der Fachkräftemangel beschäftige die Menschen. Und: man solle sich politisch nicht an denen orientieren, die nur fordern und polemisieren aber keine Lösungen anbieten. Ein Seitenhieb auf die AfD, den man später noch sehr viel deutlicher zum Ausdruck bringen sollte.

Ähnlich äußert sich Schneider auch am Abend, in Depressionen zu verfallen helfe nicht, Deutschland sei immer noch ein starkes Land, dass aber überproportional stark unter den Folgen des Ukraine-Konfliktes zu leiden habe. Die „Haltungsnoten“ der Regierung seien ohne Frage schwierig, was aber nicht zwingend an der SPD liege. Mit den Partnern in der Koalition sei es „nicht leicht“. Die SPD könne „nichts dafür, dass die sich nicht leiden können und das öffentlich austragen“. Die Ansiedlung internationaler Technologie-Riesen in Ostdeutschland sei eine bewusste, politische Entscheidung gewesen, sonst wäre wieder Bayern vorne dran gewesen, meint Schneider, Olaf Scholz sei ein guter Kanzler, Rieger wäre eine gute Oberbürgermeisterin und Nordhausen werde eine SPD Hochburg bleiben.

Es geht um alles
Der Besuch war eben auch Wahlkampftermin und den hat vor allem Alexandra Rieger zu führen. Hinter ihr lägen „spannende und kräftezehrende“ Wochen, die sie darin bestärkt hätten, den richtigen Weg zu gehen. In den anderthalb Jahren als Bürgermeisterin habe man es ihr nicht leicht gemacht, für die Stadt da zu sein und mehr zu tun, als nur zu verwalten.

Zum traditionellen Sommerfest trafen sich die Genossen der Nordhäuser SPD auf dem Hof des Jugendclubhauses (Foto: agl) Zum traditionellen Sommerfest trafen sich die Genossen der Nordhäuser SPD auf dem Hof des Jugendclubhauses (Foto: agl)


Das soll sich ändern, so sie denn die Wahl gewinnt, die besten Vorraussetzungen dafür bringe sie mit. Neben dem fachlichen Wissen und viel Verwaltungserfahrung sowohl als „kleine Mitarbeiterin“ wie auch in der Leitungsspitze könne sie auf Rückhalt im Rathaus bauen. „Es wurden über die letzten Jahre keine klaren Strategien in Nordhausen verfolgt. Wenn man aber nicht weiß wohin man segelt und die Mannschaft nicht weiß, wo es hingehen soll, dann ist kein Wind günstig.“, sagte Rieger.

Wer Probleme lösen wolle, der müsse Kontakte gen Bund und Land halten, die Kommunikation und auch die Auseinandersetzung suchen und sich nicht, wie die jetzige Amtsleitung, zurücklehnen und Verantwortung von sich weisen. Anders lasse sich Kritik nach oben nicht transportieren. So ließen sich auch Lösungen finden, etwa für die Wallrothstraße. Mit dem Land habe sich nach einigen Diskussionen auf eine stückweise Sanierung geeinigt, im nächsten Jahr soll es losgehen. Sie kenne die Sorgen der Nordhäuser und teile viele davon, etwa wenn es um Schulen und Kindergärten oder auch die Anbindung der Ortsteile und die Verbindungen im Nahverkehr in den Rest des Freistaates gehe. Ehe man große Konzepte aufstelle und dann in Schubladen verschwinden lasse, brauche es aber auch öfter einen Realitätsabgleich. Zur Entwicklung der Kiesseen etwa gebe es Ideen, tatsächlich gehörten der Stadt aber nur gut 10 Prozent der Grundstücke, dieses Problem müsse man zuerst lösen, bevor man Anfange, Konzepte zu schreiben und das sei nur ein Beispiel.

Der Gegner ist blau
Zweifel am Realitätsgehalt der Wahlversprechen sieht Rieger auch bei der Konkurrenz. Wen die Genossen als Hauptgegner im Wahlkampf betrachten, wurde dabei dann auch mehr als deutlich. Nordhausen sei „alles andere als blau“, dafür werde sie kämpfen, so Rieger. Die Flüchtlingsproblematik sei ohne Frage ein schwieriges Thema, die Akzeptanz in der Bevölkerung könne man nur steigern, wenn es gelinge, mehr Geflüchtete auch in Arbeit zu bringen. Mit international aufgestellten Institutionen wie der Hochschule habe die Stadt aber auch ein Pfund, mit dem man wuchern könne und müsse. Das „Stigma“ einer „blauen“ Stadt habe Nordhausen nicht verdient.

Die Stadt habe lange genug die Dinge vor sich hergeschoben, damit sich das ändere, sei im kommenden Wahlkampf sei jede Unterstützung willkommen, schließlich gehe es jetzt „um alles“. Wie weit die Botschaft trägt, wird man sehen müssen, im Jugendclubhaus zählte das Publikum schon mal rund 40 Köpfe, ein paar mehr werden es wohl noch werden müssen, wenn Alexandra Rieger in einigen Wochen das Büro wechseln soll.
Angelo Glashagel/Peter Stefan Greiner