Politisches Wunschdenken und Realität

Das E-Rezept - ein Wunderding

Montag
21.08.2023, 16:57 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
Wenn man in das Alter kommt, wo Arzt- oder Apothekenbesuche häufiger als Besuche von Gaststätten auftreten, dann ist jeder Komfort, jede Ersparnis von Lebenszeit fast ein Wunder und damit herzlich willkommen. Unter anderem soll das elektronische Rezept nun dabei helfen, das oben beschriebene Verhältnis wieder ein wenig in die Waage zu bringen. Der Autor dieser Zeilen erlebte heute solch ein Wunder…


Es ist schon einige Monate her, da bekam ich von meinem Hausarzt ein elektronisches Rezept ausgestellt. Die Erwartung war riesig. Bislang waren die Rezepte in der Größenordnung DIN A6 ausgestellt. Elektronisch, das verband ich gleichbedeutend nicht nur mit Zeiteinsparung, sondern auch mit weniger Ressourcenverbrauch. Also weniger Papier.

Doch weit gefehlt. Dr. K. musste mir ein DIN A4 Blatt ausdrucken. So also geht digital in Deutschland! Mit dem Ausdruck ging es dann weiter zu meiner Liebingsapotheke am Grimmel. Dort übergab ich den Papierbogen und meine EGK, also die Elektronische Gesundheitskarte. Was dann im Hintergrund ablief war mir egal, jedenfalls erhielt ich mein Medikament. Heute nun erlebte ich die Zündung der zweiten Stufe der Digitalisierung.

Kurze Vorgeschichte: Am 27. Juli berichtete die Pharmazeutische Zeitung folgendes: “Kassenpatienten haben insgesamt drei Optionen, ihre elektronische Verordnung einzulösen: durch die E-Rezept-App, den Papierausdruck mit Rezeptcode und seit Anfang Juli via elektronischer Gesundheitskarte (EGK). Neu ist nun, dass ab sofort Kundinnen und Kunden ihre E-Rezepte bei allen rund 18.000 öffentlichen Apotheken in Deutschland per E-Rezept-App der Gematik digital einlösen können.”

Diese Meldung im Hinterkopf, steuerte ich die Apotheke an, die meinem Wohnort in Salza am nächsten ist - die Apotheke neben einem großen Supermarkt. Genauso wie ich mich über die nun schnelle Abwicklung meines pharmazeutischen Begehrens vorfreute, genauso groß waren die Augen der versammelten Frauschaft. Die konnten nicht einmal was mit dem papiernen Ausdruck anfangen, geschweige denn mit der digitalen Variante der Rezepteinlösung. Dankenswerterweise erhielt ich den Hinweis auf die Apotheke am Grimmel.

Also doch meine Lieblingsapotheke. Dort hatte man scheinbar vor der digitalen Zukunft keine Angst. Als sei es das Normalste der Welt, wurde meine EGK in ein Lesegerät gestopft, das allerdings an einem anderen Ausgabeplatz stand. Man kann eben nicht alles auf einmal haben. Doch dann war Ende im Gelände zwischen den Terminals, EGK und dem Server. Selbst der Versuch des jungen Mannes, die Methode “von Papier zum Medikament” anzuwenden, schlug fehl und er musste den Server neu starten.

Nicht nur ich, sondern auch er wunderte sich, dass jetzt der Umweg über das Papier nicht mehr nötig war. Es flutschte, denn die Bits und Bytes sprangen zwischen den Hardwarekomponenten auf den Ausgabeautomaten hin und her und stolz bekam ich das Präparat ausgehändigt. Ich war froh und damit auch der Mann hinter dem Tresen. Zwinkernd meinte er, ich sei der vierte Kunde, bei dem das jetzt funktioniert habe. Für den insgesamt erlebten Einblick in die Digitalisierung in Deutschland habe ich dann "gern" noch fünf Euro Rezeptgebühr entrichtet.

Soweit meine Erlebnisse am heutigen Vormittag, die natürlich sehr subjektiv geprägt sind. Deshalb die Nachfrage bei Eleonore Liebetrau, die nicht nur die Cranach-Apotheke führt, sondern auch für die Apotheken im Landkreis Nordhausen spricht. “Nach meinem Kenntnisstand haben meine Kolleginnen und Kollegen in ihren Apotheken schon Interesse an einer schnellen Umsetzung des E-Rezeptes. Doch mitunter steckt der Teufel im Detail, in diesem Fall sind es wohl Probleme mit der Software”, sagte Frau Liebetrau. Sie habe selbst für ihre Apotheke eine Freischaltung beantragt und noch nicht bekommen. Das würde auch anderen Apotheken so gehen, weiß sie zu berichten.

Es ist in diesem Land also wie immer. Vollmundige Ankündigungen wie “Versicherte können das E-Rezept vor Ort in einer Apotheke ihrer Wahl oder auch in einer Online-Apotheke einlösen” sind aktuell immer noch auf den Seiten des Bundesgesundheitsministerium zu finden.
Peter-Stefan Greiner