Verwaltungsgericht Meiningen veröffentlicht Beschluss

„Wir haben keine Zeit für Zeitverschwendung“

Dienstag
08.08.2023, 19:40 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Es ist harter Tobak, der auf 66 Seiten Anschuldigungen der einen und Rechtfertigungen der anderen Seite sowie Abwägung und Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Meiningen ausgebreitet wird. Alles hier aufzudröseln, was zur einstweiligen Amtsenthebung des Nordhäuser Oberbürgermeisters und seiner Wiedereinsetzung geführt hat, würde den Rahen eines Artikels sprengen …

Das Nordhäuser Rathaus: Ausgangspunkt der einen und anderen E-Mail (Foto: S.Dietzel) Das Nordhäuser Rathaus: Ausgangspunkt der einen und anderen E-Mail (Foto: S.Dietzel)


Wir stellen Ihnen, liebe interessierte Leser, als link das gesamte Papier zur Verfügung und beschränken uns in der Folge darauf, uns auf den Anklagepunkt 14 des Mobbings der Stadtspitze in Person des Oberbürgermeisters gegen die neue, vom Stadtrat gewählte Bürgermeisterin.

Aus den e-Mails des Oberbürgermeisters an die Bürgermeisterin:

Hinsichtlich der für den 22.04.2022 beabsichtigten Pressemitteilung der Bürgermeiste- rin, „Bürgermeisterin mit dem Ordnungsamt auf Streife“, äußerte der Antragsteller mit E-Mail vom 22.04.2022: „Bitte keine heiße Luft produzieren.“

Mit E-Mail vom 03.03.2022 schrieb er ihr: „[...] Sie bearbeiten seit dem offensichtlich nichts am Wochenende usw. usf. Dafür, dass Sie eine falsche Vorstellung v. der Arbeit der 1. haupt- amtlichen Wahlbeamtin der kreisangehörigen Stadt Nordhausen hatten/haben, kann ich nichts. Aber es ist ein Problem.“

In einer E-Mail vom 07.03.2022 fragte er sie: „Was taten Sie dienstlich vergangene Woche v. Freitag 11:18 Uhr bis Montag 8:24 Uhr, außer zum IFA-Museum zu gehen? Sie sind 1. Hauptamtliche Beigeordnete/Bürgermeisterin der Stadt Nordhasen, Dezernentin v. Dezernat 2, AL Bildung und Kultur und erhalten eine B_-Besoldung!“

Mit E-Mail vom 08.06.2022 teilte der Oberbürgermeister der Bürgermeisterin im Hinblick auf ihre Home-Office-Beantragung mit: „Aus meiner Sicht/ nach außen konnte ich bei Ihnen selten eine Nutzung der bis dato vorhandenen Endgeräte außerhalb v. Mo.-Fr. 8-17 Uhr feststellen.”

Mit E-Mail vom 14.01.2022 schrieb der Oberbürgermeister bezugnehmend auf das von der Bürgermeisterin am selben Tag gegebene nnz-Interview „Gemeinsam Gutes auf die Beine stellen“: „Ich bin ihr Dienstvorgesetzter und werde alle notwendigen (Disziplinar-)Maßnahmen bei Regelverstößen auch ergreifen“ [...] Sie schwafeln über Toleranzgrenzen [...] Sie wollen gern den Außendienst des Ordnungsamts öfters sehen und damit den Vandalismus bekämpfen. Das ist größtenteils weltfremd o. populistisch. [...]“

Mit E-Mail vom 27.04.2022 äußerte er zur Pressemitteilung der Bürgermeisterin „Bürgermeisterin mit dem Ordnungsamt auf Streife“:
„Nein, auch während meiner Abwesenheit geben Sie bitte keine persönlich erstellten Pamphlete direkt an die Presse. Das wäre die falschen Denk- und Arbeitsweise bei Ihnen, denn es widerspricht allen rathausinternen Anweisungen und üblichen Verhaltensweisen v. 1. Hauptamtlichen Beigeordneten kreisangehöriger Kreisstädte im Freistaat Thüringen und würde sicherlich zu dienstrechtlichen Konsequenzen führen.“

Zur Äußerung der Bürgermeisterin über den Landrat: „Er ist charismatisch, kommunikativ und lösungsorientiert. Nur redet er vielleicht manchmal etwas zu lang.“ Schrieb der Oberbürgermeister an die Bürgermeisterin: „Bitte beachten Sie zukünftig, dass in Ihrer Position als BM der Stadt Nordhausen keine ggf. als despektierlich aufzufassende Meinungsabgaben öffentlich werden! [...] Haben Sie ihren Beitrag mit der Pressestelle abgestimmt? Damit werden regelmäßig „Stockfehler“ vermieden.“

Zu einem externen Pressetermin mit SKS Services Nordhausen, an dem 2 Bodybuilder-Olympiasieger aus Köln anwesend sein sollten, schrieb der Antragsteller der Bürgermeisterin mit E-Mail vom 28.01.2022: „Body- building ist nicht olympisch [...]. Die u.g. E-Mail enthält also falsche Informationen... und Wahlbeamte der Stadt Nordhausen gehen nicht auf Fake-Veranstaltungen, aus meiner Sicht.“

Mit E-Mail vom 04.02.2022 schrieb der OB diesbezüglich erneut der BM: „Ich lebe nicht in einer Parallelwelt, in der u. a. Bodybuilding eine olympische Sportart ist, 30 Euro Spende für eine Presseerwähnung nicht peinlich ist, wenn andere ca. 60.000 Euro sammelten oder der 1. hauptamtliche Beigeordnete einer kreisangehörigen Stadt in Thüringen sich in der Hierarchie neben o. über den Oberbürgermeister sieht.“

Zu einer Einweihung eines zentralen Cafès antwortete der Oberbürgermeister der Bürgermeisterin mit E-Mail vom 21.07.2022: „[...] Grundsätzlich finde ich ein offizielles Geschenk ungewöhnlich, denn die Dekoration u. alles andere sind im Sinne des Eigentümers ja bereits fertig.“

Die Bürgermeisterin stellte am 08.07.2022 einen Dienstreiseantrag zu einem Termin zu einem Hintergrundgespräch Vollzugskräfte beim Innenstaatssekretär zum Thema „Sicherheitsproblematik und Vollzugskräfte in der Stadt Nordhausen“, den der Oberbürgermeister nicht bewilligte. Er äußerte mit E-Mail vom 08.07.2022 u. a.: „Bis dato sehe ich keine Probleme diesbzgl. im Amt 32 bzw. bei der Aufgabenerfüllung im übertragenen Wirkungskreis der Stadtverwaltung Nordhausen. [...] Bitte um schriftliche Rückmeldung, denn eine thematische Überschneidung nur zwischen Landkreis und Stadt Nordhausen als kreisangehörige Kreisstadt kann ich heute nicht erkennen. Es gibt anderweitig immer viel zu tun, wie Sie selbst am besten wissen. Wir haben keine Zeit für Zeitverschwendung.“

Der Oberbürgermeister ließ zu den Mobbimgvorwürfen von seinen Anwälten dazu folgendes geltend machen: „Die Meinungsverschiedenheiten, die aus den von der Ermittlungsbehörde in Bezug genommenen Dokumenten zu Tage treten, betreffen einzeln abzuarbeitende, konkrete Sachthemen. Sie stünden an keiner Stelle im Kontext einer allumfassenden Dauerkritik oder Schmähung, wie sie für die Begründung des Mobbingvorwurfs erforderlich seien.“

Das Verwaltungsgericht in Meiningen urteilt dazu:
„Unter Anwendung dieser (Mobbing definierenden, d.Red.) Maßstäbe geht die Kammer nach dem derzeitigen Ermittlungsstand davon aus, dass der Antragsteller systematisch gegenüber der Bürgermeisterin ein Verhalten an den Tag gelegt hat, welches von fehlender Kollegialität geprägt war und einen nicht nur überholten, sondern unprofessionellen Führungsstil offenbart hat, in welchem er den Umstand, dass die Bürgermeisterin ihrerseits einen eigenverantwortlichen Bereich der Verwaltung zu leiten hat, in weiten Teilen ignoriert hat.!

Und weiter unten:
„Bereits in den ersten beiden Monaten ihrer Amtszeit richtete der Antragsteller (Oberbürgermeister, d.Red.) zahlreiche Sachstandanfragen an die Bürgermeisterin, wodurch er sie offensichtlich überfordert hat. Nach einer derart kurzen Amtszeit von ihr entscheidende Fortschritte in einer Vielzahl von Projekten zu verlangen, ist schon wegen der erforderlichen Einarbeitungszeit nicht leistbar gewesen. Dies musste dem Antragsteller bewusst gewesen sein.
Die vom Antragsteller gegenüber der Bürgermeisterin gewählte Ausdrucksweise ist in weiten Teilen unsachlich und schroff und teilweise völlig unangemessen. Sie bringt seine Geringschätzung ihr gegenüber zum Ausdruck.“

Schließlich kommt das Gericht nach Abwägung aller 15 vorgebrachten Anklagepunkte gegen den Nordhäuser Oberbürgermeister zu dem entscheidenden Spruch: „Nach alledem ist derzeit kein Dienstvergehen des Antragstellers ersichtlich, das geeignet wäre, zu seiner Entfernung aus dem Dienst zu führen.“

Über alle Punkte können Sie sich hier in der Urteilsbegründung ausführlich informieren. Ob es um den Streit um den Herkulesmarkt in Niedersachswerfen, die lautstarke Auseinandersetzung mit Stadträten, die unangemeldete Anfertigung von Audioprotokollen, die als unzureichend beklagte Amtsübergabe an die Bürgermeisterin oder verweigerte Dienstreisen geht; zu allem gibt es ausführliche Einlassungen, aus denen wir hier lediglich zitierten.
Olaf Schulze