Marvin Scott: "Aida-Projekt ist echter Herzenstraum“

Neues Klassik-Erlebnis mit vielen unentdeckten Stars

Montag
07.08.2023, 07:30 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Warum Marvin Scott beinahe Lehrer geworden wäre, wieso Jessye Norman für ihn so wichtig war, was er sich von Placido Domingo und José Carreras abgeschaut hat und was er am Nordhäuser Theater schätzt; das alles verrät der Tenor im nnz-Gespräch. Ende des Monats ist er wieder auf der Bühne zu erleben und erfüllt sich „einen Herzenstraum“ …

Marvin Scott mit dem Flyer seines Aida-Projektes (Foto: oas) Marvin Scott mit dem Flyer seines Aida-Projektes (Foto: oas)

Schon als Kind habe er immer gesungen, vorm Spiegel gestanden und die großen Hits von Whitney Houston oder Madonna im Radio begleitet, erzählt der New Yorker, der seit vielen Jahren in Nordhausen lebt und arbeitet. Erzogen als Adventist kam Scott im Teenageralter über einen Freund zum Gospelgesang in Baptistengemeinden, wo er neben seiner klassischen Gesangsausbildung mit anderen Gestaltungsmöglichkeiten konfrontiert wurde. „Ich habe dann auf Lehramt Musiklehrer studiert“, erzählt Marvin, „aber bald festgestellt, dass ich noch mehr Freude daran habe, selbst als Sänger aufzutreten.“ Als Erweckungserlebnis beschreibt er einen Moment am Radio, als er die große Jessye Norman ein Richard-Strauß-Lied singen hörte. „Das hat mich einfach umgehauen. Ich war so berührt, dass ich von da an Sänger werden wollte“, erinnert er sich heute.

Tatsächlich gelang es ihm am Washingtoner Opernhaus, einem Weltklassetheater, mehrere Stückverträge zu ergattern und neben den ganz Großen auf der Bühne stehen zu dürfen. „Von Placido Domingo und José Carreras, mit dem ich auf einer Tour des Opernhauses durch Japan dabei sein durfte, habe ich gelernt, wie man konzentriert arbeitet, aber auch, wie man es genießt, Kunst zu interpretieren.“ Drei Jahre lang wurde Marvin Scott in verschiedenen Produktionen des Opernhauses verpflichtet, dann entschied er sich, etwas anderes auszuprobieren. In einem Tenortrio bereiste er die USA, lernte viel über Musical-Performance „und über die positive Energie bei Auftritten, mit denen das Publikum begeistert werden kann.“ Es sei eine intensive Zeit gewesen mit vielen Auftritten und irgendwann zog es den lyrischen Tenor zurück zur Klassik, seiner eigentlichen musikalischen Passion. „Ich ergatterte eine gute Rolle in einer Porgy-and-Bess-Produktion und wir waren in ganz Europa damit unterwegs.“ Italien, Griechenland, Russland, Deutschland und vor allem Spanien, wo das Ensemble teilweise 25 Vorstellungen pro Monat spielte, waren Stationen.

„Klassik, Kirchenmusik und Unterhaltung sind die drei Säulen, auf denen meine Karriere fußt und ich möchte keine davon vermissen“, resümiert Scott seinen Werdegang. Über einen Freund sei er nach Deutschland gekommen, wo er sich zuerst in Berlin niederließ und schon bald feststellte, dass es hier anders lief, als er es aus seiner amerikanischen Heimat gewohnt war. Mit einigen Jobs als Sänger schlug er sich durch den Alltag und lernte die Vorzüge des deutschen Stadttheatersystems kennen und schätzen. „Es ist ein tolles Gefühl, mit einem Ensemble jede Rolle neu und von Anfang an erarbeiten zu können. Ich war es ja gewohnt, dass ich die Rolle schon draufhaben musste und dann in die Produktion eingepasst wurde.“ Nun realisierte er, dass er hier nicht vom materiellen Erfolg oder Misserfolg einzelner Produktionen abhängig sein würde. Seine Bewerbungsrunde an deutschen Theatern führte ihn auch nach Nordhausen, wo er schließlich einen Vertrag als Chorsänger mit Solo-Verpflichtungen unterschrieb. „Am Anfang war die Stadt Nordhausen etwas gewöhnungsbedürftig für mich, aber inzwischen liebe ich die Ruhe und Friedlichkeit der Kleinstadt im Gegensatz zur tosenden Großstadt.“ Und natürlich genießt Marvin Scott durch sein erfolgreiches Tenortrio FELLAS inzwischen auch eine große Popularität; aber das würde er selbst nicht sagen, dafür ist der sympathische Sänger mit dem christlichen Hintergrund zu bescheiden. Für die eigene Weiterentwicklung braucht er solche Projekte abseits des Opernbetriebes, aber seine innigste musikalische Liebe ist und bleibt die Klassik.

Jetzt hat er seine reichhaltigen Erfahrungen auch im organisatorischen Bereich genutzt, um sich einen Wunschtraum zu erfüllen. Seine Lieblingsoper „Aida“ mit seiner Lieblingsrolle, den Radames, in einer musikalisch-erzählerischen Form auf die Bühne zu bringen. „Ich bin so dankbar, dass ich das tun kann“, schwärmt Marvin Scott von der Produktion. „Dieses Aida-Projekt ist mein absoluter Wunsch gewesen und es freut mich ungemein, dass so tolle Kollegen aus dem Theater ihr Mitwirken zugesagt haben. Das sind alles bisher versteckte Stars, die hier die Chance haben, sich als Solisten zu zeigen und auszuprobieren. Denn wir haben hier im Theater ein Ensemble voller Superkünstler.“ Am letzten August-Wochenende wird „Die Opernerzählung Aida von Giuseppe Verdi“ in Sondershausen (Samstag, 26.August um 18 Uhr im Achteckhaus) und Nordhausen (Sonntag, 27. August um 17 Uhr im Jugendclubhaus) ihre ersten beiden Aufführungen feiern. Tickets für beide Vorstellungen gibt es noch in den jeweiligen Stadtinformationen.

Im nächsten Jahr geht Marvin Scott noch einen Schritt weiter als mit seiner ambitionierten Erzählversion der großen Verdi-Oper. Dann ist er als Radames Ensemblemitglied einer riesigen Aida-Produktion, die in großen deutschen und europäischen Arenen gezeigt wird. Am Dirigentenpult wird ein guter, alter Bekannter stehen, mit dem er in Nordhausen vor fast zehn Jahren die ersten kleinen Solo-Programme im Theaterraum der pro Vita Akademie einstudiert hatte: Michael Ellis Ingram, einst Kapellmeister im Loh-Orchester. Der sagt heute über seinen Landsmann: „Marvin ist ohne Übertreibung einer der besten Darsteller, mit dem ich jemals gearbeitet habe.“
Olaf Schulze