Nationalpark Hainich

Exkursion im Offenland

Mittwoch
26.07.2023, 13:49 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Der Verein "Naturnahe Weidelandschaften" führte vor kurzem seine Jahres-Exkursion im Nationalpark Hainich durch. Im Blick standen dabei in diesem Jahr die artenreichen, offenen Landschaften des Nationalparks...

Unter Führung der Nationalparkleitung, Manfred Großmann, Alisa Klamm vom Sachgebiet Naturschutz und Forschung sowie Beiratsmitglied und lokalem Vogelkenner Markus Handschuh ließen sich Beweidungsexperten und -interessierte aus ganz Deutschland Hintergründe und Erfahrungen zum Offenlandmanagement mittels Weidetieren im Nationalpark erläutern.

Tief beeindruckt von der landschaftsprägenden Weitläufigkeit und der außergewöhnlichen Artenfülle des wertgebenden Offenlands im Nationalpark wurde ein intensiver fachlicher Austausch über die Besonderheiten von unterschiedlichen Weidegängern und Beweidungsformen geführt.

In den artenreichen Lebensräumen des Offen- und Halboffenlandes im Nationalparkgebiet, welche zum Europäischen Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000 gehören, kommt Wild- und Weidetieren eine fundamentale Bedeutung zum Erhalt der Biodiversität zu. So war beispielsweise zu erfahren, dass der vom Aussterben bedrohte und EU-weit streng geschützte Goldene Scheckenfalter (Euphydryas aurinia) im Offenland des Nationalparks Hainich derzeit seinen wohl bundesweit größten Bestand hat.

Naturnahe Beweidung mit Exmoor-Pferden und Robust-Rindern auf Offenlandflächen im Nationalpark Hainich (Foto: Dr. Alois Kapfer) Naturnahe Beweidung mit Exmoor-Pferden und Robust-Rindern auf Offenlandflächen im Nationalpark Hainich (Foto: Dr. Alois Kapfer)


Auch hochbedrohte Vogelarten wie Sperbergrasmücke, Grauammer, Braunkehlchen (Vogel des Jahres 2023) oder Wiesenpieper besiedeln das schonend beweidete Offenland in hoher Dichte und zum Teil in bundesweit bedeutenden Beständen. Unter anderem war auch ein Wespenbussard ausgiebig aus nächster Nähe zu beobachten.

Die Vereinsmitglieder begrüßten es sehr, dass die herausragende Rolle von großen Pflanzenfressern im Naturhaushalt und beim Erhalt der Artenvielfalt im Nationalpark anerkannt und im Offenlandmanagement umgesetzt wird. Denn große, habitatbildend wirkende Wild- und Weidetiere sind ein essenzieller Bestandteil und Treiber der natürlichen Dynamik in einheimischen Ökosystemen.

Im Nationalparkgebiet sind dies insbesondere der Rothirsch und das Wildschwein sowie die gezielt zur Biotoppflege eingesetzten Rinder und Pferde. Auch Schaf- und Ziegenbeweidung in Form der traditionellen Hütehaltung findet im Nationalpark noch statt. Darüber hinaus wurde im letzten Jahr eine saisonale Schafstandweide etabliert – ein deutschlandweit einzigartiges Experiment, bei welchem Schafe und Ziegen auf einer ca. 100 ha großen, eingezäunten Fläche sich selbst überlassen werden. Im Rahmen einer regelmäßigen Erfolgskontrolle wird nun die Entwicklung von relevanten Artengruppen und Lebensraumtypen auf allen Weideflächen untersucht, sodass im Laufe der nächsten Jahre Erkenntnisse darüber gewonnen werden können, wie unterschiedlich sich große Weidetiere im Gegensatz zu Schafen und Ziegen sowie unterschiedliche Weideformen, insbesondere in Zeiten des Klimawandels, auf die Biodiversität auswirken.

Insbesondere große, schwere Weidetiere schaffen durch Äsung, Tritt, Wühlen, Dung und Samenverbreitung erst das blüten- und insektenreiche Offenland. Dabei entstehen eine fein differenzierte Vegetationsstruktur und Schlüsselstrukturen wie Offenbodenstellen, Tümpel (u. a. für die hier vorkommende, hochgradig bedrohte Gelbbauchunke) sowie durch regelmäßigen Verbiss kleinwüchsige, dichte Sträucher. Große Nutztiere übernehmen damit die wichtigen Funktionen ursprünglich wildlebender, jedoch ausgerotteter Großweidetiere wie Auerochse und Wisent, unter deren Einfluss sich unsere Tier- und Pflanzenwelt überhaupt erst entwickelt hat.
Alois Kapfer, Vorsitzender des Vereins, sprach von einem für alle Teilnehmer fachlich sehr inhaltsreichen und ergiebigen Wochenende. Er wird diesen positiven Eindruck auch gegenüber dem Thüringer Umweltministerium zum Ausdruck bringen und die Fortsetzung dieser Projekte sowie eine Erweiterung der mittels Großherbivoren gemanagten Flächen anregen. „Wir werden nicht das letzte Mal hier im Hainich auf diesen beeindruckenden Offenlandflächen zu Besuch gewesen sein“, so Alois Kapfer.