Angemerkt

Auswandern oder Ausverkauf?

Mittwoch
19.07.2023, 20:18 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Wir machen uns schon einige Zeit Gedanken darüber, im Ausland eine neue Existenz aufzubauen oder zumindest den Ruhestand dort zu verbringen. Die Kosten sind niedriger, die Menschen wirken zufriedener und die Zeiger der Uhr scheinen sich langsamer zu drehen. Meint nnz-Autorin Cornelia Wilhelm...

Ausgewandert (Foto: Destatis) Ausgewandert (Foto: Destatis)
Am Monatsende hat man aufgrund niedriger Lebenshaltungskosten zum Teil auch mehr Geld im Portemonnaie. Und es scheint fast den ganzen Tag die Sonne. Eine Arbeit findet man sofort. Überall werden Arbeitskräfte gesucht. Was spricht dagegen? Übrigens sind wir nicht allein mit unseren Plänen.

Wir haben eine hohe Abwanderungsquote:
Im vergangenen Jahr sind mehr als eine Viertelmillion Deutsche, mehrheitlich hoch qualifizierte Fachkräfte, ausgewandert. Drei Viertel von ihnen hat einen Hochschulabschluss und befindet sich im arbeitsfähigen Alter. Die Männer bilden die Mehrheit. Zu den Auswanderern zählten zu 63 Prozent junge Menschen im Alter zwischen 25 und 39 Jahren, wie eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) bestätigt.

Doch was sind die Beweggründe für die vorhandene und weiter anhaltende Abwanderungstendenz?
Bevorzugt gehen Menschen ins Ausland, um Geld zu verdienen und für ihre Familien zu sorgen. Hier bieten sich nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes als direkte Nachbarländer die Schweiz und Österreich an, da die Sprachbarriere für deutsche Arbeitskräfte niedrig ist. Kulturelle Unterschiede gibt es ebenfalls wenige. Zudem hat Deutschland schon heute mit die höchste Steuern- und Abgabenlast. Das ist in den USA beispielsweise völlig anders. Während hier der Spitzensteuersatz bei 42 Prozent liegt und bereits ab einem Einkommen von 55.961 Euro anfällt, werden in den USA Einkommen von Singles über 89.075 Euro bis 170.000 Euro mit gerade mal 24 Prozent versteuert.

Abwanderung ist nicht das Problem eines einzelnen Bundeslandes, sondern tritt in ganz Deutschland auf. Hierbei wandern in den ostdeutschen Ländern die wenigsten Menschen aus. Mehrheitlich gehen junge Menschen aus den Stadtstaaten ins Ausland, um dort ein neues Leben zu beginnen und zu arbeiten. Der Staat muss hier völlig andere Anreize setzen.

Sind wir ein Auswanderungsland?
Rund 3,8 Millionen Deutsche leben nach Angaben der internationalen Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist (OECD) bereits außerhalb Deutschlands. Wir nehmen mit einer Auswanderungsrate von 5,1 Prozent Platz drei im internationalen Vergleich ein. Nur in Großbritannien und Polen liegt die Zahl der Auswanderer höher.

Wie hoch ist der Verlust unserer Wirtschaftsleistung durch Abwanderung auch ausländischer Fachkräfte?
Während die Politik Debatten über Zuwanderung führt, verliert sie fast gänzlich den Blick für die Abwanderung. Die drückt die Wirtschaftsleistung nicht unerheblich. Auf mehr als eine Billion Dollar beziffert eine aktuelle Auswertung der Unternehmensberatung Boston Consulting Group den jährlichen Verlust an Wirtschaftsleistung aufgrund von Arbeitskräftemangel in den 30 größten Volkswirtschaften, wie das Handelsblatt berichtet. Bis zum Jahr 2050 könnte demzufolge der jährliche wirtschaftliche Nutzen der Migration global 20 Billionen Dollar erreichen.

Gibt es Lösungsansätze?
Um diesem Trend seitens der Politik entgegen wirken zu können, müssten die Löhne deutlich steigen und Steuern und Abgaben gesenkt werden. So, dass sich Arbeit wieder lohnt. Während wir hier über das Gendern streiten und die Vier-Tages-Woche bequatschen, überholen uns andere Länder wirtschaftlich zusehends.
Cornelia Wilhelm

Quellen:
https://www.focus.de/finanzen/hochqualifizierte-fachkraefte-werden-nicht-nach-deutschland-kommen-sondern-verlassen-das-land_id_189555858.html

https://www.agrarheute.com/management/recht/fachkraefte-hunderttausende-deutsche-wandern-gruende-608481