Manch Jugendtraum kann noch im Alter wahr werden

Oben ohne ist viel schöner

Montag
17.07.2023, 13:45 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Glückseligkeit kann der Mensch in vielen Dingen finden und nicht selten halten diese ein Band zur eigenen Vergangenheit. Die Erinnerungsstücke, die Reinhardt Walenta das Herz erfreuen, sind etwas größer und es bedurfte einigen Aufwandes, seinen Traum wahr werden zu lassen…

Ein Jugendtraum aus lang vergangen Jahren erstrahlt wieder (Foto: agl) Ein Jugendtraum aus lang vergangen Jahren erstrahlt wieder (Foto: agl)


Nordhausen, anno 2015, Petersberg. Es ist Oldtimer-Treffen und natürlich ist die nnz mittendrin, macht Bilder und sammelt ein paar Geschichten. Die Schrauber und Bastler sind redselig und die schicken, alten Fahrzeuge dankbare Motive. Bei der Gelegenheit erzählt uns auch Reinhardt Walenta von seiner Passion und präsentiert seinen auf Hochglanz polierten, silbern strahlenden Trabant. Und Herr Walenta erzählt auch von seinem Traum: sein altes Studentenauto, das würde er gerne noch einmal unter die Finger bekommen und restaurieren.

Acht Jahre in die Zukunft gesprungen, es ist wieder Oldtimertreff, diesmal vor dem Scheunenhof. Wieder ist die nnz dabei, man macht Bilder, schwatzt ein bisschen, das übliche. Mittendrin findet sich auch der Herr Walenta, mit anderem Gefährt diesmal aber nicht minder fröhlich. Den Artikel von damals, der hat ihm gut gefallen, so gut, dass er ihn im Kofferraum dabei hat. Seinen Traum hat er sich erfüllt, berichtet er stolz und prompt sind wir zu Kaffee, Kuchen und einer Besichtigung eingeladen.

2015 trafen wir Reinhard Walenta auf dem Petersberg (Foto: agl) 2015 trafen wir Reinhard Walenta auf dem Petersberg (Foto: agl)


Herr Walentas Schrauber-Geschichte beginnt kurz nach der Wende. Auf den angemeldeten 1500er Lada hatte man 20 Jahre vergebens gewartet, nun stand ein Mercedes vor der Haustür. Der war kein Oldtimer, im Gegenteil, das gute Stück aus dem Westen war brandneu und wollte schonend behandelt werden. Die Familie brauchte aber dringend ein Transportfahrzeug und da fiel der Blick auf den alten Trabant. Von Haus aus ist Reinhard Walenta kein Fahrzeugmechaniker aber das störte ihn schon damals nicht. „Am Trabant kann man eigentlich alles selber machen und ich dachte mir als Diplom Ingenieur solltest du das doch wohl auch hinkriegen und damit hat das alles angefangen. Irgendwann, viele Jahre später, ging die Erinnerung dann an meinen Vater und seine „Sportawo“. Die hat er Anfang der 60er Jahre gefahren und die hätte ich auch gerne einmal restauriert.“, berichtet der Oldtimerfreund.

Eine „Awo“ wurde es dann nicht, dafür restaurierte er, auf Anraten der großen Tochter, eine DKW SB 200, Baujahr 1936. „Wenn man die Unterstützung der Familie nicht hat, kann man dem Hobby nicht gut nachgehen. Meine Tochter meinte damals: „Vati, denke dran, du wirst älter und die DKW wiegt 40 Kilo weniger. Heute finde ich das ganz gut das ich auch auf sie gehört habe.“, berichtet Walenta.

Die DKW SB 200 ebnete den Weg (Foto: agl) Die DKW SB 200 ebnete den Weg (Foto: agl) Mit dem Vorläufer der RT-125, den eingefleischten Enthusiasten auch als „Iffchen“ bekannt, kam schließlich der Sprung zum eigentlichen Traum und auch der lag wie die „Awo“ in den Erinnerungen an die Jugend und die Studentenjahre in Mittweida. „Der 311er Wartburg, der B70 und der Trabant, das waren damals die heißen Autos, die konnte man sich als Student im Leben nicht leisten. Die alten DKW F7 und F8, die wollte keiner haben, das waren die preisgünstigsten Fahrzeuge und da musste man auch nicht warten.“, erinnert sich Walenta. Rund 1200 DDR Mark kosteten die alten Kisten, wenn sie denn auch direkt fahren sollten. Und noch etwas reizt den Schrauber abseits der Jugenderinnerung: „Es gibt eine klare Linie vom DKW zum Trabant. Die Fahrzeuge sind sehr verschieden, aber der Grundansatz ist der gleiche geblieben. Ohne DKW gäbe es keinen Trabant und auch keinen Wartburg.“

Gesagt, getan - das nächste Projekt: es soll das alte Studentenauto wieder in der Garage stehen. Ein paar mehr Möglichkeiten als der angehende Ingenieur von damals hat der Senior von heute allerdings und die schöpft er aus. Ein Cabrio soll es werden, weil „Oben ohne ist viel schöner“ und nach einem Jahr geduldiger Suche wird Walenta endlich fündig: ein „anrestauriertes“ Cabrio, die Luxusausführung der F-Reihe und eigentlich ein „Damenwagen“. Die Karossen für die gehobene Klientel lief 1936 vom Band, 3085 an der Zahl und kostete vor dem Krieg rund 1.600 Reichsmark.

Rund 2000 Arbeitsstunden hat Herr Waltena in seinen Traum gesteckt (Foto: agl) Rund 2000 Arbeitsstunden hat Herr Waltena in seinen Traum gesteckt (Foto: agl)

Der Fund ist ein Glücksfall für Walenta, um Motor, Getriebe und Kupplung hatte sich der Vorbesitzer schon gekümmert aber an Achse, Lenkung, Karosserie und Bremsen musste noch gefeilt werden. „Ich habe in den Jahren viel gelernt und die Schrauberei ändert da auch ein paar Blickwinkel. Ich bin heute sehr viel mehr darauf bedacht, am Original zu bleiben aber das geht auch nicht in allen Fällen. Ich will schließlich kein Museumsstück haben, ich will mit dem Ding auch fahren.“ Rund 2000 Stunden Arbeit steckt der Elektroingenieur in seinen Traum, Ende 2017 ist das gute Stück fahrbereit. Die Optik ist noch nicht ganz perfekt, eine Temperaturregelung und ein Elektrolüfter wurden ergänzt und ein paar Schrauben zu Stabilisierung der Karosserie gehören auch nicht zur Originalausstattung aber im großen und ganzen ist der Traum in Erfüllung gegangen.

In den Urlaub kommt die Familie damit heute nicht aber für ein paar gemütliche Rundfahrten reicht es allemal. Außerdem reizt der Verbrauch von 10 Litern auf 100 Kilometer nicht eben dazu, größere Strecken anzugehen. 80 km/h sind das höchste der Gefühle, ausgefahren ist das DKW Cabrio damit zwar nicht, aber mehr muss es eben auch nicht sein. Wer Oldtimer fährt, dem reicht das in der Regel auch aus, es geht mehr um Ent- als um Beschleunigung.

Der DKW, der Schrauber und der Nachwuchs beim Oldtimertreff des MC Roland in diesem Jahr (Foto: agl) Der DKW, der Schrauber und der Nachwuchs beim Oldtimertreff des MC Roland in diesem Jahr (Foto: agl)


Sein „Magnum Opus“ hat Herr Walenta nun geschaffen. Wird er deswegen aufhören? Wahrscheinlich nicht. Und selbst wenn, die schmucken Stücke bleiben in der Familie, denn den Nachwuchs, den hat er mit seiner Liebe zu den Fahrzeugen seiner Jugend schon angesteckt. Quod erat demonstrandum: auf den Oldtimertreff ist „Vati“ nicht allein, beide Töchter kommen Jahr um Jahr samt eigenem Nachwuchs zurück in die Heimat und sind mit dabei. Und Herr Walenta lächelt glücklich.
Angelo Glashagel