WENN DER AMTSSCHIMMEL BELLT

Und andere "Fröhlichkeiten" vom Amt

Sonntag
16.07.2023, 14:31 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
Viele Zugereiste, sogar ein OB-Kandidat aus der Ferne, bemerken sofort die "unfröhliche Art der Nordhäuser". Diese ist ohne Zweifel real. Aber "Fröhlich sein und singen" schon in der Schule lernen und dann ins Leben mitnehmen - das war einmal. Hier nur drei Beispiele von gezüchteter Unfröhlichkeit aus der letzten Legislaturperiode...


Haben Sie sich auch schon mal gefragt, was mit den Einnahmen aus der Hundesteuer in Nordhausen passiert? Einen sicheren Hundespielplatz, wo die Tiere auch mal richtig „Gas geben“ können, vermisst man genau so, wie bereit gestellte Kottüten und regelmäßig geleerte Abfallbehälter in den Anlagen. Aber einige Nordhäuser haben trotzdem eine Antwort gefunden: Der Amtsschimmel wird gefüttert.

Eine Freundin von mir mit einem Hund wird vor knapp drei Jahren durch das Ordnungsamt kontrolliert. Alles bestens, befinden die Kontrolleure. Die Frau hat eine Kottüte dabei, der Hund ist gechippt, eine Steuernummer ist ebenso am Halsband, wie der Name des Tieres, die Telefonnummer der Halterin und die Suchplakette von Tasso für mögliche Zwischenfälle der Hundehaltung.

Hier könnte der Bericht eigentlich zu Ende sein. Aber die Kontrolleure waren sehr gründlich und finden in ihren Unterlagen: Der Hund heißt nicht mehr Berta, sondern Frieda. Schlussfolgerung: Die Frau hat jetzt zwei Hunde. Erforderliche Amtshandlungen: Das Ordnungsamt schreibt einen mehrseitigen Brief und das städtische Finanzamt schreibt am gleichen Tag auch einen mehrseitigen Brief, selbstverständlich in zwei Umschlägen mit zweimal Porto, an die Frau mit der Aufforderung zu einer Stellungnahme und der Anmeldung von Frieda zur Hundesteuer. In 10 Tagen!

Die auch mögliche Wahrheit ist nicht, dass sich die frisch angeheiratete Tante Berta bei der Familie beschwert hat, dass der Hund ihren Namen trägt und deshalb umbenannt werden musste. Die Wahrheit ist: Hund Berta musste aufgrund eines Schlaganfalles in den ersten Tagen des Auslandsurlaubes 2016 in einer dortigen Tierklinik eingeschläfert werden.

Nach dem ersten Schock beschließen die Frau und ihr Ehemann: Es muss möglichst bald wieder ein Hund ins Haus. Sie schreiben diese Bedingungen fest: Es soll ein möglichst ähnlich aussehender Mischlings-Welpe aus dem Tierschutz angeschafft werden. Von den Großverdienern der Hundezucht halten sie nichts, erst recht nicht, wenn die Tiere aus dem Ausland illegal importiert werden. Also wird das Internet befragt und nach etwa einer Stunde ein Welpenbild gefunden, was auch ein „Jugendfoto“ des verstorbenen Tieres sein könnte. Das Tier ist noch zu haben. Es wurde in einem ostdeutschen Tierheim gechipt und kann bei der seinerzeitigen Betreuerin in Franken (Sag nie Bayern, wenn du nach Franken musst!) in ein paar Wochen abgeholt werden.

Jedenfalls hat die Frau nun fleißig Dokumente hervorgesucht, kopiert und in zwei gleichlautenden Briefen den Behörden mitgeteilt, dass der Stadt Nordhausen kein Schaden entstanden ist, weil man etwa zwei Monate lang keinen Hund hatte, trotzdem die Steuer entrichtete und auch auf die mögliche Steuerentlastung wegen Übernahme eines Tieres aus dem Tierschutz verzichtete.

Die Frau wartet auch nach fast drei Jahren nicht mehr auf die Antwort aus den Ämtern. Sie ist verstorben. Aber es drängt sich in stillen Sommerstunden die Frage auf, ob man das nicht seitens der Ämter kostenlos und kontaktfrei mit einem Telefonanruf in fünf Minuten hätte klären können.

Auf einer Nordhäuser Ausfallstraße wird ein Mann in seinem Auto abends zwischen 19 und 20 Uhr geblitzt. Er schaut schnell auf den Tacho und denkt: Eine Zeigerbreite drüber, das ist bei außer mir leerer Straße und 70 km/h in etwa 40 m Sichtweite kein Grund zur Aufregung. Er hat sich geirrt. Wochen später bekommt er für 58 km/h 20 Euro abgenommen. Das hat mit Verkehrserziehung nichts zu tun, sondern signalisiert: Guck nicht soviel auf die Straße, sondern auf deinen Tacho, dann hast du mehr Geld für den teuren Sprit übrig.

Ein Nordhäuser parkt sein Auto vor dem Haus seines Schulfreundes, den er jetzt, weil beide alt sind, öfter besucht. Wochen später bekommt er ein "Knöllchen". In Kurzfassung wird ihm Parken während der Kehrzeit vorgeworfen. Da ihm keine entsprechende Benachrichtigung unter den Scheibenwischer gesteckt wurde, beginnen die Überlegungen: War ich wirklich zu dem Zeitpunkt beim Freund? Wer hat mich verpfiffen und warum? Und dann der Preis: 40 Euro für die kleine Runde um das Auto. Aber da konnte ein anderer alter Freund helfen: "Da haste schon Deinen Vorzugspreis. Sie hätten laut Bußgeldkatalog auch 55 Euro nehmen können."

Aber sie hätten eben auch gar nichts nehmen können, eine kleine Benachrichtigung unter den Scheibenwischer stecken und für den Wiederholungsfall irgendwo im Kreisgebiet mit doppelter Kostenpflicht drohen. Diese Handlungsweise sollte mit der heutigen EDV möglich sein. Niemand in der Nachbarschaft wäre als mögliche "Petze" in die Geschichte eingegangen und - da solche Geschichten dann auch die Runde machen - das Ordnungsamt würde seinen Ruf verbessern. Im Laufe kurzer Zeit würde dieser sich von Abzocker mit Krümelkacker-Mentalität in Erzieher mit Herz verwandeln.

Dem Hörensagen nach sind sicher jedem Nordhäuser solche und ähnliche Geschichten bekannt. Die meisten länger hier Wohnenden - egal, woher sie einst kamen - wissen inzwischen: Nicht nur Oberbürgermeister werden hier akribisch beobachtet und bestraft - auch der normale Beamte und Angestellte in den Ämtern muss, will er seine Tätigkeit länger ausüben, sehr genau darauf achten, dass er alle Vorschriften kennt und buchstabengetreu durchsetzt. Außer er wird vielleicht mal von einem Radfahrer auf dem Gehweg umgefahren. Dann sollte er sich schnellstens bei dem Radfahrer entschuldigen, dass er dort gegangen ist, wo dieser gerade fahren wollte. Oder hat mich die Unfröhlichkeit schon so angesteckt, dass ich diese - von den Ordnungshütern gern übersehene und demzufolge nicht geahndete - Realität überschätze?

Der Tag ist scheinbar weit, bevor ein Nordhäuser-Oberbürgermeister-Kandidat mit dem wachen Blick eines Touristen die Worte, die Kurt Tucholsky seiner "Prinzessin" einst in den Mund legte, wiederholt: Ja...das ist eine vergnügte Stadt.
Gerda Hassmagd