Bad Langensalzas Bürgermeister Reinz beschwert sich

Intensiverer Einsatz der Ordnungsmacht nötig

Dienstag
04.07.2023, 19:00 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Mit einem Brandbrief wendete sich dieser Tage das Stadtoberhaupt der Kurstadt an den Vizepräsidenten der Thüringer Landespolizeidirektion, um auf die unhaltbaren Zustände in der Stadt aufmerksam zu machen, die seit Wochen von nächtlichen Straftätern heimgesucht wird. Heute bekam Reinz Besuch …

Mutwillig zerstörte junge Bäume sind leider einige in Bad Langensalza zu finden (Foto: emw) Mutwillig zerstörte junge Bäume sind leider einige in Bad Langensalza zu finden (Foto: emw)

Der Chef der Landespolizeiinspektion Nordhausen, Matthias Bollenbach, kam höchstpersönlich zum Gespräch ins Langensalzaer Rathaus, nachdem Matthias Reinz in einem vierseitigen Brief seinen Missmut über die augenblickliche Situation formuliert hatte.

„Derzeit zeichnet sich jedes Wochenende ein Bild der Zerstörung in der Stadt ab. Zahlreiche Sachbeschädigungen und Straftaten, die allein im letzten halben Jahr eine Größenordnung von rund 50.000 Euro Schaden im Eigentum der Stadt erreicht haben, sind Realität“, schrieb der Bürgermeister an Thomas Quittenbaum, den am zweithöchsten dekorierten Polizisten des Freistaats.

In seiner fünfjährigen Amtszeit als Bürgermeister der Stadt Bad Langensalza habe er schon einiges erlebt, aber dass die begangenen Straftaten jedes Wochenende von der Polizei nur noch verwaltet werden, anstatt dass konsequent präventiv und aktiv eingegriffen würde, hätte er sich nicht vorstellen können. Und Reinz legt den Finger auch gleich in die Wunde, denn er sei „der Meinung, dass dies mit der Polizeispitze und deren Führung im UH-Kreis sowie der vorzufindenden Personalsituation insgesamt zusammenhängt.“

In der Summe wird die Polizei im Unstrut-Hainich-Kreis mit ihrer Dienststelle in Bad Langensalza „als nicht wirklich aktiv vorhanden registriert“, bemängelt Reinz und setzt noch obendrauf: „Oft ist es auch so, dass ein Diensthabender allein auf der Wache anzutreffen ist. Bürger werden dann oft in Richtung Ordnungsamt verwiesen und die konkret vorliegende Lage wird von der Polizei gar nicht angepackt. Das führt dazu, dass Bürger einfach wegsehen, wenn etwas passiert und Straftaten gar nicht mehr angezeigt werden. Von Zivilcourage wollen wir gar nicht sprechen.“

Bad Langensalza verfüge zwar über eine Kontaktbereichsbeamte (KoBB), allerdings stünde die Polizistin nicht kontinuierlich zur Verfügung. Von Anfang an habe sie wegen des ausgeprägten Personalmangels auch andere KoBB-Bereiche im Unstrut-Hainich-Kreis abdecken müssen.

Wenigstens in diesem Punkt konnte ihm Bollenbach heute Hoffnung machen und versprach eine zweite KoBB-Stelle für den Bereich Bad Langensalza einzurichten. Von Kontinuität in der Polizeiarbeit könne indessen keine Rede sein und Stadt und Bürger fühlten sich hintenangestellt und unbeachtet, legte Reinz nach. „Der jetzige Inspektionsleiter hat in den letzten Jahren nicht maßgeblich dazu beigetragen, dass die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Polizei auf ein neues und gutes Niveau angehoben wird und dem Sicherheitsbedürfnis der Stadt, ihrer Einwohner und ihrer Gäste gerecht wird. Deshalb rege ich an, über diese Besetzung ernsthaft nachzudenken!“, steht im Brief nach Erfurt weiter zu lesen.

Es entstünde bei vielen Bürgern der Eindruck, dass der Staat seine Fürsorge und seinen Schutz verweigere. Das habe nach Ansicht des Langensalzaer Bürgermeisters auch politisch fatale Folgen. 

Erhebliche Schutzlücken entstünden durch die verlängerten Reaktionszeiten der Polizei bei Notfallmeldungen. Immer öfter müssten Bürger unangemessen lange auf polizeiliche Hilfe warten. 
Hinzu käme, dass das Vertrauen in den Staat insgesamt geschwächt würde:
  • wenn Gerichtsverhandlungen so lange auf sich warten lassen, bis die Tat verjährt ist,
  • wenn Urteile nicht verstanden und als zu milde abgetan werden,
  • wenn sich das Gefühl breitmacht, dass jeder Geschwindigkeitsverstoß härter und konsequenter verfolgt wird als z.B. ein Steuerbetrugsverfahren.

Weil es in Orten wie Bad Langensalza keine großen Kapitalverbrechen gäbe, wie wir sie aus den deutschen Großstädten kennen, würde die Bekämpfung der Alltagskriminalität und der tägliche Schutzauftrag der Polizei aktuell in der ländlichen Region ausgedünnt, vermutet Reinz.

In der Stadt werde aufgrund der sich weiter verändernden Sicherheitslage bereits eine Palette von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit eingesetzt. Sie umfassen die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten, Präsenz von Ordnungskräften vor Ort, Einsatz privater Sicherheitsdienste bei Veranstaltungen, technische Maßnahmen wie Investitionen in Beleuchtung oder Videoüberwachung, aber auch baulich-gestalterische Maßnahmen wie die Verbesserung der Einsehbarkeit von Räumen, die Pflege und Instandhaltung des öffentlichen Raumes oder die Berücksichtigung von Mindestanforderungen für Sicherheitsaspekte in der Bauleitplanung.

Weiter führt der Bürgermeister sozialräumliche Maßnahmen wie gezielte Investitionen in soziale Infrastruktur, die Förderung der sozialen Mischung der Bewohnerschaft im Quartier, die Belebung des Raumes durch Förderung von Aktivitäten (z. B. Stadtteilfeste), gezielte sozialpädagogische Angebote sowie die Förderung der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Planungsprozessen und Maßnahmen der Stadtumgestaltung ins Feld.

In seinem Schreiben an die Landespolizei stellt Matthias Reinz klare Forderungen: „Es wird wohl möglich sein, dass von Seiten des Thüringer Innenministeriums eine Entscheidung getroffen werden kann, die Stelle des Leiters mit einer qualifizierten und darüber hinaus engagierten und verantwortungsvollen Person zu besetzen. Dieser Person sollte ein angemessener Personalstamm zur Seite gestellt werden, der in der Lage ist, gemeinsam und kontinuierlich alle anstehenden Aufgaben, auch abseits der Stadt Mühlhausen zu erfüllen.“ Quintessenz aus den Überlegungen des Stadtoberhaupts ist letztlich: Es fehlt an Polizeipräsenz!

Er verweist ferner darauf, dass die landesweite Reform der Polizeistruktur zur Optimierung der operativen Aufgaben schon 2012 begann. Ziel dieser Reform war unter anderem die Verbesserung der polizeilichen Betreuung vor Ort und damit eine Stärkung des Sicherheitsgefühls in der Bevölkerung.
„Aus unserer Sicht sind diese Ziele bislang weitestgehend nicht erfüllt, vielmehr hat sich
die Polizei in Bad Langensalza von den Bürgern weiter entfernt und deshalb sehe ich es als meine Aufgabe an, im Interesse der Bürger der Stadt tätig zu werden und der Forderung nach mehr Polizeipräsenz und einsatzbereiten Dienstkräften in der Polizeistation rund um die Uhr nachdrücklich Ausdruck zu verleihen.“

In Bad Langensalza besteht aufgrund der stetigen Entwicklung zur attraktiven Kurstadt ein hohes Sicherheitsbedürfnis, nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch bei den zahlreichen Gästen, sagt Reinz. Doch demgegenüber sei eine Tendenz zu vermehrten Straftaten, wie Einbrüche, Diebstähle, Vandalismus und Drogendelikten in größerem Stil zu beobachten.

Um dieser Tendenz präventiv entgegenzuwirken und dem Sicherheitsbedürfnis der Bürger und Gäste der Stadt Bad Langensalza zu entsprechen, hält der Bürgermeister eine veränderte Personallage in der Polizeistation zukünftig für unerlässlich.

Was der Nordhäuser Polizeidirektor Bollenbach aus dieser Häufung von Forderungen, die heute im Rathaus auf ihn einprasselten, nun machen wird, bleibt die spannende Frage für die Zukunft. Zaubern kann er mit Sicherheit nicht und vom Personalproblem, das Matthias Reinz benannte, können die anderen Thüringer Regionen ebenfalls ein langes Lied singen. Weit muss dafür auch nicht ins Land geschaut werden. Schon beim Blick auf die Kreisstadt Mühlhausen und die täglichen Polizeimeldungen von dort ergibt sich ein weiterer Brennpunkt mangelnder Polizeipräsenz.
Olaf Schulze