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Steimle zu Gast bei rund 400 "Rechten"

Sonnabend
01.07.2023, 13:00 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
Gestern endlich - für mehrere Hundert Menschen aus Nordhausen und Umgebung war es soweit und wieder hatte es Frank Pojtinger möglich gemacht: Kabarettist Uwe Steimle war zu Gast und im Gepäck hatte er sein aktuelles Programm "Mit Geduld und Spucke" mitgebracht...

Uwe Steimle zu Gast in der "Schönen Aussicht" (Foto: nnz) Uwe Steimle zu Gast in der "Schönen Aussicht" (Foto: nnz)
Doch bevor Steimle loslegen konnte, wurde natürlich gemeinsam gesungen. Nein, die kleine weiße Friedenstaube ist eher was fürs Finale der zwei Stunden. Das Publikum gratulierte ihm zu seinem 60. Geburtstag am 20. Juni. Nicht mit "Happy Birthday", sondern das deutsche Geburtstagsständchen "Weil heute dein Geburtstag ist" musste es schon sein.

Wie kaum ein anderer seines Metiers trifft der Sachse den Nerv der Menschen, die eine absolute oder temporäre Sozialisation vor 1990 genossen hatten. Und so schallte es zu Beginn: "immer bereit" durch den Biergarten der "Schönen Aussicht" im Norden von Nordhausen. Genau dorthin hatte Frank Pojtinger den Sachsen "umgeleitet". Über die Hintergründe des "Umzugs" hatte die nnz bereits ausführlich berichtet.

Im ersten Teil des Abends gab es eine kleine "Unterbrechung", denn bei der Abhandlung über den Umgang mit Ungeimpften, die trotzdem in Pflegeheimen und Kliniken arbeiten gingen, baten zwei Krankenschwestern um Spenden, damit die Kosten für Berufungsverfahren im Zuge der Bußgeldverhängung seitens des Nordhäuser Landratsamtes teilweise beglichen werden können.

Es wurde viel gesungen in der "Schönen Aussicht"
Dann wurde wieder gesungen bei einem textsicheren Publikum wie dem gestern Abend, kein Problem und in "Deutsch-Nahost" schon überhaupt nicht. Die Motive dahinter mögen Soziologen, Psychologen oder diverse andere Geisteswissenschaftler ergründen. Für Uwe Steimle liegt das auf der Hand: "Nach 34 Jahren wissen die in der BRD immer noch nichts und das Nichtwissen, das wollen sie uns 34 Jahre lang erklären."

Weitere Themen, die voll den Nerv des Publikum trafen, waren der Gender-Wahn ("gender vergessen"), der Unterschied zwischen gewindelten Kindern in Ost und West und die Frage, warum man ein Mädchen unbedingt Chantal nennen muss. Den Verfassungssch(m)utz verglich Kabarettist Steimle mit der Stasi und statt der Vier-Tage-Arbeitswoche würde er den Haushaltstag wieder einführen.

Fazit auf der Bühne: Steimle, der sowohl als "linke Sau" als auch "rechtes Schwein" bezeichnet wurde, fühlt sich eher wie ein "veganes Schnitzel".

Dann waren zwei kurzweilige Stunden auch schon wieder vorbei. Die Menschen, die sich gestern unterhalten ließen, wussten, worauf sie sich einließen. Humor, der manchmal wehtut, Gedankenfetzen an eine Zeit, in der es nicht nur SED und Stasi gab, und der kabarettistische Blick auf Prozesse und Vorgänge in einer Welt, die sich scheinbar so schnell dreht, dass sie aus den Fugen geraten könnte.

Uwe Steimle, Frank Pojtinger und dessen Tochter Maria nach dem Gastspiel (Foto: nnz) Uwe Steimle, Frank Pojtinger und dessen Tochter Maria nach dem Gastspiel (Foto: nnz)
Auf den Plätzen unter den Kastanien in der "Schönen Aussicht" oder unter den nicht benötigten Regenschirmen wurde herzhaft gelacht, wurde geklatscht und: es wurde nachgedacht. Uwe Steimle brachte es auf den Punkt: Kabinett und Kabarett sind aktuell nicht weit von einander entfernt.

Ein Dankeschön geht - stellvertretend für die vielen Menschen gestern - an Frank Pojtinger und seine Familie, die diesen Abend möglich machten. Und es ist gut, dass es Künstler wie Steimle gibt, die nicht aufgeben, sich nicht einschüchtern lassen und die immer noch einen prall gefüllten Kalender haben. Allein in diesem Jahr absolviert der Sachse noch mehr als 40 Gastspiele. Allesamt in "Deutsch-Nahost", dort wo man ihn versteht. Nu...
Peter-Stefan Greiner