nnz-Betrachtung zu Reaktionen auf eine Landratswahl

Sonneberg und kein Ende

Mittwoch
28.06.2023, 17:18 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Nachdem gestern bereits die ersten Gerüchte mit handgemalten Karten im Netz kursierten, nachdem der Landkreis Sonnenberg seinen Nachbarkreis überfallen habe, gab es auch viele ernstgemeinte Statements und erstaunliche Reaktionen, die wiederum kommentiert werden. Hier eine Auswahl …

Am krassesten hat wohl die inzwischen etwas radikalisierte GRÜNEN-Mitbegründerin Jutta Ditfurth gepostet. „Erster Vertreter der Nazi-Partei AfD wird Landrat. Thüringen Kreis Sonneberg. Gewählt haben ihn Nazis, die auf anderen herumtrampeln wollen, um sich groß zu fühlen. Die es hassen, wenn es allen besser geht. Medien, die von „Protestwahlen“ reden trifft meine volle Verachtung.“

Doch auch unser Bundesgesundheitsminister sah sich zu einer Äußerung außerhalb seines Fachgebiets veranlasst: „Erster AfD Landrat! Das ist ein Tiefpunkt unserer Politik seit dem dem Fall der Mauer. Die Bevölkerung muss besser mitgenommen werden auf dem Weg zu Klimaschutz und mehr Gerechtigkeit. Die AfD schürt Angst und Hass, hat aber Lösungen für Nichts“, twitterte Karl Lauterbach.

Eine andere Erklärung hat der im Mittelmeer als Seenot-Retter bekannt gewordene Axel Steier:„Hätte es genug Zuzug aus dem Ausland gegeben (z.B. indem man die Visa-Pflicht für Afghan*innen und andere Verfolgte abschafft), und hätte man diesen Menschen sofort das Wahlrecht eingeräumt, wäre Sonneberg heute kein Thema. Deshalb: Grenzen auf!“

Seit gestern wird die Wahl Sesselmanns nun überprüft, wie die Thüringer Innenstaatssekretärin Katharina Schenk (SPD) der Deutschen Presse-Agentur sagte. Weil Landräte auf dem Boden der demokratischen Grundordnung stehen müssen, soll Sesselmann unter die Lupe genommen werden. Denn, so Schenk: „In dem Gesetz steht, dass zum Landrat nicht gewählt werden kann, „wer nicht die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Landesverfassung eintritt“.

Was sagt der betroffene Wahlsieger selbst dazu? In den sozialen Netzwerken verbreitete der designierte Landrat von Sonneberg folgendes: „Liebe Mitbürger, die Wahl ist gewonnen, jetzt kommt zwar nicht der Anruf aus Südafrika, diesmal meldet sich das Thüringer Innenministerium, das die Zuverlässigkeit des Kandidaten anzweifelt und damit die Wahl für ungültig erklären will. Sie wollen den Willen der Bürger des Landkreises nicht akzeptieren, weil ihnen das Ergebnis nicht schmeckt. Welch widerliches Schauspiel.“

In Thüringen sind die Meinungen gemischt. Viele halten es aber für keine gute Idee, die Wahl rückgängig machen zu wollen. Beispielhaft hier das Statement der Kleinpartei „Bürger für Thüringen“: „Es handelte sich um eine demokratische Wahl, deren Ergebnis zu akzeptieren ist. Nun im Nachhinein Zweifel an der Wählbarkeit des Kandidaten geltend zu machen, ist keinesfalls der richtige Weg – zumal damit auch die Arbeit der Wahlkommission angezweifelt wird, da alle Kandidaten bereits vorab nach Paragraph 24 des Thüringer Kommunalwahlgesetzes geprüft wurden. Stattdessen verdient Robert Sesselmann die Chance, sich im Kreis Sonneberg als Landrat bewähren zu können und dass man ihn an seinen Taten misst. Ein Landrat besitzt ohnehin keine Allmacht – deshalb sollten vor allem Kritiker diese Chance nutzen, um sich ein ehrliches Bild über die Amtstauglichkeit von AfD-Mitgliedern zu machen. Sollte nach der Kemmerich-Wahl 2020 nun die nächste Wahl in Thüringen rückgängig gemacht werden, wäre das der Todesstoß für den Glauben an die Demokratie“, sagte Dr. Ute Bergner, Chefin der Partei.

Früher gehörte Bergner der FDP an, deren Bundesvorsitzender Christin Lindner gestern Schlagzeilen machte, weil er auf das Sonneberger Ergebnis angesprochen zum besten gab: „Im Notfall könnte man noch die Linkspartei wählen“, wenn der Wähler unzufrieden mit der Berliner Ampelregierung sei. Das sei natürlich keine Wahlempfehlung, relativierte er die für einen Liberalen erstaunliche Aussage. Heute grübeln die Medien darüber, wie ernst er diesen Satz gemeint haben könnte.

Widerspruch kommt auch hier von einer kleinen Partei. Für „Bündnis Deutschland“ stellte Walter Münnich, deren stellvertretender Bundesvorsitzender, klar: "Als FDP eine Wahlempfehlung für die Kommunisten abzugeben, zeigt, wie weit links nun auch die FDP abgedriftet ist." Lindner falle offenbar lieber auf den Salon-Kommunisten Ramelow rein; statt die "Fußtruppen" dahinter zu sehen, die noch immer vom bösen Unternehmer und von Heuschrecken reden, wenn sie an Vermieter denken. „Wir müssen Herrn Lindner auch daran erinnern, dass er mit dazu beigetragen hat, dass ein FDP-Ministerpräsident in Thüringen nicht lange amtieren durfte. Wer weiß, welch besseren Weg Thüringen mit Thomas Kemmerich genommen hätte", so Münnich.

Sicherlich wird uns die Auseinandersetzung um denn „Dammbruch“ noch eine ganze Weile beschäftigen, zumal bei der Nordhäuser Oberbürgermeisterwahl auch ein AfD-Mann nicht völlig aussichtslos ins Rennen gehen wird. Innenstaatssekretärin Katharina Schenk aus dem Thüringer Ministerium sollte diesen Kandidaten möglichst gleich auf seine Demokratietauglichkeit überprüfen. Das erspart nach der Wahl womöglich Kritik und Ärger und stärkt die Fraktion der Wutbürger und Protestwähler nicht noch weiter.
Olaf Schulze