OB GESUCHT

Der ideale Kandidat

Freitag
23.06.2023, 17:11 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
"Was kann schöner sein auf Erden, als Politiker zu werden?" Der alte Song von Reinhard Mey scheint wieder mehr Menschen zu aktivieren, seit in Nordhausen ein OB gesucht wird. Sogar aus weiter Ferne liegt schon eine Bewerbung vor. Was muss er tun, der ideale Kandidat für Nordhausen? Bitte gehen Sie im Folgenden davon aus, dass der Oberbegriff Kandidat für alle Menschen gilt. Meint unsere Gerda Hassmagd.


Die Kandidaten müssen wissen, dass sie ein Amt als Kommunalpolitiker anstreben. Sie sollen die Bürger und das Umfeld einer Kommune nicht nur davon überzeugen, dass sie in der liebenswertesten Gemeinde der Welt wohnen, sondern ihnen auch die Möglichkeiten dafür erschließen. Das heißt, sie werden beurteilt für ihr Engagement für Geburt, Kita, Schulen, Berufe, Jobs, Kultur, Verkehr. Gesundheit, Sport, Umwelt, Alter und Bestattung. Ach ja: Und alles, was da dazwischen und am Rande liegt.

Wenn ein Kandidat "fest zu den Beschlüssen von Partei und Regierung steht", kann das hilfreich sein oder auch sehr schaden. Der Kandidat muss nur über Krieg und Frieden in der Gemeinde entscheiden. Die Entscheidung über Krieg und Frieden in der Welt muss er - möglicherweise auch leider - seinen Genossinnen und Genossen, Parteifreundinnen und -freunden, und den sonst noch regierenden Damen und Herren in Berlin und ein bisschen auch immer noch in Bonn überlassen. Von Europa wollen wir in diesem Zusammenhang erst mal nicht reden.

Wenn der Kandidat Mitglied einer Partei ist, sollte er sich derer bedingungslosen Unterstützung versichern. Vor der Bewerbung.

Es ist politische Kleinarbeit gefordert. Man hat, ist man gewählt, sozusagen die Arschkarte gezeigt bekommen und das von den eigenen Wählerinnen und Wählern. Merkwürdigerweise kann man diese bis zu 14 mal sehen, ehe es ernstzunehmende Konsequenzen gibt. Wie das derzeitige Beispiel zeigt. Es gibt eben doch Unterschiede zwischen Fußball und Politik.

Ein OB-Kandidat für Nordhausen muss zudem wissen, dass hier vor allem kein kameradschaftliches Umfeld herrscht. Der Klüngel liegt beständig auf der Lauer und ist nach "Presselage" nicht bereit, Fehler gemeinschaftlich zu vermeiden, sondern diese solange zu schüren, zu sammeln und akribisch zu zählen, bis das Maß bei den übergeordneten Stellen voll ist. Da kommt also vorher keiner und sagt: "Du, horche mal, da kommste mit dem Gesetz in Konflikt. Kannste das nich anderschter machen." Und den Satz: "Ich würde Dir vorschlagen,...." muss der Kandidat sicher nie hören.

Der Nordhäuser OB bekommt demzufolge kein Gehalt, sondern Schmerzensgeld. Zweifellos ziemlich hohes Schmerzensgeld, wie die Bewerbung von einem auch räumlich weit außerhalb Stehendem beweist. Denn wie heißt es in der 3. und 4. Zeile von Reinhard Mey:
"Vom Überfluss der Diäten, platzen dir die Taschen aus den Nähten." Bloß gut, dass Barzahlung im Abwind ist. Die Taschen werden mit großer Wahrscheinlichkeit ganz bleiben.
Gerda Hassmagd