ANTON ADLERAUGE SCHILDERT:

Behördengang im Rathaus

Mittwoch
07.06.2023, 11:20 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
Erlebt an einem Vormittag in dieser Woche. Das Datum meines Personalausweises ist fast am Ende angekommen. Nach einem Besuch im Fotostudio hatte ich schon die nötigen Bilder für den künftigen Ausweis parat und blickte optimistisch dem Behördengang im Rathaus entgegen. Dort angekommen, warteten schon etliche Leute am dafür zuständigen Schalter auf die Erledigung ihrer Angelegenheiten...


Eine junge Frau und der junge Mann neben ihr, der sich dem Anschein nach in der Ausbildungsphase befindet, gaben sich redlich Mühe, Wünsche und Anliegen der Kundschaft zu erfüllen. Mühsam Schritt für Schritt kam ich dem Ziel näher. Jetzt stand ein Mann am Schalter. Groß, schlank und über 40 Jahre mag er gewesen sein. Vor der jungen Frau breitete er seine Schriftstücke aus und redete auf sie ein.

Leider verstand weder die Dame hinter der Glasscheibe noch jemand der Wartenden ein Wort von dem, was der Kunde eigentlich wollte. Der schob seine Unterlagen hin und her, versuchte mit Handbewegungen zu verdeutlichen, was ihn in das Rathaus führte. Ohne Erfolg. Eine jüngere schwarzhaarige Frau sprach ihn in seiner Landessprache an. Aber auch sie verstand kein deutsch.

Unermüdlich redete der Mann weiter auf die Angestellte ein, indes die Warteschlange immer länger wurde. Die Sache begann ungemütlich zu werden. „Bringen sie bitte einen Dolmetscher mit. Ich verstehe sie nicht!“, vernahmen die Wartenden die verzweifelnden Worte der Frau, die mit den Schriftstücken nichts anzufangen wusste. Keine Verständigung. Nach einigem Hin und Her sah er wohl die Nutzlosigkeit seiner Sache ein, schüttele mit dem Kopf, griff nach seinen Unterlagen, murmelte was vor sich hin und eilte von dannen.

Ein junger Mann, ebenfalls mit Migrationshintergrund, war danach an der Reihe. Ein schon stark abgegriffenes Schriftstück legt er vor, das er wohl verlängert haben wollte. Zum Glück sprach er schon etwas deutsch, was die Sache erleichterte. Die Dame am Schalter nahm sich seiner separat an. Schon kurze Zeit später verließ er, mit sich und der Welt zufrieden, das Rathaus.

Jetzt war ich dran und befürchtete schon, drei Monate auf meinen neuen Ausweis warten zu müssen. Das hatte mir ein Bekannter prophezeit. Drei Monate werden es nicht, etliche Wochen schon. Im Landratsam soll es mit der Terminvergabe wesentlich schneller gehen. Das hatte man mir gesagt. In wenigen Tagen sei alles erledigt. Auch online. Ich werde es überprüfen.

Die junge Dame am Schalter und ihr Azubi tun mir leid. Ich möchte sie ausdrücklich verteidigen. Wer so etwas wie ich womöglich jeden Tag erlebt, sich zusätzlich noch unschönen Bemerkungen ausgesetzt sieht, hat nach Feierabend die Nase gestrichen voll. Die Schuld an langen Wartezeiten trifft nicht sie. Die Ratshausleute haben sicher ihre Argumente, die für die Situation herhalten. Aber sie sollten sich kritisch hinterfragen, ob die derzeitige Situation das Prädikat „Bürgerservise“ verdient.
Anton Adlerauge