Marie-Kathrin Haase übernimmt Leitung der Bibliothek

Die neue Herrin im Haus

Mittwoch
24.05.2023, 16:30 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
In der Nordhäuser Stadtbibliothek steht eine größere Veränderung an: die langjährige Leiterin Hildegard Seidel verabschiedet sich kommenden Monat in den wohlverdienten Ruhestand, für sie übernimmt eine junge Bibliothekarin aus Wernigerode…

Die neue Leiterin der Stadtbibiothek Marie-Kathrin Haase hat sich am neuen Arbeitsort schon gut eingelebt (Foto: agl) Die neue Leiterin der Stadtbibiothek Marie-Kathrin Haase hat sich am neuen Arbeitsort schon gut eingelebt (Foto: agl)


Das Bibliothekare den lieben langen Tag Bücher in Regale einsortieren, war schon immer ein Klischee. Das Bibliothekswesen muss deutlich mehr leisten als ein Aufbewahrungsort für gedruckte Literatur zu sein und dementsprechend umfangreich können auch die Aufgaben der Leitungsebene sein. Die Zahl studierter Fachleute ist in Deutschland dennoch überschaubar, in Nordhausen hat man nun das Glück, eine solche als neue Bibliotheksleiterin begrüßen zu dürfen.

Marie-Kathrin Haase stammt aus Wernigerode und hat auch hier ihre Ausbildung zur „FaMI“, der „Fachangestellten für Medien und Informationsdienste“, absolviert. Ihr Studium hat sie in Köln direkt angeschlossen, nach dessen Abschluss war sie in der Zittauer Bibliothek angestellt. Seit Mitte März arbeitet sich die angehende Hausherrin nun in der Nordhäuser Stadtbibliothek ein.

Die Liebe zu Buch und Bibliothek hat für Haase nicht mit Goethe, Schiller oder Shakespeare angefangen, sondern mit Comics und Mangas. „Darüber habe ich in jungen Jahren den Zugang zum Lesen gefunden. Dass ich danach in unserer eher überschaubaren Branche gelandet bin, lag auch am Zufall. Ich habe mich nach der Schule auf verschiedene Dinge beworben, beim FaMI hat es geklappt und ich hatte das Glück, dass ich darin auch meine Berufung gefunden habe“, erzählt Haase im Gespräch mit der nnz.

Der private Bücherschrank in den eigenen vier Wänden ist voll, den E-Reader hat sie immer in der Tasche, erzählt die Bibliothekarin weiter, die Alltäglichkeit eines Arbeitslebens zwischen Büchern hat der Liebe zum Lesen in der Freizeit keinen Abbruch getan. Fantasy stehe bei ihr immer noch hoch im Kurs, im Moment ist die „Hexer“ Reihe des polnischen Autors Andrzej Sapkowski dran, aber auch Biographien lese sie gerne, aktuell die von Queen Elizabeth II. „Lesen ist immer auch abschalten und ein Stück Alltagsflucht. Die meisten öffentlichen Bibliotheken legen nicht umsonst den Schwerpunkt auf die Unterhaltung. Krimis gehen zum Beispiel immer gut. Das bedeutet aber nicht, dass es in der Sachliteratur nicht auch Dauerbrenner gäbe. Ratgeber für Handarbeit und Kreatives werden gerne nachgefragt, nach der Pandemie vermehrt auch Bücher zu Ernährung und psychischer Gesundheit. Für eine Bibliothek ist es wichtig, den Überblick zu behalten. Wir müssen auf der einen Seite sehen, was auf dem Buchmarkt los ist und auf der anderen schauen, was im Haus stark nachgefragt wird. Danach wird dann entschieden, welche Bereiche ausgebaut werden sollen und wo man eventuell auch mal wieder reduzieren muss.“

In der Bibliothek zählt der Überblick, privat stehen Biographien und Fantasy hoch im Kurs (Foto: agl) In der Bibliothek zählt der Überblick, privat stehen Biographien und Fantasy hoch im Kurs (Foto: agl)


Der Trend zur digitalen Ausleihe wie der „Onleihe“ sei unübersehbar, das physische Buch verliere deswegen aber nicht an Bedeutung. „Gerade im Kinderbereich ist es unheimlich wichtig, die Haptik eines echten Buches zu erleben. Digital ist nicht automatisch besser. Es gibt Studien die gezeigt haben das Kinder, die allein mit Endgeräten wie Tablets groß werden und nur nach links und rechts wischen, später größere Schwierigkeiten haben, mentale Verknüpfungen herzustellen.“, erzählt Haase. Allgemeine pädagogische Angebote und allen voran die Leseförderung haben in den letzten Jahren im Bibliothekswesen stark an Bedeutung gewonnen. Die Bibliothek als „Dritter Ort“ soll ein freier Raum und Treffpunkt sein, unabhängig von finanzieller Gegenleistung, der insbesondere Schülern und Studenten die Möglichkeit gibt, gemeinsam zu lernen und sich auszutauschen. Ein Lernort Abseits von Schule und den heimischen vier Wänden. Für die Nordhäuser Bibliothek ist das kein Neuland, im Gegenteil, das Team um Noch-Bibliothekschefin Hildegard Seidel hat in den letzten Jahren viel Kraft in die pädagogische Arbeit gesteckt, von den „Leseäffchen“ bis zu Lese-Patenprogramm „Mentor“.

„Das Repertoire das hier aufgebaut wurde ist wirklich unheimlich groß“, freut sich Haase. Für sie gehe es im Moment noch darum, einen Überblick zu bekommen, ein paar neue Ideen habe man im Team aber auch schon diskutiert. „Wir haben schon ein wenig darüber gesprochen, wo es hingehen könnte. Da ist zum einen der Wunsch, den Zugang zu digitalen Datenbanken wie dem Munzinger Archiv über die Bibliothek zu ermöglichen und auszubauen. Eine andere Idee ist der Ansatz der „Bibliothek der Dinge“. Das bedeutet, dass man sich nicht nur Literatur ausleihen kann, sondern auch passende Objekte. Musik ist ein klassisches Beispiel. Sie sind neugierig und wollen sich ein bisschen in die Materie einlesen, können oder wollen sich aber nicht gleich festlegen und ein teures Instrument anschaffen. In einer „Bibliothek der Dinge“ kann man beides ausleihen - das passende Sachbuch und das Instrument.“

In Städten wie Erfurt und Dresden wird der Ansatz bereits praktiziert, neben Musikinstrumenten kann man sich hier auch Haushaltsmaschinen, Sportgerät oder Technik ausleihen. Nachdenken könne man auch über eine „Saatgut-Bibliothek“: im Frühjahr können sich Kleingärtner in ihrer Bibliothek (patentfreies) Saatgut ausleihen, mit einem Teil der Ernte kommt die „Ausleihe“ dann zurück ins Haus.

„Eine Bibliothek ist für mich ein Ort der Leidenschaft. Man hat mit Menschen Umgang, die Freude am Buch haben und die Spaß am Wissen und Erleben finden. Und damit fängt auch Lesekompetenz an. Da wo Kinder Spaß haben, werden sie auch gerne lernen.“, sagt die angehende Bibliotheksleiterin. Die neuen Medien, Brett- und Konsolenspiele, die beim jungen Publikum ungebrochen beliebten „Tonies“ und das Veranstaltungsprogramm sollen auch nicht zur kurz kommen.

Und auch Hildegard Seidel ist nicht aus der Welt, wenn sie zum Sommerfest am 9. Juni offiziell verabschiedet wird: über den Förderverein und auch als Lesepatin im „Mentor“-Programm wird sie dem Haus und seinen Gästen erhalten bleiben.
Angelo Glashagel