Tierhaltung bei Lipprechteröder Schäfer weiter in der Kriti

Vorwürfe gegen Veterinäramt werden lauter

Sonnabend
22.04.2023, 07:00 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Einen neuen traurigen Höhepunkt erreicht die seit Jahren von Tierschützern bemängelte Tierhaltung auf einem Schäferhof in Lipprechterode. Nachdem im Winter 2021 das Stalldach einstürzte und im Juli 2022 ein Lamm zum Sterben über den Zaun geworfen und von Tierschützern entdeckt wurde, kam es vor wenigen Wochen zu neuen, schweren Verstößen gegen das Tierschutzgesetz. Zuständig für den Betrieb ist das Nordhäuser Veterinäramt, das zunehmend unter Druck gerät …

Hunde lebten in katastrophalem Zustand in Lipprechterode (Foto: Jana Hoger/VOX/SD) Hunde lebten in katastrophalem Zustand in Lipprechterode (Foto: Jana Hoger/VOX/SD)

„Noch immer werden Hunde entgegen der gesetzlichen Vorgaben an Ketten dauerhaft gehalten. Ohne ausreichende Rückzugsmöglichkeiten und ohne isolierte Hundehütten sind die sensiblen Vierbeiner der Kälte im Winter und der Hitze im Sommer fast schutzlos ausgesetzt“, stellte die bekannte Tierschützerin Jana Hoger fest und prangerte in ihrer Fernsehsendung erneut die katastrophalen Zustände auf dem Hof an. Sie hatte bei einer Recherche tote Lämmer gefunden, die den Hunden zum Fraß vorgeworfen wurden. Im hinteren Teil des Geländes fand sie einen toten Hund, entsorgt auf dem Misthaufen.

Der Vorwurf richtet sich nun an das zuständige Amt in der Nordhäuser Kreisverwaltung, das seit über zwei Jahren mit den Problemen vertraut ist und dem Schäfer schon Auflagen erteilt hatte. Hoger beschuldigt das Veterinäramt Nordhausen, seit mehr als zwei Jahren der illegalen Tierhaltung in Lipprechtrode zugesehen, ohne notwendige Schritte eingeleitet zu haben. „Die Tierhaltung bei dem offensichtlich überforderten Schäfer lässt mich fassungslos zurück. Das Veterinäramt Nordhausen macht sich am Leid der Hunde mitschuldig, die seit Jahren in der tierschutzwidrigen Haltung vor sich hin vegetieren“, so Jana Hoger. „Wie kann es sein, dass ein Veterinäramt bei solch offensichtlichen Verstößen noch immer zum Schutz des Halters handelt und sich nicht für die Schutzbefohlenen einsetzt - die Tiere?“

Wiederum von Frau Hoger über den aktuellen Zustand informiert stellte das hinzugezogene Veterinäramt die Hunde noch am gleichen Tag sicher und führte eine ausführliche Kontrolle auf dem Grundstück durch. Doch anders als Jana Hoger schätzt das Amt auf nnz-Anfrage die Lage folgendermaßen ein: „Auf dem Gelände der Stallanlage wurden vier Hütehunde gehalten. Drei Hunde waren freilaufend in Auslaufhaltung, ein Hund in Anbindehaltung an einer Laufleine. Die Hunde befanden sich bei gutem Allgemeinbefinden in schlechtem Pflegezustand und mäßigem Ernährungszustand. Sie waren aufmerksam, freundlich, ohne Verhaltensauffälligkeiten.“

Allerdings nahmen die Beamten alle vier Hunde mit und gaben dem Schäfer anschließend nur zwei wieder zurück. „ Aufgrund der vorgefundenen Missstände der Hundehaltung (Laufleinenhaltung eines Hundes, fehlende trockene, verformbare Liegeflächen) wurden die Hunde zeitweilig anderweitig untergebracht“, heißt das in Beamtendeutsch. Das Veterinäramt stellte jedoch Strafanzeige und beauflagte den Tierhalter, die Mindestanforderungen der gültigen Tierschutz-Hundeverordnung einzuhalten. Dazu gab es eine Zielvereinbarung mit dem Schäfer, das Verbot der Anbindehaltung sofort umzusetzen. Das gelang aber nicht und das Amt bekennt, dass der Wechsel von Anbinde- in Laufleinenhaltung „schon vor deren Inkrafttreten am 1. Januar 2023 umgesetzt werden (sollte). Dies gelang nur teilweise.“

Jana Hoger ist wenigstens über einen Teilerfolg froh, denn zwei der sichergestellten Hunde konnten gerettet werden und sind mittlerweile in einem neuen Zuhause untergebracht. „Beide haben Familienanschluss und haben endlich das, was jeder Vierbeiner verdient hat: ein liebevolles Zuhause, in welchem sie mit Respekt und Liebe behandelt werden“, so Hoger.

Tote Lämmer dienten als Hundefutter (Foto: Jana Hoger/VOX/SD) Tote Lämmer dienten als Hundefutter (Foto: Jana Hoger/VOX/SD)

Das Veterinäramt ließ uns zusätzlich wissen, dass eine für den Sommer geplante personelle Veränderung in der Schafhaltung bei der Abwägung Berücksichtigung gefunden habe. Außerdem könne eine Wanderschafhaltung nur mit ausgebildeten Hütehunden tierschutzgerecht durchgeführt werden. Weshalb entschieden wurde „dass sich der Tierhalter auf die notwendige Mindestzahl von zwei Hütehunden beschränkt und diese nach den Anforderungen des Tierschutzgesetzes und der Tierschutz-Hundeverordnung hält.“

Diesen Wunsch äußerte das Veterinäramt allerdings vor zwei Jahren schon genau so wie heute. Die Tierschützerin fordert, dass alle Hunde aus der Haltung gerettet und adäquat und tierschutzkonform untergebracht werden. Sie bietet an, bei der Vermittlung der Tiere zu helfen. Das Veterinäramt seinerseits will die Umsetzung der Auflagen engmaschig kontrollieren. Bei Nichteinhaltung der Auflagen droht dem Hundebesitzer eine „dauerhafte anderweitige Unterbringung der Tiere“, wie es in der Antwort auf unsere Anfragen heißt. Die Nichteinhaltung der Tierschutz-Hundeverordnung wird im Ordnungswidrigkeitsrecht verfolgt. Die fehlende Beseitigung des toten Hundes und der vermutlich gestorbenen Lämmer wird nach den gesetzlichen Bestimmungen für tierischen Nebenprodukte ebenfalls geahndet, versicherte das Veterinäramt. Beim Kontrollgang fanden die Mitarbeiter, neben den als Hundefutter dienenden, noch weitere Schafskadaver.

Der Vorwurf der Tierschutzaktivistin, das Amt setze sich intensiver für den Schutz des Schäfereibetriebes als für die Tiere ein, mag eine subjektive Betrachtung sein. Angesichts der verstörenden Bilder vom Hof des Schäfers bleiben aber einige Fragen offen. So verzichtete das Landratsamt auch auf die Beantwortung unserer Fragen, wie oft in den letzten zwei Jahren der Betrieb kontrolliert wurde und warum dem Mann die Tierhaltung bei so eklatanten Verstößen gegen den Tierschutz und gültige Gesetze nicht untersagt wird. Andere Stellen im Landratsamt wenden die bestehende Rechtslage nachweislich äußerst konsequent an.
Olaf Schulze