Wie läuft das Disziplinarverfahren ab?

Der Paukenschlag

Montag
03.04.2023, 16:26 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Die Nachricht, dass der Nordhäuser Oberbürgermeister Kai Buchmann seines Amtes enthoben wurde, hat am vergangenen Freitag große Wellen geschlagen. Details zu den Vorgängen sind weiter rar gesät, klar scheint bisher allein das Prozedere…

Gegen den Nordhäuer Oberbürgermeister läuft derzeit ein Disziplinarverfahren (Foto: succo/pixaby.com) Gegen den Nordhäuer Oberbürgermeister läuft derzeit ein Disziplinarverfahren (Foto: succo/pixaby.com)

Der Paukenschlag im Nordhäuser Rathaus am vergangenen Freitag hat für viele Fragen gesorgt, von denen die meisten auch heute noch nicht beantwortet werden können. Die zuständigen und betroffenen Stellen hüllen sich weiter in Schweigen - laufendes Verfahren, kein Kommentar - oder sind für die Presse gar nicht erst zu erreichen.

Im Trubel der Ereignisse herrschte zuletzt auch einige Verwirrung zu den formalen Aspekten des Verfahrens. So liegt den Ermittlungen, die bereits seit Februar vergangenen Jahres laufen, keine Dienstaufsichtsbeschwerde zu Grunde. Eine solche kann von jedem Bürger als formloser Rechtsbehelf gegen Behörden oder Amtsträger vorgebracht werden.

Der Entfernung des OB Buchmann aus dem Rathaus erfolgte hingegen durch ein Disziplinarverfahren von Amts wegen nach dem Thüringer Disziplinargesetz, genauer hier nach Paragraph 42.

Darin heißt es: Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach Einleitung des Disziplinarverfahrens einen Beamten vorläufig des Beamtenverhältnis entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder die Aberkennung des Ruhegehalts verhängt werden wird […] Eine vorläufige Dienstenthebung ist auch dann möglich, wenn durch den Verbleib des Beamten im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung im Vergleich zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht.

Das Gesetz sieht eine Reihe an Disziplinarmaßnahmen vor:
  • Verweis
  • Geldbuße
  • Kürzung der Dienstbezüge
  • Zurückstufung
  • Entfernung aus dem Beamtenverhältnis
Eine Zurückstufung ist im Falle eines Wahlbeamten nicht möglich. Weiter heißt es im Gesetz: Die Disziplinarmaßnahme soll vorrangig danach bemessen werden, in welchem Umfang der Beamte seine Pflichten verletzt und das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat; das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. […] Ein Beamter, der durch ein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, soll aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden.

Oberbürgermeister Buchmann wurde bisher lediglich vorläufig seines Dienstes enthoben. Die Anordnung dazu "wird mit der Zustellung wirksam und vollziehbar“, genau das ist am vergangenen Freitag geschehen. Damit es soweit kommt, müssen aber bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.

Voraussetzungen und Folgen
Damit ein Verfahren überhaupt eingeleitet werden kann, bedarf es „konkerte(r) Anhaltspunkte […] die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen“. Weiter heißt es im Gesetz, dass der Beamte über die Einleitung des Disziplinarverfahrens zu unterrichten sei, sobald dies „ohne Gefährdung der Sachverhaltsaufklärung“ möglich ist, auch wird Akteneinsicht gewährt. Es besteht weiterhin die Möglichkeit sich anwaltlich vertreten zu lassen, wovon der Nordhäuser Oberbürgermeister auch Gebrauch gemacht haben soll.

Für die Beweisführung werden:
  • Schriftliche dienstliche Auskünfte eingeholt
  • Zeugen und Sachverständige vernommen oder schriftliche Äußerungen eingeholt
  • Urkunden und Akten eingesehen
Weiterhin hat der Beamte auf Verlangen „dienstliche Schriftstücke, Aufzeichnungen und sonstige amtliche Unterlagen, die als Beweismittel von Bedeutung sein können, für das Disziplinarverfahren zur Verfügung zu stellen“.

Dass es im Zuge der Ermittlungen Anhörungen gegeben hat, ist sicher. Relevante Personen, die Aufgrund der Aktenlage bekannt waren, wurden befragt, mindestens zwei stammen aus den Reihen des Stadtrates. Ob darüber hinaus aber weitere Personen aus der Verwaltung oder dem Rat angehört wurden, steht im Moment noch nicht fest. Auch konnte bisher nicht geklärt werden, ob sich die Ermittlungen alleine gegen den Oberbürgermeister richten, oder diese im Rathaus möglicherweise weitere Kreise gezogen haben könnten.

Theoretisch kann das Verwaltungsgericht auf Antrag durch Beschluss auch Durchsuchungen und Beschlagnahmungen anordnen. Das dürfte bisher aber nicht der Fall gewesen sein, da der Vorgang am vergangenen Freitag noch nicht beim zuständigen Verwaltungsgericht in Meiningen anhängig war.

Hier oder vor der nächsthöheren Instanz wird die Geschichte aller Wahrscheinlichkeit nach auch enden. Denn wird das Verfahren nicht durch Einstellung oder Erlass einer Disziplinarverfügung abgeschlossen, ist Disziplinarklage vor dem Verwaltungsgericht zu erheben. Die vorläufige Dienstenthebung kann erst enden, wenn ein rechtskräftiger Abschluss des Disziplinarverfahrens erreicht wurde.

Bis dahin wird der Oberbürgermeister, trotz vorläufiger Enthebung, weiterhin bezahlt. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass ein Teil der Bezüge, im Maximum die Hälfte, einbehalten werden kann, „wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis […] erfolgen wird“. Ob dies im Nordhäuser Fall geschieht, ist aktuell nicht bekannt.
Angelo Glashagel