Ein Kommentar zum Kommentar wegen Kommentaren

„Kommentare sind gut, Hilfe wäre besser“

Mittwoch
15.03.2023, 19:35 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Gestern hatten wir hier den Umstand kommentiert, dass ein eben aufgestelltes Historienschild mitten in der Kreisstadt Nordhausen nach einer Woche schon nicht mehr steht, sondern umgehauen auf der Wiese liegt. Oder umgefallen? Oder umgeweht? Oder ermüdet zusammengebrochen? …

Immer noch umgelegtes Schild (Foto: P.Blei) Immer noch umgelegtes Schild (Foto: P.Blei)

Auf private Initiative einer Interessengemeinschaft, die den Weg der geschlagenen preußischen Armee im Jahre 1806 nach der verlorenen Schlacht bei Jena/Auerstedt bis hoch nach Prenzlau nachzeichnen will, fanden sich lokale Sponsoren für ein kulturgeschichtliches Projekt in Form eines Historienschildes. Das stand gerade eine Woche, ehe es zum Erliegen kam. Als wir die Fotos von Peter Blei gestern bekamen mutmaßte ich, dass es sich um rohe Gewalt gehandelt habe, die das Gedenkschild in die Waagerechte versetzte. Einige unserer Kommentatoren sehen das jedoch anders: „Materialermüdung“ wird ebenso als Grund des Umknickens ins Feld geführt wie „billigster Schrott aus dem Billigladen“ oder gar „Trompetenblech“ als Einschlaghülsen. Neben den Metallurgen, die sich nach Ansicht des Fotos zu Wort meldeten, traten auch einige „Klimaexperten“ in der Kommentarspalte auf, die „stürmisches Wetter“ und „etwas Wind“ als Ursache des Kollabierens ausmachen konnten. Und überhaupt: „Jeder gelernte Schlosser hätte die Anker selber gebaut“, weiß ein Kommentator. Da staune ich als Laie, wie sich die Fachmänner so wundern können.

Um ein wenig Licht in den unsäglichen Pfusch am Bau zu bringen konfrontierte ich den Sprecher und Initiator des Historienwanderweges, Herrn Stefan Hückler mit der vorgebrachten Kritik. Erstaunlicherweise zeigte er sich erstaunt. „Ich habe mit ehrenamtlichen Helfern schon mehr als 50 Infotafeln auf der Strecke zwischen Auerstedt und Prenzlau aufgestellt, von denen noch keine, aus welchen Gründen auch immer, umgefallen ist.“ Und weil der Herr Hückler ein richtiger, schlagfertiger Berliner ist, schiebt er gleich nach: „Übrigens Glas kann man auch mit einem Stein einschlagen; aber keiner kommt auf die Idee, seine Fenster mit viel stabileren Steinen zuzumauern. Man geht eher davon aus, dass die zivilisierten Mitbürger nicht alles zerstören, was ihnen unter die Finger kommt.“

Bei den verwendeten Materialien, so klärt mich Stefan Hückler auf, handelte es sich um zertifiziertes Bauholz und auch die Einschlaghülsen sind für die Errichtung von Zäunen zertifiziert. Damit sie eine ordentliche Standfestigkeit erreichen sind sie zu zwei Dritteln in die Erde eingegraben, in die vorher Beton gefüllt wurde. In etwa also vergleichbar dem Bau von Windrädern zur Erzeugung von grünem Strom (nur dass bei den Historienschildern nicht ganz so viel Fläche wie beim licht- und wärmespendenden Windrad versiegelt wird).

Die Hülsen verfügen über vier Schweißnähte und sind laut Herrn Hückler „normalerweise unkaputtbar“. Er räumt aber ein, dass bei brachialer Gewalteinwirkung mit mehreren Kilopond irgendwann die Hüllen abknicken könnten. Weil der Mann offenbar Vergleiche liebt, führt er wieder ein Beispiel an. „Für die noch geplante Steinstele, die von der Firma Granitbau übrigens kostenlos dort installiert wird, kann auch keiner eine Haltbarkeitsgarantie übernehmen, wenn mit dem Vorschlaghammer darauf eingedroschen wird.“

Nun haben im Regelfall die wenigsten Zeitgenossen einen Vorschlaghammer dabei, wenn sie an der Zorge spazieren gehen. Was die Überlebenschancen des Granitsteins entscheidend erhöhen dürfte. Hückler und seine Truppe freiwilliger Geschichtsenthusiasten sind inzwischen im Harz unterwegs und beehren auch Stiege, Friedrichsbrunn und andere Orte mit ihren Schildern, sofern sich Sponsoren finden, die das dafür benötigte Material finanzieren. So wie das in Nordhausen Axel Heck, die Firma Granitbau und auch die Traditionsbrennerei getan haben. Die Arbeitsleistung der Initiative bleibt aber ehrenamtlich, denn den Mitgliedern ist es wichtig, an diese Zeit zu erinnern, die den Krieg in den Harz trug und den Menschen Entbehrungen und Tod aufbürdete, wo immer sich der Tross der preußischen und französischen Streitkräfte lang wälzte.

Stefan Hückler ist auch ein pragmatischer Mensch und so freut er sich darüber, dass in der nnz eine solche Menge fachkundiger Schilderbauer aktiv ist. Er lädt diese Kritiker mit den Worten: „Kommentare sind gut, Hilfe wäre besser“ ein, sich am nächsten Gedenkpunkt in Harzrigi mit einzubringen und ihre praktische Expertise in den Dienst der Erinnerung bzw. der kulturellen Bereicherung zu stellen. Den Kontakt zur „Interessengemeinschaft Historienwanderweg 1806“ vermitteln wir gern.
Olaf Schulze