Bildungsstudie im Zehn-Jahres-Vergleich

Anteil der Jugendlichen ohne Schulabschluss weiter hoch

Montag
06.03.2023, 06:01 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Zehntausende junge Menschen beenden jährlich die Schulzeit, ohne einen Hauptschulabschluss zu erreichen. Trotz Fortschritten in einzelnen Bundesländern ist es nicht gelungen, diesen Anteil zu senken, so dass Ergebnis einer Studie der Bertelsmann-Stiftung…

Um die Chancen der Jugendlichen auf eine Ausbildung zu verbessern, braucht es eine frühe Förderung im Unterricht und einen besseren Informationsaustausch zwischen Schul- und Sozialbehörden.
Noch immer beenden in Deutschland Zehntausende Jugendliche die Schulzeit, ohne zumindest den Hauptschulabschluss zu erwerben. Im Jahr 2021 traf dies auf rund 47.500 junge Menschen zu, was einem Anteil von etwas mehr als sechs Prozent an allen gleichaltrigen Jugendlichen entspricht.

Wie der Zehn-Jahres-Vergleich zeigt, stagniert die Quote der Jugendlichen ohne Schulabschluss seit 2011 auf diesem Niveau. Das geht aus einer neuen Auswertung hervor, die der Bildungsforscher Klaus Klemm im Auftrag der Bertelsmann Stiftung vorgenommen hat. „Jeder junge Mensch ohne Schulabschluss ist einer zu viel. Denn das bedeutet deutlich schlechtere Zukunftsaussichten für die Betroffenen. Un- sere Gesellschaft kann es sich angesichts des wachsenden Fachkräftemangels nicht leisten, diese Personen durchs Raster fallen zu lassen“, sagt Klaus Klemm.

Die Analyse umfasst alle Jugendlichen, die zum Ende ihrer Pflichtschulzeit keinen Schulabschluss erhalten. In dieser Gruppe befinden sich mit 60 Prozent mehr Jungen als Mädchen. Zudem sind junge Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft fast dreimal so oft vertreten wie Gleichaltrige mit deutscher Staatsangehörigkeit (13,4 zu 4,6 Prozent). Jede:r zweite Jugendliche ohne Hauptschulabschluss war in einer Förderschule. Der Blick auf die Länder- ebene zeigt, dass sich der Anteil der Absolvent:innen ohne Abschluss zwischen den Bundesländern deutlich unterscheidet. Verlassen in Bayern lediglich 5,1 Prozent aller Abgänger:in- nen die Schule ohne Abschluss, sind es in Bremen mit 10 Prozent anteilig fast doppelt so viele. Größere Unterschiede lassen sich zudem im Zeitverlauf erkennen: Während die Quote in Bremen, Rheinland-Pfalz und im Saarland seit 2011 gestiegen ist, ist sie im selben Zeitraum in Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und am deutlichsten in Mecklenburg-Vorpommern gesunken.

Ungelernte drohen in der modernen Arbeitswelt abgehängt zu werden
„Trotz positiver Entwicklungen in einzelnen Bundesländern ist es in den vergangenen zehn Jahren insgesamt nicht gelungen, den Anteil junger Menschen ohne Schulabschluss zu reduzieren“, sagt Nicole Hollenbach-Biele, Expertin für schulische Bildung bei der Bertelsmann Stiftung. Das sei insbesondere deshalb ein Problem, weil die moderne Arbeitswelt immer komplexere Anforderungen stelle. Wer ohne Abschluss die Schule verlasse, habe ein höhe- res Risiko, in prekären Beschäftigungsverhältnissen zu landen. Dass Jugendliche ohne Schulabschluss kaum Chancen auf eine Ausbildung haben, belegen Daten aus dem jüngs- ten Berufsbildungsbericht. Demnach sind zwei Drittel der jungen Erwachsenen zwischen 20 und 34 Jahren, die keinen Schulabschluss erreicht haben, ohne Berufsausbildung. Das hat Folgen: Die Arbeitslosenquote ist bei ungelernten Personen fast sechsmal so hoch wie bei Personen mit Berufsausbildung.

Lernrückstände früher erkennen, erlernte Kompetenzen besser erfassen
Um Jugendlichen künftig bessere Perspektiven zu geben, empfiehlt die Bertelsmann Stiftung Maßnahmen auf zwei Ebenen: An den Schulen selbst sollten die besonders leistungsschwachen Schüler:innen im Unterricht bestmöglich gefördert werden. Hier können digitale Anwendungen helfen, Lernrückstände frühzeitig zu erkennen und Schüler:innen in ihrem Lernprozess individuell zu begleiten. Zudem ist es sinnvoll, erlernte Kompetenzen über das klassische Abschlusszeugnis hinaus zu dokumentieren. „Alle Schüler:innen, auch Jugendliche ohne Abschluss, erwerben im Laufe ihrer Schulzeit eine Vielzahl von fachlichen und über- fachlichen Kompetenzen, die überhaupt nicht sichtbar werden. Dabei wären genau diese Informationen wichtig, um auch ohne formalen Schulabschluss die Chancen auf eine Ausbildung zu verbessern“, betont Hollenbach-Biele.