Fachkräfte aus dem Ausland

Erfolg braucht Vorbereitung und Begleitung

Dienstag
28.02.2023, 11:30 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Gut 6.000 Kilometer trennen Tamir Baatsengel von seiner Heimat. Der 18jährige hat im vergangenen Jahr seine Ausbildung bei Schachtbau in Nordhausen begonnen. Die Sache läuft gut, auch Dank der Zusammenarbeit und Vorbereitung mehrerer Stellen. Das Beispiel soll anderen Unternehmen nun Mut machen, es Schachtbau gleich zu tun…

Alle an einem Strang: die Herren Zimprich und Gottwald kümmern sich bei Schachtbau um ihre Auszubildenden, die Damen Keller und Gaßmann von der FAV suchen die passenden Kandidaten im Ausland und finden im besten Fall junge Leute wie Tamir Battsengel, was am Ende auch IHK Chef Böduel freut (Foto: agl) Alle an einem Strang: die Herren Zimprich und Gottwald kümmern sich bei Schachtbau um ihre Auszubildenden, die Damen Keller und Gaßmann von der FAV suchen die passenden Kandidaten im Ausland und finden im besten Fall junge Leute wie Tamir Battsengel, was am Ende auch IHK Chef Böduel freut (Foto: agl)


Insgesamt 60 Auszubildende finden sich in den Reihen der Schachtbau-Mitarbeiter, zwei hat man im Ausland angeworben. Keine Zahl, die mit einem Schlag die Fachkräftesorgen im Unternehmen zerstreuen würde, aber ganz ohne Zuzug wird es in Zukunft nicht mehr gehen. Der Bedarf ist hoch, die Zahl der Bewerber rückläufig und das obwohl in der Branche das Zugangsniveau in der Vergangenheit bereits abgeschwächt wurde, berichtet Rene Zimprich, Personalchef bei Schachtbau.

Man kommt nicht umhin, sich auch anderswo umzusehen. Vor einigen Jahren machte der Konzern hier erste Gehversuche, bildete einige Ukrainer für die eigenen Reihen aus, nun wandert der Blick auch in Richtung Kasachstan und die Mongolei. Letztere ist die Heimat von Tamir Battsengel. Der Jugendliche hat mit 18 Jahren die Metropole Ulan Bator gegen den beschaulichen Südharz getauscht, um hier Stahlbau zu lernen. Seine Familie besteht aus Bauingenieuren und Architekten, erzählt er, und unter denen steht das deutsche Ingenieurswesen hoch im Ansehen, sodass er schon seit der dritten Klasse Deutsch gelernt hat.

Entsprechend gut kann sich der junge Mann verständigen und kommt auch vor neugierigen Journalisten kaum ins straucheln. Freilich, der Kulturschock zwischen Asien und Europa sei im ersten Monat hart gewesen, erzählt Tamir. Inzwischen hat er aber Anschluss bei Basketball und Volleyball gefunden, schätzt die Ruhe und die Nähe zur Natur und kommt auch mit der Deutschen Bahn klar, wenn es zum „durchlernen“ an die Berufsschule nach Erfurt geht.

Junge Leute wie Tamir sollen für die Nordhäuser nicht nur vereinzelte Glücksgriffe bleiben, auf der Suche nach neuen Arbeitskräften hat man sich deswegen mit „FAV Service“ zusammengetan, die ihre Fühler aktuell für etwa 50 Thüringer Unternehmen international ausstreckt. Rund 130 Azubis habe man so in den letzten fünf Jahren vermitteln können, berichtet Carmen Keller, Regionalleiterin für Nord-West-Thüringen. Die Erfolgs- und Abschlussquote könne sich mit 90 Prozent sehen lassen.

Grundlage dafür sind gute Kontakte und Werbung vor Ort, eine rigorose Vorauswahl - ein überzeugendes Bewerbungsgespräch auf Sprachniveau B2 ist zwingend notwendig - sowie die Begleitung der jungen Leute bei ihren ersten Schritten in der Fremde und klaren Anforderungen an die Unternehmen. Qualität müsse man nicht nur von den Auszubildenden erwarten, sondern auch von den Firmen. Das fängt bei der Vergütung an, das Einkommen muss die Jugendlichen in die Lage versetzen, ihre Ausgaben auch bestreiten zu können, denn staatliche Leistungen wie Wohn- oder Kindergeld stehen den EU-Ausländern nicht zu. Wenn es darum geht, sich tausende Kilometer fernab der Heimat ein Leben aufzubauen, ist Geld aber nicht alles. Schachtbau sorgt etwa dafür, dass Auszubildende in gemeinsamen WG’s unterkommen, sodass Tamir und Kollegen im Alltag nicht ganz auf sich alleine gestellt sind. Die FAV wiederum übernimmt neben der Abwicklung der bürokratischen Hürden auch die Begleitung auf den ersten Schritten im neuen Land, von der Ankunft bis zur Wohnungstür und darüber hinaus.

Die Größe des Unternehmens sei kein Hinderungsgrund, auch kleinere und mittlere Betriebe könnten von engagierten Auszubildenden aus dem Ausland profitieren, wenn man sich denn traut. „Die Frage ist am Ende, wie aufgeschlossen bin ich das zu tun. Wenn man bereit ist mitzuziehen und sich zu kümmern, dann ist das kein Problem“, sagt Keller. Just habe man zwei junge Damen bei einer kleinen Firma in Schlotheim untergebracht und auch hier stehe die Sache gut.

Die Zusammenarbeit zwischen Schachtbau und FAV sieht man auch bei der Industrie- und Handelskammer gerne. Die Fachkräfteproblematik brennt dem Verband unter den Nägeln. Beispiele wie die von Tamir, gebe es viele, nur höre man selten davon, sagt Christian Böduel, Leiter der Nordthüringer IHK und hofft, das so auch andere Unternehmen ermutigt werden können, sich in neue Territorien vorzuwagen.
Angelo Glashagel