Stiftung Warentest zu Senioren­zuschläge in der Auto­versicherung

Teuer am Steuer

Dienstag
14.02.2023, 08:19 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Steigen Versicherungs­beiträge im Alter, können sich Fahre­rinnen und Fahrer nicht dagegen wehren. Was ihnen bleibt, sind Spar­möglich­keiten: Sie können die Versicherungs­prämie durch verschiedene Stell­schrauben nach unten drehen, das Auto auf eine andere Person versichern oder den Anbieter wechseln – sollten dabei aber kleine Stolper­steine beachten...

Wir klären auf und erläutern Strategien, um die Auto­versicherung auch im Alter einigermaßen günstig zu halten. Die Beiträge steigen übrigens nicht bei allen Versicherern gleich. Unsere Stich­probe bei fünf güns­tigen Anbietern offen­bart teils ordentliche Unterschiede.

Das Wichtigste in Kürze

Preis­zuschläge in der Kfz-Versicherung: Das müssen Siewissen

Anstieg. Die Auto­versicherung wird etwa ab Mitte 50 sukzessive teurer. Unsere Stichprobe bei fünf Versicherern zeigt: Inner­halb von 25 Jahren steigen die Beiträge durch­schnitt­lich um 100 Prozent.

Zulässig. Betroffene können sich gegen die Preis­anstiege nicht wehren. Ältere Menschen verursachen tatsäch­lich häufiger Schäden, daher dürfen Versicherer die Beiträge für sie entsprechend höher kalkulieren.

Sparen. Versicherte können den Preis­anstieg durch Spar­möglich­keiten etwas abfedern. Zum Beispiel durch die Anpassung der Zahl­weise, jähr­lichen Fahr­leistung oder Werk­statt­bindung. Auch die Versicherung des gemein­samen Autos auf einen jüngeren Partner bringt ordentlich Beitrags­ersparnis. Wie es geht, erklären die Versicherungs­expertinnen der Stiftung Warentest weiter unten im Text.

Wechseln. Die Preis­unterschiede in der Auto­versicherung sind enorm. Der Wechsel zu einem güns­tigeren Anbieter kann Hunderte Euro pro Jahr sparen. Ein individueller Tarif­vergleich lohnt – etwa mit unserem Onlinerechner.
Im Test: Alters­zuschläge in der Kfz-Versicherung

Fünf Versicherer im Vergleich
Wir haben über­prüft, wie sich Kfz-Versicherungs­prämien mit zunehmenden Alter verteuern. Dafür haben wir Beiträge bei fünf Versicherern ermittelt. Ausgewählt haben wir Anbieter, die in unserer letzten Unter­suchung vergleichs­weise günstig waren (CosmosDirekt, Europa, Huk24, VHV, WGV).

Die ermittelten Beiträge gelten für eine Modellkundin, die zwischen 55 und 80 Jahre alt ist. Damit die Preise vergleich­bar sind, haben wir ihr unterstellt, trotz steigendem Alter konstant in Schadenfreiheitsklasse 35 zu bleiben.

Die Preis­anstiege bei unseren fünf Tarifen betragen durch­schnitt­lich 100 Prozent. Jedoch kalkulieren die Versicherer ihre Beiträge sehr unterschiedlich: Während die Prämien bei CosmosDirekt inner­halb der 25 Jahre ab 55 „nur“ um 84 Prozent steigen, erhöht die Huk24 sogar um 124 Prozent. Für unsere Modell­kundin bleibt die Huk24 dennoch güns­tiger – zumindest, solange sie nicht älter als 75 Jahre alt ist.

Schadenfrei­heits­klassen federn ab
Preis­anstiege von 100 Prozent klingen zunächst drastisch, ganz so schlimm ist die Realität aber nicht: Bis zum 80. Lebens­jahr zahlen Versicherte oft trotzdem weniger, als Personen zwischen 27 und 41 Jahren.

Der Grund: Ältere Fahre­rinnen und Fahrer haben häufig eine sehr hohe Schadenfrei­heits­klasse (SF), die sie sich über Jahr­zehnte hinweg erfahren haben. Beispiel: 35 schadenfrei gefahrene Jahre bringen rund 80 Prozent Beitrags­ersparnis.
Längere Rabatt­staffeln lohnen kaum

Wer länger als 35 Jahre unfall­frei fährt, bekommt trotz steigender Schadenfrei­heits­klasse kaum weitere Extra­prozente.

Zwar haben viele Versicherer ihre Rabatt­staffeln verlängert – einzelne sogar bis SF-Klasse 60: Der Rabatt steigt ab SF-Klasse 35 aber nur noch wenig. Kundinnen und Kunden können sich in den 25 Jahren ab Schadensfrei­heits­klasse 35 durch­schnitt­lich nur 5 Extra­prozent Rabatt erfahren.


Versicherte können sich gegen die alters­bedingt steigenden Beiträge nicht wehren: Es liegt keine Alters­diskriminierung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungs­gesetzes vor. Weil ältere Menschen tatsäch­lich häufiger Schäden verursachen, dürfen Versicherer ihre Beiträge entsprechend kalkulieren.

Was Versicherten bleibt, sind verschiedene Sparmöglichkeiten: Sie können den eigenen Tarif optimieren (Spartipp 1), auf einen Telematik­tarif umsteigen (Spartipp 2) oder das gemein­same Auto auf den jüngeren Partner versichern (Spartipp 3).

Bleibt die eigene Prämie trotz Spartipps vergleichs­weise teuer, lohnt der Wechsel zu einem günstigeren Anbieter.
Spartipp 1: Den eigenen Tarif optimieren

Im eigenen Versicherungs­vertrag finden sich einige Stell­schrauben, um den Beitrag nach unten zu drehen.

Fahr­leistung
Wer nicht mehr täglich zur Arbeit fährt, kommt womöglich auf weniger Kilo­meter pro Jahr, als er einst im Vertrag angegeben hat. Das wirkt sich auf den Beitrag aus. Fährt unsere Modell­kundin, als 70-Jährige beispiels­weise nur 8 000 Kilo­meter pro Jahr statt 15 000, zahlt sie bei unseren fünf Versicherern durch­schnitt­lich 50 Euro weniger. Versicherte können ihren Anbieter über die geringere Fahr­leistung per Telefon, E-Mail, Post oder ganz einfach online informieren.
Werk­statt­bindung. Wer einen Kasko-Tarif abge­schlossen hat und damit einverstanden ist, dass das eigene Auto nur in einer Werk­statt repariert wird, die der Versicherer empfiehlt, kommt auch güns­tiger davon. Unserer Kundin bringt das im Schnitt 40 Euro im Jahr.

Zahl­weise Versicherungs­beiträge jähr­lich zu zahlen, ist güns­tiger als vierteljähr­lich oder monatlich. Bei unserer Modell­kundin macht es durch­schnitt­lich 30 Euro aus, wenn sie jähr­lich statt vierteljähr­lich zahlt.
Nächt­licher Stell­platz. Ob das Auto nachts in der abgeschlossenen Einzel­garage oder am unbe­wachten Straßenrand parkt, wirkt sich dagegen höchs­tens gering­fügig auf den Preis aus. Je nach getestetem Tarif bringt das unserer Modell­kundin gar nichts, höchs­tens aber 18 Euro pro Jahr.

Selbst­behalt
Kasko-Tarife sind güns­tiger, wenn sich Versicherte am Schaden beteiligen. Wir empfehlen einen Selbst­behalt von 150 Euro in der Teilkasko und von 300 Euro in der Voll­kasko. Geringere Selbst­behalte sind teuer, höhere lohnen sich kaum.

Kasko
Ist ein Auto in die Jahre gekommen, braucht es womöglich keinen Kasko­schutz mehr. Damit kann sich der Beitrag mehr als halbieren. Die gesetzlich vorgeschriebene Haft­pflicht­versicherung zahlt allerdings keine Schäden am eigenen Auto. Kompromiss ist die Teilkasko: Sie zahlt, wenn das eigene Auto durch Diebstahl, Brand, Wild, Sturm, Hagel oder Überschwemmung beschädigt wird, aber nicht bei selbst verschuldeten Unfällen. Bei diesen zahlt nur die Vollkasko.

Tipp: Wichtiges zur Auto­versicherung und ihren Fach­begriffen erklären wir in unserem Special: Alles was Sie über die Kfz-Versicherung wissen müssen.
Spartipp 2: Tarif mit Telematik wählen

Telematik­tarife sind güns­tiger als herkömm­liche Kfz-Tarife. Bei ihnen zeichnet eine App, teils in Verbindung mit einem Sensor, das Fahr­verhalten auf. Gemessen werden unter anderem Geschwindig­keit, Beschleunigung und Brems­verhalten.

Je besser jemand fährt, desto mehr kann er oder sie beim nächsten Jahres­beitrag sparen – je nach Tarif oft 30 Prozent.

Wer sich für Telematik entscheidet, muss damit einverstanden sein, dass die Versicherung das eigene Fahr­verhalten auswertet, hat aber auch bei schlechtem Fahr­werten keinen Nachteil. Wir finden daher: Einen Versuch ist es wert.

Nachteil: Erst wenige Versicherer bieten Telematik an.

Tipp
Die Stiftung Warentest hat Telematik-Tarife getestet: Die meisten Tarife im Test sind auch für ältere Fahrer erhältlich: Unsere Testergebnisse zu Telematik.
Spartipp 3: Den Jüngeren versichern

Teilen sich zwei Menschen ein Auto und besteht zwischen ihnen ein größerer Alters­unterschied, kann es sich lohnen, wenn die Versicherung über den oder die Jüngere läuft.

Was das bringt, haben wir anhand unseres Modell­paars für die fünf Tarife unserer Stich­probe ermittelt. Die Tabelle zeigt: Bis zu 123 Euro pro Jahr bringt es, wenn das gemein­same Auto nicht auf die 70-jährige Fahrerin, sondern auf ihren 10 Jahre jüngeren Partner versichert wird. Voraus­gesetzt, beide haben die gleiche Schadenfrei­heits­klasse – in unserem Beispiel hat sich das Modell­paar gemein­sam SF-Klasse 35 erfahren.

Auswertung  (Foto: Stiftung Warentest) Auswertung (Foto: Stiftung Warentest)


Im Modell­fall versichert ein Paar den gemein­samen Pkw auf die 70-jährige Halterin (linke Spalte) oder den 60-jährigen Partner (rechte Spalte). Die ausgewählten Tarife bieten von uns in unseren letzten Tests (Finanztest 11/2022 und 12/2022) empfohlene Leistungen und sind im Schnitt günstig in Haft­pflicht und Voll­kasko für 70-jährige Modell­kunden, die in einem Ort mit mitt­lerer Regionalklasse wohnen.

Modell: VW Touran 2.0, 110 kW, 15 000 km im Jahr, nächt­licher Stell­platz: Straße, fest­gelegter Fahrer­kreis: Nur der Partner fährt auch. Tarif­leistungen unter anderem: 100 Millionen Euro Deckungs­summe in Haft­pflicht, freie Werk­statt­wahl, Verzicht auf Einwand „grobe Fahr­lässig­keit“, Tierbiss­schäden mit Folgeschäden, erweiterte Wild­schäden. Selbst­behalt: 300 Euro in Voll­kasko, 150 Euro in Teilkasko.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele Versicherer nur nach dem Alter des Versicherungs­nehmers fragen und nicht nach dem genauen Alter der mitfahrenden Partner oder Part­nerin. Einige Anbieter wollen nur wissen, ob alle Fahre­rinnen und Fahrer mindestens ein bestimmtes Alter haben (oft 25 Jahre).

In unserer Stich­probe fragt nur die VHV nach dem genauen Alter der mitfahrenden Person: Bei diesem Versicherer wird der Beitrag daher nicht güns­tiger, wenn das gemein­same Auto auf den jüngeren Fahrer versichert wird.

Tipps zum Tarifwechsel
Bleibt ein Tarif trotz umge­setzter Spartipps verhält­nismäßig teuer, lohnt ein Wechsel. Regel­mäßig Preise zu vergleichen empfehlen wir ohnehin immer.

Preise vergleichen
Die Preis­unterschiede in der Kfz-Versicherung sind enorm: Teurere Tarife kosten häufig fast dreimal so viel wie güns­tige. Unser individueller Versicherungsvergleich hilft Ihnen, einen güns­tigen Tarif zu finden.
Recht­zeitig kündigen

Die meisten Kfz-Policen verlängern sich jeweils zum Jahres­wechsel. Wer seinen alten Vertrag kündigen möchte, muss das bis zum 30. November erledigt haben.
Kein Annahme­zwang in Kasko-Tarifen

Für ältere Auto­fahrer gibt es kleine Stolper­steine zu beachten. So besteht bei Kaskopolicen kein Annahme­zwang. Das heißt, Versicherer dürfen Kundinnen und Kunden ablehnen – etwa aufgrund ihres Alters.

Aktuell schränken zwei Versicherer von vorn­herein ihre Tarife ein: ÖSA den Basis­tarif auf Personen bis 64 Jahre und Europa Go die Kasko-Tarife Basis sowie Komfort auf Personen bis 74 Jahre.
Rück­stufungs­praxis beachten

Ein Kriterium beim Tarifwechsel kann auch die Rück­stufungs­praxis im Schadens­fall sein. Bei einem Voll­kaskoschaden in SF-Klasse 35 gehen bei unseren fünf Beispiel­versicherern 11 Schadenfrei­heits­klassen verloren. Andere Versicherer hand­haben das womöglich anders.

Der Unterschied kann einige schadenfrei zu fahrende Jahre bedeuten. Das kann sich ordentlich auf den Beitrag auswirken. Insbesondere für Personen mit hoher SF-Klasse lohnt sich vor einem Wechsel daher ein Blick auf die Rück­stufungs­tabellen von Versicherern.
Schadenfrei­heits­klassen schützen

Da hohe Schadenfrei­heits­klassen teure Beiträge abfedern, gilt es diese gut zu bewahren. Dafür bieten viele Versicherer einen Rabatt­schutz an. Mit ihm gehen im Schadenfall zwar erst mal keine SF-Klassen verloren, dafür ist diese Zusatz­leistung aber teuer und beim nächsten Versicherungs­wechsel stuft der neue Anbieter oft trotzdem zurück.

Eine andere Möglich­keit, die eigene SF-Klasse zu schützen, ist Schäden selbst zu bezahlen – zumindest bis zu einer bestimmten Höhe.

Tipp:
Mit unserem Rückstufungsrechner können Sie berechnen, bis zu welcher Schadenhöhe sich das für Sie lohnt.

Für unsere Stich­probe haben wir fünf Tarife ausgewählt, die von uns in unseren letzten Tests (Finanztest 11/2022 und 12/2022) empfohlene Leistungen enthalten und im Schnitt günstig in Haft­pflicht und Voll­kasko sind.

Modell: Unsere Modell­kundin wohnt in einem Ort mit mitt­lerer Regionalklasse.

Pkw: VW Touran 2.0, 110 kW, 15 000 km im Jahr, nächt­licher Stell­platz: Straße.

Tarif­leistungen (unter anderem): 100 Millionen Euro Deckungs­summe in Haft­pflicht, freie Werk­statt­wahl, Verzicht auf Einwand „grobe Fahr­lässig­keit“, Tierbiss­schäden mit Folgeschäden, erweiterte Wild­schäden.

Schadenfrei­heits­klasse: 35 in Haft­pflicht und Voll­kasko.

Selbst­behalt: 300 Euro in Voll­kasko, 150 Euro in Teilkasko.