24 Stunden Laden in Görsbach öffnet kommende Woche

Der "Immer offen" Markt

Freitag
10.02.2023, 14:20 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
24 Stunden, sieben Tage die Woche - kommenden Donnerstag wird der erste „IO“ - Markt seine Pforten öffnen und zwar nicht im Zentrum des Landkreises, sondern im kleinen Görsbach. Die nnz hat dem neuen Laden vorab einen Besuch abgestattet...

Die Regale sind noch leer, die erste Ware aber schon da - Bürgermeisterin Angela Simmen und Unternehmer Marko Rossmann sehen der Eröffnung des IO-Marktes kommende Woche entgegen (Foto: agl) Die Regale sind noch leer, die erste Ware aber schon da - Bürgermeisterin Angela Simmen und Unternehmer Marko Rossmann sehen der Eröffnung des IO-Marktes kommende Woche entgegen (Foto: agl)


Der Ort zählt gerade 1030 Einwohner, ein kleines Durchgangsdorf zwischen Ost und West, wie es viele gibt. Man hat sich wacker gehalten seit der Wende, Fleischer, Friseur und Nagelstudio gibt es noch und ihr Bäckermeister hat das beste Brot weit und breit, sagen die Görsbacher. Das die Infrastruktur noch relativ intakt ist, ist schon lange keine Selbstverständlichkeit mehr und die letzten Jahre haben ihr übriges getan, um das viel diskutierte Stadt-Land Problem noch zu verschärfen.

Der alte Konsum und der gut gehende Getränkehandel im Ort haben ihre Pforten vor ein paar Jahren geschlossen, die Betreiber zog es nicht mehr hinter die Kasse sondern in den Ruhestand. Nachfolge Fehlanzeige. Man hat etwas experimentiert im Ort, erzählt Bügermeisterin Angela Simmen, ließ einen Einkaufs-Lkw kommen, der den Ort zwei mal die Woche ansteuerte. Aber das war es nicht, was die Görsbacher wollten, das Experiment lief eher schlecht als recht. Heute fahren viele nach Berga oder erledigen ihre Einkäufe auf dem Heimweg in Nordhausen oder Heringen.

Zufrieden geben wollte man sich mit der Situation aber nicht. Nach über zwei Jahren und einem veritablen Berg an Anträgen, Formularen und Genehmigungen, will man kommende Woche ein weiteres und vielversprechendes Experiment an der Start bringen: den ersten „IO“-Markt. „IO“ steht für „Immer offen“ und der Name soll Programm sein: ein volles Sortiment aus Waren des täglichen Bedarfs, 24 Stunden, 7 Tage die Woche, bargeldlos, automatisiert und dadurch (fast) ohne Personal. Die nötigen Fördermittel kommen aus dem Thüringer Landwirtschaftsministerium.

Und so soll es funktionieren: Einlass zum Markt erhält man mit den gängigen EC-Karten. Einmal drinnen sammelt man sich wie gewohnt die gewünschte Ware zusammen. An der Selbstbedienungskasse wird die eingescannt und bezahlt, dann gibt es einen kleinen Bon mit QR-Code, der die Tore nach draußen wieder öffnet. Wem nach alkoholischen Getränken ist, der muss sich, ähnlich wie am Zigarettenautomaten, zusätzlich mit "Perso" oder Führerschein ausweisen. Um Langfinger von vornherein abzuschrecken, sind im ganzen Laden gut sichtbare Kameras und Bildschirme angebracht.

Selbst ist der Kunde - bezahlt wird im "IO" Markt bargeldlos, nachdem man seinen Einkauf eingescannt hat (Foto: agl) Selbst ist der Kunde - bezahlt wird im "IO" Markt bargeldlos, nachdem man seinen Einkauf eingescannt hat (Foto: agl)


Auch wenn an der Kasse niemand sitzt, ist man nicht allein im "IO"-Markt, sagt Marko Rossmann. Die Feinheiten des Konzeptes und dessen Umsetzung liegen in seiner Hand. Der Unternehmer ist von Haus aus „Burgermeister“, sprich Gastronom und stößt via Internet auf das Anliegen der Görsbacher. Die laufen Ende 2021 noch gegen Wände, Verhandlungen mit einem möglichen Betreiber scheitern und es ist für die kleine Gemeinde nicht leicht, durch den bürokratischen Dschungel der Fördermittellandschaft zu navigieren. Rossmann bietet sich an, geht auf Erkundungsreisen und findet praktikable Vorreiter in Bayern und Baden-Württemberg. Schließlich verfällt man auf den Gedanken, eine Genossenschaft zu gründen. Die Görsbacher sollen nicht einfach nur einkaufen können, sie sollen auch vom Laden profitieren. Die Idee findet schnell Anklang, erzählt Rossmann, man zählt aktuell 200 Mitglieder und darf auf weitere Zugänge nach der Eröffnung hoffen. Bürgermeisterin Simmen ist erleichtert, dass man sich auf der Zielgeraden befindet und ihre Mitbürger das Projekt schon jetzt gut annehmen. „Da wird langsam gedrängelt, die Leute wollen das es endlich losgeht“, erzählt die Bürgermeisterin.

Für die Warenausstattung arbeitet man mit der Edeka-Gruppe zusammen und kann in der Theorie auf 20.000 Artikel zurückgreifen. Praktisch hat man für diese Fülle keine Platz, aber die grundsätzlichen Dinge soll es geben. Hinzu kommen regionale Erzeugnisse, etwa von „Munds Mühle“ oder dem so hoch geschätzten Bäckermeister Sievert. Auch das war ein Wunsch der Dorfgemeinschaft.

Die Vorteile liegen auf der Hand. „Es macht keinen Sinn, dass die Oma am Wochenende, weil sie ein Stück Butter braucht, mit dem Bus für 3,50 Euro nach Nordhausen fährt. Und wenn ich am Wochenende spontan grillen will, muss ich nicht extra zur Tankstelle“, sagt Silke Fissler. Als Marktleiterin wird sie zusammen mit Stellvertreterin Sina Sanftleben dafür sorgen das alles rund läuft im neuen Geschäft. Mehr Mitarbeiter braucht es nicht und ohne Kassenpersonal fällt der größte Kostenfaktor weg. Tankstellenpreise wird man hier nicht zahlen, versichert Rossmann.

Ganz ohne Mensch kommt der „IO“ Markt aber noch nicht aus. Gerade in den ersten Tagen werde man mit Rat und Tat zur Seite stehen, sagt Sanftleben. „Wir werden als Ansprechpartner da sein, falls es Schwierigkeiten gibt, für viele wird das Neuland.“ Einquartiert hat sich das Duo im kleinen Imbiss neben dem neuen Markt, eine weitere Filiale von Rossmanns „Burgermeister“. Außerdem habe man über die Kameras jederzeit die Möglichkeit zu sehen, was im Markt los ist.

Die ersten Kunden erwartet man am kommenden Donnerstag, den 16. Februar. Bis dahin hat man noch einen Endspurt hinzulegen. Und es ist gut möglich das dass Ziel dann nur eine Etappe für den „IO“-Markt sein wird, denn auch andere Gemeinde des Kreises haben schon ihr Interesse an der Idee der Görsbacher bekundet.
Angelo Glashagel