200 Meter Stadtgeschichte gerettet

Eine Mauer die verbindet

Dienstag
24.01.2023, 12:16 Uhr
Autor:
red
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v.l.: Oberbürgermeister Kai Buchmann, Schulleiter Volker Vogt und Bauplaner Gerhard Knobloch vor dem Eingang zum Pulverturm, dessen Inneres man vom Schutt des letzten Jahrhunderts befreit hat (Foto: agl) v.l.: Oberbürgermeister Kai Buchmann, Schulleiter Volker Vogt und Bauplaner Gerhard Knobloch vor dem Eingang zum Pulverturm, dessen Inneres man vom Schutt des letzten Jahrhunderts befreit hat (Foto: agl)
Gute zwei Kilometer lang waren die Befestigungen, die das alte Nordhausen einst vor Gefahren schützen sollten. Die Stadtmauer ist in weiten Teilen erhalten und heute wurde ein weiterer Schritt abgeschlossen, damit das auch in Zukunft so bleibt…

Rund 200 Meter Stadtmauer wurden am Humboldt-Gymnasium saniert, knapp 25 Metern fehlt noch der letzte Schliff (Foto: agl) Rund 200 Meter Stadtmauer wurden am Humboldt-Gymnasium saniert, knapp 25 Metern fehlt noch der letzte Schliff (Foto: agl)


Bis zu sechs Meter hoch reicht die Stadtmauer hinter der Oberstufe des Humboldt-Gymnasiums. Oder zumindest tut sie es jetzt wieder. Denn in den letzten einhundert Jahren war dem alten Gemäuer einiges verloren gegangen, der Zustand geradezu desolat.

Gerhard Knobloch kann die Entwicklung anhand historischer Fotografien gut nachzeichnen. Der Bauplaner hat die alten Aufnahmen als Grundlage für die aufwendigen Sanierungsarbeiten genutzt. „Wenn sie sich ansehen was sich zwischen 1920 und 2020 getan hat, dann war die Mauer eigentlich kurz davor ganz wegzubröseln.“, sagt Knobloch am Vormittag.

Bauplaner Gerhard Knobloch hat mit historischen Bildern gearbeitet, hier eine Postkarte des alten Pulverturms aus dem Jahre 1920 (Foto: agl) Bauplaner Gerhard Knobloch hat mit historischen Bildern gearbeitet, hier eine Postkarte des alten Pulverturms aus dem Jahre 1920 (Foto: agl)


Mit ein paar neuen Steinen und etwas Mörtel war es dabei lange nicht getan. Zum einen mussten im Sinne des Denkmalschutzes Bindemittel genutzt werden, die sich den historisch verwendeten Gipsmörteln wenigstens annähern. „In den 90er Jahren hat man da viele Fehler mit unschönen Folgen gemacht, einfach weil man es nicht besser wusste. Dass wollten wir natürlich nicht wiederholen. In den vergangenen 30 Jahren wurde viel geforscht, auch bei CASEA in Ellrich, deren historischen Gipsmörtel wir dann benutzen konnten“.

Eine weitere Schwierigkeit war die Standsicherheit des Walls. An der Oberstufe des Gymansiums soll mit der Erneuerung der Turnhalle auch eine Tartanbahn hinter dem Schulgebäude entstehen. Das Gelände steigt hier an, die Mauer ebenfalls und damit die bleibt, wo sie ist, und die Schülerinnen und Schüler nicht bergauf sprinten müssen, wurden Bodenpfähle und Stützkonstruktionen in die Erde gebracht. Kostenpunkt in Summe: rund 2,5 Millionen Euro, von denen über Fördermittel 1,7 Millionen über den Freistaat aufgebracht werden konnten.

Hinter dem Schulgebäude soll eine Tartanbahn entstehen, die Stützkonstruktionen aus Beton werden noch verkleidet (Foto: agl) Hinter dem Schulgebäude soll eine Tartanbahn entstehen, die Stützkonstruktionen aus Beton werden noch verkleidet (Foto: agl)


Prioritäten gesetzt
Die alten Befestigungen sind ein ewiges Erbe der Stadt und so man sie erhalten will, muss man sich eingestehen, dass man nie ganz fertig werden kann. Wobei man sich, im Rahmen des Möglichen, in den letzten Jahrzehnten durchaus bemüht hat. Das rund 200 Meter lange Stück in der Blasii-Straße ist bereits Bauabschnitt 13, davor war man zuletzt am Finkenburgwall unterhalb der Loge tätig. Wäre man weiter nach Plan verfahren, wäre es auch hier weitergegangen aber mit dem Neubau der Oberstufe wurde der dortige Mauerabschnitt nach vorne gezogen. „Als die Bauarbeiten anfingen hat man sich kaum erträumen können wie es aussehen würde“, lobte Schulleiter Volker Vogt, Geschichte und Zukunft, moderne Technik und Handwerkskunst, Erbe und Unterricht hätten hier ihre Verknüpfung gefunden und für das Gymnasium habe sich auch ein Ort lebendiger Geschichte ergeben, den man nutzen werde. „Es ist für die Verantwortlichen im Rathaus und im Stadtrat nicht leicht, solche Prioritäten zu setzen. Wir sind dankbar und froh, das wir da ganz vorne stehen“, bedankte sich Vogt.

Was noch fehlt, ist eine Verbindungstreppe vom höher gelegenen Parkplatz. Die soll demnächst von der zuständigen Service-Gesellschaft errichtet werden. In der Folge wird man einen Pfad anlegen, der Fuß- und Spaziergänger dann am Schulgelände vorbei etwa bis zum Café Felix führen wird. Wer von da aus weiter an der Mauer entlang flanieren will, der wird sich noch etwas gedulden müssen denn wann der letzte Abschnitt der Stadtmauer zwischen Finkenburgwall und Barfüßerstraße saniert und damit der Rundweg wieder freigegeben werden kann, dass steht noch nicht fest. „Wir haben natürlich den Wunsch und das Bestreben, die 1,5 Kilometer Stadtmauer die uns geblieben sind zu erhalten und auch den letzten Abschnitt fertig zu stellen. Aber ohne Fördermittel des Freistaates ist das nicht möglich und die kommen zu großen Teilen auch aus der Städtebauförderung.“ Erklärt Oberbürgermeister Kai Buchmann. Für die Stadt ist das eine Zwickmühle denn gerade diesen Topf kann man auch zu anderen, dringlicheren Zwecken anzapfen, also gilt es auch hier, Prioritäten zu setzen. Der Abschnitt unterhalb des Domes und des Unterstufengebäudes des Humboldts wartet dank der Hanglage zudem mit seinen ganz eigenen Herausforderungen auf. Auch hierfür bräuchte man wohl mindestens noch einmal 2,5 Millionen Euro, schätzt man im Rathaus. Aber immerhin: die Planung steht. Die Frage ist also nicht so sehr ob, sondern wann man wieder entlang des alten Walls wird spazieren können.
Angelo Glashagel