DDR-Kultliedermacher im Fokus eines interessanten Konzerts

Geschichten und Lieder vom Baggerfahrer

Sonntag
22.01.2023, 16:17 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Ob er das Salz oder das Haar in der Suppe ist, diese Frage beschäftigte den baggerfahrenden Liedermacher Gerhard Gundermann Zeit seines kurzen Lebens. Hartmut Arndt erzählte gestern Abend in der Konzertkirche St. Trinitatis als Chronist von der zerrissenen Biografie des viel beachteten DDR-Poeten...

Dazu gab es reichlich Songs aus dem Repertoire des Mannes aus Hoyerswerda, aber auch aus der Feder eines anwesenden In-Extremo-Musikers.

IN EXTREMO trifft Gundermann: Dr. Pymonte, Hartmut Arndt und Flex, der Biegsame (Foto: oas) IN EXTREMO trifft Gundermann: Dr. Pymonte, Hartmut Arndt und Flex, der Biegsame (Foto: oas)

Gut neunzig Besucher hatten sich am Abend eingefunden, um interessiert und anteilnehmend einem dreistündigen Programm zu folgen, in dessen Mittelpunkt der Sänger, Liedermacher und Rockpoet Gerhard „Gundi“ Gundermann stand. Auch ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod sind noch mehrere Formation landauf landab unterwegs, um seine Lieder zu spielen und an den Mann zu erinnern, der wie kein anderer realsozialistisches Alltagserleben und Lebensgefühl in eine bildhafte und poetische Sprache verpacken konnte. NVA-Offizier wollte er sein, Baggerfahrer im Braunkohletagebau ist er geworden; immer wieder angeeckt mit der Einheitspartei seines Heimatlandes. Er kritisierte den schlecht funktionierenden Sozialismus und gab sich doch als Spitzel für die Staatssicherheit her.

Hartmut Arndt hatte viele Lieblingslieder in seiner Playlist, die den inneren Kampf eines Mannes dokumentierten, der stets zwischen den Stühlen saß und mit seiner kaleidoskopischen Sicht auf die Welt sein Publikum ermutigte und begeisterte, den Herrschenden aber immer als unbequem und rebellisch galt. Mit den beiden Musikern der gefeierten Mittelalterrockband In Extremo Dr. Pymonte, auch Herr Vielsaitig (André Strugala) genannt und Marco Zorzytzky (Flex der Biegsame) begab sich der Sänger und Gitarrist Arndt auf einen Zeitreise durch das Leben Gundermanns; wusste dabei Anekdoten und persönliche Hintergründe zu berichten, so dass der Abend nicht nur unterhaltsam, sondern auch lehrreich und anregend wurde. Ergänzt von den Liedern des Harfe und Gitarre spielenden Herrn Vielsaitig, die sich inhaltlich vorrangig der Natur und Märchenwelt widmeten, entstand vor den Augen und Ohren der Zuschauer noch eimal ein Stück jüngerer deutscher Geschichte, die im Osten für so gründliche Veränderung sorgte, dass es heute im Rückblick fast unglaublich erscheint, diese Epoche selbst bewusst miterlebt zu haben.

Wusste auch mit eigenen Liedern zu überzeugen: André Strugala ala Herr Vielsaitig ala Dr. Pymonte (Foto: oas) Wusste auch mit eigenen Liedern zu überzeugen: André Strugala ala Herr Vielsaitig ala Dr. Pymonte (Foto: oas)
Marco Zorzytzky ergänzte die beiden Gitarreros mit Flöten und Dudelsack und so entstand eine auch musikalisch warme Atmosphäre, die zum Träumen und Nachdenken anregte. Per Zufall hatte der Kirchheilinger Veranstalter Michael Kranholdt im letzten Sommer von dem Projekt der drei Gundermann-Fans erfahren und sofort einen Konzerttermin ausgemacht. Nun will er mit seiner Agentur „Tridragon“ einen Verein gründen, der schon mindestens ein in Bad Langensalza wohlbekanntes Gesicht vorzuweisen hat. Niemand Geringerer als der Herold des alljährlichen Mittelalterfestes begrüßte nämlich am Einlass die Besucher und verkündete in der Pause in seiner unnachahmlichen Art die nächsten Konzerttermine aus dem Hause „Tridragon“. Schon am 4. Februar geht es in Lützensommern auf dem Rittergut weiter, wenn Holger Hoffmann- Hopfenstreich (Pampatutti) und Mick Loos (vormals Schelmisch und Keltics) eine Irish-Folk-Show zelebrieren. In der St. Tri(drago)nitatis-Kirche stehen dann am 5. März echte Preisträger auf der Bühne: vier junge Schotten, die in diesem Jahr den „Young Scots Trad Award“ gewinnen konnten und mit frischem Scotish-Folk begeistern wollen.
Olaf Schulze