Rückblick der Industrie- und Handelskammer

Noch sind wir nicht über den Berg

Mittwoch
11.01.2023, 13:41 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Zum Jahreswechsel auf die vergangenen Monate zu blicken hat gute Tradition. Vor etwa 12 Monaten sah man vieler Orten Licht am Ende des Tunnels, schließlich schien es, als könnte man die Krisenjahre endlich hinter sich lassen. Das war auch bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Nordthüringen nicht anders...

Die Unternehmen in Nordthüringen sind größtenteils "robust" durch das Jahr 2022 gekommen, über den Berg ist man aber noch nicht, resümiert man bei der IHK in Nordhausen; Symbolbild (Foto: agl) Die Unternehmen in Nordthüringen sind größtenteils "robust" durch das Jahr 2022 gekommen, über den Berg ist man aber noch nicht, resümiert man bei der IHK in Nordhausen; Symbolbild (Foto: agl)


„Wir haben damals intern überlegt, worauf wir uns über das Jahr besonders konzentrieren wollen. Die Fachkräfteproblematik wäre eine Möglichkeit gewesen, es hat sich aber schon im Frühjahr abgezeichnet, dass die Energieversorgung auf dem Programm stehen muss. Zu dem Zeitpunkt hat niemand gedacht, dass in Europa wieder Panzer rollen würden, der Krieg in der Ukraine hat der Sache dann noch einmal eine ganz andere Dimension gegeben“, sagt Christian Böduel, Leiter Regionalbüros der IHK in Nordthüringen, das für die Kreise Nordhausen, Kyffhäuser, Eichsfeld und Unstrut-Hainich zuständig ist.

Die Corona-Krise habe stabile Wirtschaftsmechanismen außer Kraft gesetzt und als man glaubte, dass halbwegs überstanden zu haben, kam der Krieg in der Ukraine mit all seinen Folgen. „Planbarkeit ist für einen Unternehmer das Nonplusultra. Die hat mit den Schwierigkeiten in den Lieferketten, der Inflation und den Zinserhöhungen einfach gefehlt und es muss uns größten Respekt abnötigen, dass es unseren Unternehmen in der Region unter großen Anstrengungen gelungen ist, sich auf die Situation einzustellen und auch unkonventionelle Wege zu gehen. Man hat die Schwierigkeiten früh erkannt und gehandelt. Das war eine enorme Anpassungsleistung“.

Energiesparmaßnahmen standen dabei ganz oben auf der Agenda, berichtet Böduel, mancher hat auch ungewohnt „Ware gegen Ware“ gehandelt und man hat sich Gedanken über Mitarbeiter, Maschinenzeiten und Rohstoffbeschaffung gemacht und sich ausgetauscht. „Als IHK ist es unsere Hauptaufgabe, da Unterstützungsangebote zu bieten. Man hat sich im letzten Jahr viele Sorgen machen können und müssen aber das hat es glaube ich auch gebraucht, damit der Ernst der Lage erkannt wird. Wir hatten jüngst eine Umfrage die gezeigt hat, dass 91 Prozent der Unternehmen mit dem Krisenmanagement des Bundes unzufrieden waren. Das sind Bretter die immer wieder gebohrt werden müssen, das muss in die Politik getragen werden und ich denke auch das hat dazu beigetragen, dass man relativ robust durch die Krise gekommen ist. Aber über den Berg sind wir noch nicht, auch das muss man deutlich sagen, es wird weitere Anpassungen geben müssen.“



In der Warenbeschaffung zeichnet sich ein Kulturwandel ab, die Lagerhaltung erlebt eine regelrechte Renaissance. Intelligente Digitallösungen halten vermehrt Einzug und auch die Frage der Energieversorgung muss neu justiert werden. „Man kann sich das wie einen Baum vorstellen. Wir hatten ein fein austariertes, stark verästeltes System. Aus dem wurden tragende Elemente herausgeschnitten und noch ist nicht klar, wo etwas nachwächst. Das ist die Unsicherheit die der Planbarkeit im Weg steht.“, sagt Böduel.

Gerne würde man es sehen, dass man vor größeren Änderungen, etwa beim Mindestlohn, frühzeitig informiert würde um entsprechend planen zu können. Doch viel Einfluss auf den Weltenlauf und die Bundespolitik hat man am Südharzrand freilich nicht. Die IHK vor Ort will sich denn auch vor allem um regionale Schwerpunkte kümmern. Sektoren wie die Gastronomie und der Einzelhandel haben schwer gelitten, dem langsamen sterben der Innenstädte muss etwas entgegengesetzt werden und der Fachkräftemangel wird zunehmend akut. Zu tun gibt es also genug.

In Sachen Fachkräfte wird man das Projekt „Tag in der Praxis“ im Verbund mit dem Schulamt und der Agentur für Arbeit in Nordthüringen weiter ausbauen, verspricht Böduel. Der neue Ansatz zur Berufsorientierung ist an alte Ideen angelehnt und soll Schülerinnen und Schülern ein möglichst breites Erfahrungsfeld in verschiedenen Betrieben bieten. Mit der Nachwuchsförderung allein wird es aber nicht getan sein, auf zehn Arbeitskräfte, die in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen, folgen statistisch nur drei junge Leute nach. „Ohne Zuwanderung wird es nicht gehen. Wir wissen das nun schon eine Weile, aber bei vielen Unternehmen setzt der Handlungsdruck erst jetzt richtig ein. Da beginnt ein Umdenken, das Problem wird akuter und wir sehen das die Offenheit steigt. Wir brauchen da in Zukunft in den Firmen aber mehr Integrationskompetenz, das ist kein leichter Schritt sondern ein Prozess, der auf vielen Ebenen begleitet werden muss.“

Die letzten Jahren hätten zudem die Stärke von gut geführten Netzwerken unter Beweis gestellt. Daran will man anknüpfen und mit dem Firmenausbildungsverbund und einem „Arbeitskreis Metall“ mehr Aktivität entfalten. Bei der Innenstadtbelebung will man weiter mit Verbänden wie dem „Citymanagement Nordhausen“ zusammen arbeiten und zwischen den „Großen“ und den „Kleinen“ vermitteln. „Eine Innenstadt ist mehr als Handel. Das ist ein Zusammenspiel aus Handel, Gastronomie, Kultur und wohnen. Da zu vermitteln ist schwierig. Es braucht ein „Wir“-Gefühl, das schafft auch eine Magnetwirkung.“

Gründergeist und wirtschaftliche Potentiale der Region hofft man auch in der Verzahnung von Hochschule und Wirtschaft zu heben. Mit Themen wie Rohstoff-Recycling, erneuerbarer Energie, Automatisierung und Digitalisierung verbindet man dabei auch die Hoffnung auf eine neue wirtschaftliche Entwicklung in der Region. Und für das Jahr 2023 wäre es schön, wenn man ohne weitere Katastrophen durch die kommenden zwölf Monate gehen könnte.
Angelo Glashagel