Lichtblick zum Jahreswechsel

Die Tür ist offen

Freitag
30.12.2022, 14:22 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Der Jahreswechsel steht vor der Tür und es herrscht bei Einigen große Vorfreude, denn es darf endlich wieder so richtig geböllert werden. In all dem Krach ist aber auch noch etwas anderes zu hören, weiß Pastorin Steffi Wiegleb...

Das neue Jahr mit bunten Lichtern und viel Krach selbst einläuten, macht Spaß. Die Kirchenglocken werden auch – wie immer- läuten und nicht ganz untergehen im allgemeinen „Geböllere“.

Doch anders als das bunte und knallige Feuerwerk werden die Glocken auch an jedem anderen Tag des Jahres läuten und ans Gebet erinnern. Die Glocken läuten das neue Jahr ein und begleiten es täglich. Auch dann noch, wenn längst der Alltag wieder Einzug gehalten hat. Ziemlich schnell stellt man fest: Es ist schon wieder „alles beim Alten“. Dennoch wird im neuen Jahr einiges völlig unerwartet und überraschend sein.

Für mich ist der Jahreswechsel mit einer Tür zu vergleichen. Am Silvesterabend tritt man gewissermaßen durch die Tür in ein neues Jahr. Es ist wie ein Herunterdrücken der Türklinke. Man weiß nicht so genau, was man erwartet. Man kennt zwar den Raum, aber man weiß nicht genau, was sich dort verbirgt.

Natürlich weiß man bei einigen Dingen sehr genau, daß die im neuen Jahr zu erwarten sind. Man kennt viele Termine und weiß um Veränderungen. Jedoch ist das Meiste unklar. Werden es mehr gute oder schwere Aufgaben und Erfahrungen sein, die auf uns zukommen. Wird es mehr Freud oder mehr Leid sein? Wir erwarten meist eine gute Mischung aus beidem und hoffen, daß die freudigen Dinge überwiegen.

Mit Blick auf das neue Jahr und die Dinge, von denen ich für mich schon weiß oder sie erahne, erinnert mich der Jahreswechsel an Josua. Er ist ein Vertrauter des Mose, hat mit ihm schon die Flucht und die Wanderung durch die Wüste erlebt. Er hat da schon viele Höhen und Tiefen durchlebt. Bei vielen verschiedenen Begebenheiten hatte er die Möglichkeit, sich als Freund, Berater, Gefährte oder Kundschafter auszuzeichnen.

Dann sind sie kurz vor dem Ziel, kurz vor dem versprochenen Land, und Mose stirbt. Er übergibt die Verantwortung an Josua, der unversehens die Last der Verantwortung spürt. Vor ihm liegt das Ziel, Kanaan. Vor ihm liegt aber auch der Weg durch den Jordan. Das wird kein Spaziergang und auf der anderen Seite wartet auch die Gefahr, nicht gern gesehen zu sein. Dort lauert die Gefahr, daß man vertrieben wird. Josua wird leicht flau im Magen. Er zaudert, zögert, überlegt sich eine Strategie, sucht nach dem besten Weg. Er weiß, wenn er den Jordan überquert, gibt es kein Zurück. Wenn diese „Tür“ aufgemacht ist, muß er durch gehen. Er kann sie nicht einfach wieder schließen und so tun als wüßte er von nichts. Den begonnenen Weg und den ersten Schritt ins Neue kann er nicht einfach ungeschehen machen. Genau in dieser Situation hört Josua: „Wie ich mit Mose gewesen bin, so will ich auch mit dir sein. Ich will dich nicht verlassen, noch von dir weichen. Sei getrost und unverzagt.“ (Josua 1,5+6) Josua faßt Mut, traut sich und meistert die Hindernisse und führt das Volk ins versprochene Land, in die neue Heimat.

Mit Blick auf das neue Jahr und all seine Aufgaben und Herausforderungen geht es mir ähnlich wie Josua. Welches wird der beste Weg sein, um alles zu meistern? Was erwartet mich wirklich in diesem Jahr? Welche Unwegsamkeiten und Hindernisse muß ich überwinden? So öffne ich diese Tür im Stile Josuas: etwas zögernd, vorsichtig, unsicher, zweifelnd und lasse mir gesagt sein: „Wie ich mit Mose gewesen bin, so will ich auch mit dir sein. Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen. Sei getrost und unverzagt.“

Für mich ist das ermutigend und entlastend zu hören. Ich muß nicht bei allen Problemen nur auf meine eigenen Stärken und Fähigkeiten zählen. Ich muß mich nicht ständig fragen: „Reicht meine Kraft?“. Vielmehr kann ich loslaufen in das vor mir liegende Jahr, mir diese Zusage durch den Sinn gehen lassen, die davon spricht, daß ich bereits angenommen bin und daher andere annehmen kann. Das bedeutet aber auch, daß ich nicht alleine unterwegs sein werde, daß ich Begleiter und Helfer auf dem Weg finden werde. Oder wie Martin Luther es treffend beschreibt. Der Glaube ist kein unnützes, faules, totes Ding, das im Herzen verborgen liegt, wie eine tote Fliege zur Winterzeit in einer Ritze steckt, sondern der Glaube ist ein gewisses Vertrauen und eine starke, fest Zuversicht des Herzens. Wir können folglich mit viel Zuversicht im Gepäck möglichst gelassen in das neue Jahr gehen und uns der Begleitung Gottes gewiß sein, der uns an den Klippen und Steigungen helfend zur Seite stehen wird und uns im Zweifel auch tragen wird.

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen ein gesegnetes neues Jahr.
Pastorin Steffi Wiegleb