Kinder und Digitale Medien:

Kaum noch Konzentration und Lust auf Sport

Dienstag
27.12.2022, 12:54 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
Spiele, Apps, Hörbücher – Heranwachsende können sich ein Leben ohne digitale Medien nicht vorstellen und auch jüngere Kinder nutzen zunehmend Handys und Tablets. Doch der Konsum hat auch Schattenseiten. Rund 70 Prozent der Eltern bemerken bei ihrem Nachwuchs nachlassende Konzentration und weniger Begeisterung für Sport und Spiele, zeigt eine aktuelle Studie der Knappschaft.

Digitale Kinder (Foto: Knappschaft) Digitale Kinder (Foto: Knappschaft)
Welchen Einfluss hat der mediale Konsum auf die Gesundheit und das Sozialverhalten ihrer Kinder? fragte das Berliner Meinungsforschungsunternehmen Civey in einer bundesweiten, repräsentativen Umfrage im Auftrag der KNAPPSCHAFT 2000 Eltern.
Ergebnis: Gut 36 Prozent gaben an, dass beim Nachwuchs ein geringeres Interesse an sportlichen Aktivitäten oder Spielen Sinn mit anderen Kindern oder allein besteht. Circa 35 Prozent der Befragten bemerkten eine schlechtere Konzentrationsfähigkeit. In Thüringen stellten sogar 36,4 Prozent der Eltern fest, dass mit dem Handykonsum die Lust auf Sport und Spiel gesunken ist.

Auswirkungen sind schon im frühesten Alter festzustellen. „Bei zwei- bis fünfjährigen Kindern, die Medien mehr als 30 Minuten täglich nutzen, sind vermehrt Sprachentwicklungsstörungen, Unruhe, motorische Hyperaktivität, Ablenkbarkeit und Konzentrationsstörungen festzustellen“, weiß Dr. Marion Kolb, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie.


Die Tagesklinik-Leiterin der Bergmannsheil- und Kinderklinik Buer in Gelsenkirchen sieht anhand diverser Studienergebnisse einen Zusammenhang „zwischen intensiver Mediennutzung und Entwicklungsstörungen von Kindern“. Sogar der übermäßige passive Konsum von Medien - ein im Hintergrund laufender Fernseher – „wirkt sich negativ aus, da Kleinkinder von ihrem kindlichen Spiel und sozialen Interaktionen abgelenkt werden“, ergänzt die Expertin der Knappschaft.

Denn weiteren Umfrageergebnissen zufolge beobachten knapp 20 Prozent der Eltern Schlafprobleme bei Nachwuchs. „Übermäßiger Medienkonsum kann Einschlafstörungen, Schläfrigkeit am Tag oder verkürzter Schlafdauer auslösen“, bestätigt die Fachärztin: „Bereits bei Säuglingen gibt es einen Zusammenhang bezüglich Fütter- und Einschlafstörungen, wenn die primäre Bezugsperson während der Betreuung parallel digitale Medien nutzt“, ergänzt Dr. Marion Kolb.

Seltener erkennen die befragten Eltern einen Einfluss der intensiven Mediennutzung auf das Gewicht ihrer Kinder. 8,1 Prozent der Befragten in Thüringen gaben an, bei ihren Kindern eine Gewichtsveränderung beobachtet zu haben. Knappschaft-Expertin Dr. Kolb warnt auch hier vor körperlichen Folgen. „Studien bei 8 bis 13-Jährigen haben ergeben, dass bei täglichem Medienkonsum von über 60 Minuten pro Tag vermehrt Süßigkeiten und Süßgetränke konsumiert werden, was zu Übergewicht führen kann.“ Andere Jugendliche vernachlässigten dagegen ihre Bedürfnisse wie Hunger, Durst oder Hygiene, so dass manche bei exzessiver Mediennutzung auch abnähmen.

Ab welchem Alter sollten Kinder auf Handy oder Tablet spielen dürfen?
Vier von zehn Befragten in Thüringen erlauben ihren Kindern das Spielen auf Handys oder PC erst ab einem Alter von 9 bis 12 Jahren. Umgekehrt ermöglicht immerhin ein Fünftel der Thüringer Eltern dem Nachwuchs die Nutzung bereits im Alter von drei bis fünf Jahren.

„Die Weichen für digitalen Medienkonsum werden im Vorschulalter gestellt, in dem eine selbstreflektierte Mediennutzung noch nicht möglich ist“, gibt Dr. Kolb zu bedenken und rät: „Die täglichen Medienzeiten sollten von den Eltern klar begrenzt werden. Richtwerte für Sieben- bis Zehnjährige sind 45 Minuten, für Elf- bis 13-Jährige 60 Minuten, ab 14 Jahre 90 Minuten.“

Hinweise für einen schädlichen oder abhängigen Medienkonsum liegen vor, wenn die Mediennutzung die motorische, sprachliche oder sozio-emotionale Entwicklung des Kindes beeinträchtigt. Gleiches gilt, wenn körperliche Probleme wie Kopfschmerzen und Schlafstörungen entstehen oder bei bestehenden psychischen Problemen (ADHS, Depression, Ängste) der intensive Medienkonsum zum Lösungsansatz wird. Dann sollten Familien sich dringend professionelle Hilfe suchen.“

Zur Methodik
In die bundesweite Online-Umfrage von Civey flossen Ende 2022 Antworten von 2.000 Eltern von Kindern bis 18 Jahren im Haushalt ein. Auf die Fragen: "Bemerken Sie bei Ihrem Kind / Ihren Kindern Veränderungen, wenn diese Zeit am Handy/Tablet oder PC verbringen? " und „Ab welchem Alter sollten Kinder Ihrer Meinung Spiele auf dem Handy oder Tablet spielen dürfen?“ waren Mehrfachantworten möglich.