Lichtblicke

Gedanken zur Weihnachtsgeschichte

Freitag
23.12.2022, 09:00 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Alles ist noch dunkel als ich diese Zeilen schreiben. Es ist früh morgens und weil ich nicht weiß, wann ich heute Zeit finde, sitze ich mit dem Laptop auf dem Schoß in einem Sessel. Hinter mir leuchtet der Schwibbogen...

Die Geburtsszene ist zu sehen. Fein säuberlich per Hand ausgesägt. Ein Stück erzgebirgische Handwerkskunst. Die Lichter auf dem Adventskranz brennen, eine von ihnen ist schon reichlich schief. Wie ein Baum der unter der Last des Schnees zusammenfällt, schmilzt sie dahin. Alle paar Minuten schaue ich auf diese Kerze, weil ich Sorge habe, dass womöglich der ganze Adventskranz Feuer fängt. Es ist ganz still, meine Kinder schlafen noch, es sind Ferien. Meine Frau ist bereits auf der Arbeit in der Klinik und begleitet vielleicht gerade jetzt jemanden dabei ein Kind auf die Welt zu bringen.

Ich muss an diese Geschichte denken, die mir der Schwibbogen erzählt. Die Geschichte, die ich schon oft gelesen habe, oft gepredigt habe, oft gehört habe. Die Geschichte von Betlehem. Maria und Josef, der Engel, „Fürchtet euch nicht!“, die Hirten. Es ist ganz still als ich diese Worte tippe. Das erste Mal seit Tagen ist es still. Ich höre nebenbei leise Musik auf Spotify. Keine Weihnachtslieder, sondern Musik, die ich immer höre, wenn ich schreibe. Es ist eine Playlist mit leichten Beats und sanften Electro-Klängen. Eigentlich eine Zusammenstellung für das Coden und Programmieren.

„Fürchtet euch nicht“, sagt der Engel zu den Hirten. Wenn das mal so einfach wäre. Wenn das Leben mal so einfach wäre. Wenn es einen Code gäbe oder man einfach das richtige Programm schreiben könnte und dann läuft das alles. Dann wäre es leichter zu diesem Satz „Ja“ zu sagen.

Aber so ist es nicht. Ich denke an dieses Jahr: Die eine Krise hat sich mit der anderen abgeklatscht. Ich schaue zurück auf das, was ich versuchte im letzten Jahr zu bewegen. Ich hatte Glück, denn andere haben mitgezogen. Wir haben gesucht, wie wir Menschen unterstützen können. Bei Beerdigungen, die sie nicht zahlen konnten. Bei Einkäufen, die so teuer geworden sind, dass es einfach nicht mehr geht. Es ist alles was ich tun kann, denn dem Sturm der gerade tobt habe ich wenig entgegen zu setzen. Ehrlicherweise tobt dieser Sturm schon viel länger, wir waren nur bisher in Deutschland und Westeuropa in einer trügerischen Sicherheit. Geht und alles nichts an, was irgendwo passiert. Ein paar Alibi-Millionen des Staates, vielleicht sein Profilbild im sozialen Netzwerk für ein paar Tage ändern. Das musste reichen, um sich gut und „richtig“ zu fühlen.

Jetzt ist der Sturm bei uns angekommen, es geht um unsere Sicherheit für die Zukunft. Unsere Furcht vor Abstieg, Furcht zu verlieren, der Wunsch nach absoluter Absicherung.

Hinter mir scheint immer noch der Schwibbogen und es dämmert langsam. Ich sehe die Figuren, die in ihm ausgesägt worden sind, die Silhouetten von Maria und Josef, wie sie vor dem Kind knien. Über der Krippe ist ein Heiligenschein angedeutet. Ansonsten ist da niemand.

Sicherheit? Davon erzählt die Weihnachtsgeschichte nichts. Alles in Butter? Davon erzählt die Weihnachtsgeschichte nichts. Die Hirten sind nicht bereit für die Botschaft die sie hören, Maria und Josef auch nicht. Keiner ist bereit. Nur einer ist bereit.
Ich bin oft nicht bereit. Nicht bereit meiner Furcht loszulassen. Oder mein zwanghaftes Verlangen nach Sicherheit. Oder die Illusion ich hätte alles unter Kontrolle.

„Fürchtet euch nicht“, sagt der Engel zu den Hirten. Er sagt es auch zu mir. Und zu dir, wenn du zuhören willst.
Du musst dieses Weihnachtsfest nicht bereit sein für Gott. Nicht bereit für die Krippe. Denn ich bin es auch nicht. Ich bin es vielleicht nie. Aber Gott ist bereit für dich und für mich. Er kommt gewaltig. Aber ohne Gewalt.

Keine Armee, kein Reichtum, keine Anerkennung.
Ganz schutzlos. Gott muss nichts beweisen, nicht sein Gesicht bewahren. Nicht als Kind in der Krippe und nicht als blutender Mann am Kreuz.

Der Sturm mag toben und Geschrei um dich sein. Aber Gottes Hand, seine Liebe, ist dir zugewandt. An diesem Weihnachtsfest und an allen Tagen, die folgen werden.

Ich wünsche dir zum Weihnachtsfest eine gute Zeit und Gottes Segen für dich und alle Menschen die dich umgeben.
Martin Weber,Pfarrer in Allstedt/Wolferstedt