Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr

Weihnachtswort 2022

Sonnabend
24.12.2022, 10:13 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
"Die Zeit, in der wir leben, ist eine Zeit schwerwiegender Krisen und erschütternder Nachrichten. Wir müssen uns fragen lassen, ob wir in dieser Zeit überhaupt Weihnachten feiern können, ob wir uns nicht in eine fiktive heile Welt flüchten." So beginnen die Weihnachtsworte des Erfurter Bischofs Ulrich Neymeyr...

Viele Menschen waren in diesem Jahr auf den Weihnachtsmärkten, um in einer Welt der Lichter und der Musik, der Düfte und der schönen Dinge auszuspannen von der rauen Wirklichkeit – oder wollten sie dieser Wirklichkeit entfliehen in eine Schein-welt?

Bei aller Kritik am Weihnachtsbrauchtum und am Weihnachtskitsch darf nicht übersehen werden, dass wir den Advent und das Weihnachtsfest in der Regel nicht al-leine feiern. Die Menschen gehen selten alleine auf den Weihnachtsmarkt. Sie verabreden sich mit lieben Menschen, die zu ihrem Leben gehören und mit denen sie – trotz aller Schwierigkeiten, die es geben mag – gerne durchs Leben gehen. Weih-nachten ist auch ein Fest der Familie. Auch wenn das Familienprogramm während der Feiertage anstrengend werden kann, ist die Familie doch für viele Menschen sehr wichtig, wenn nicht sogar das Wichtigste in ihrem Leben. Es sind oft lebens-lange Beziehungen, die tragen.

An den letzten beiden Weihnachtsfesten, die geprägt waren von Infektionsschutzmaßnahmen, ist das besonders deutlich geworden. Die schönen Traditionen, die den Advent und Weihnachten prägen, schaffen nicht eine fiktive Idylle, sondern feiern die guten, tragenden menschlichen Beziehungen auf nicht alltägliche Weise. Für viele sind diese Erlebnisse auch Erinnerungen, die nicht traurig machen sollten, sondern dankbar.

Für uns Christen ist Weihnachten das Fest der Erinnerung an die Geburt Jesu Christi, von dem wir glauben, dass er aus der Welt Gottes in unsere Menschenwelt gekommen ist. Damit hat keine heile Welt begonnen. Das zeigen schon die Um-stände der Geburt in einem Stall. Die Krippe aus Holz wurde schon früh verstanden als ein Hinweis auf das Holz des Kreuzes. Aber mitten in dieser Welt bricht mit der Geburt Jesu Christi das Reich Gottes an. Das ist für uns Christen der tiefste Grund, auch heute in unserer Zeit und Welt Weihnachten zu feiern.
Bischof Ulrich Neymeyr