Das Foto in der Forschung

Geschichte koloriert

Mittwoch
30.11.2022, 15:51 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Mehr als 30 Gäste kamen zum Vortrag „Fotos aus dem Familienarchiv Seidel-Einenckel. Beobachtungen zur Nordhäuser Fotografie-Geschichte“ von Tino Trautmann-Büchel, der bereits sein Debüt mit dem Vortrag über die „Glocken von Nordhausen“ im Tabakspeicher hatte...

Der Vortrag ging auf die Initiative des Nordhäuser Stadtarchivars Dr. Wolfram Theilemann zurück. Im Austausch über den Archivneuzugang dieser acht einzigarten Familienalben wuchs die Idee heraus, diese zu digitalisieren, um den Forschenden digital zugänglich zu machen. Der Nordhäuser Geschichts- Altertumsverein hatte das Vorhaben aktiv mit unterstützt.

Die Alben sind bildliche Zeugnisse der Familie Einenckel und ihrer Mitglieder, aber auch der Brennerei, die um 1907 gegründet wurde. Neben dem Bildmotiv sind die vielen Beschriftungen auf der Rückseite wichtige Datenträger, um beispielsweise die familiären Zusammenhänge besser zu erklären.
Bis das Foto digitalisiert ist, sind Vorarbeiten notwendig. So mussten manche Fotografien mit einer präparierten Pinzette vorsichtig von dem Untersatzkarton abgelöst werden. Ein umfangreiches Wissen über normierte Standards wird bei der Digitalisierung vorausgesetzt. Das kann der Umgang mit den genormten Lichtquellen oder auch den Farben (Farbechtheit) sein, denn die digitale Aufnahme soll so nah wie möglich am Original sein. Über die Möglichkeiten des digitalen Erhalts eines Bildes hinaus, können feine Vergrößerungen und Rekonstruktionen von verblassten Farben durchgeführt werden, die beispielweise für die Publikationen von Fotos sinnvoll sind. Jedoch setzt die Digitalisierung einen großen Speicherplatz voraus.



Der Referent gab auch einen Einblick in die Fotografie-Geschichte und über ihre Errungenschaften. Vorreiter für Negative von Fotos waren die Daguerreotypie, die Kalotypie oder auch das Kollodium-Verfahren. Auch zur Herstellung des Fotopapiers, das als Trägermaterial dient, wurden einige Verfahren vorgestellt. Die Zuhörenden waren besonders an der Fotobearbeitung interessiert, d. h. dass bei einigen Aufnahmen Retuschen mit Bleistift und Farbe, dann als Kolorierung vorgenommen wurden, um z. B. Haaransätze oder Augen zu korrigieren oder auch militärische Abzeichen an den Kleidungsstücken hervorzuheben. Die meisten Bildmotive waren, neben Foto-Sammelkarten, z. B von Urlaubsaufenthalten, Einzel- oder Gruppenaufnahmen, die einen noch recht starren Ausdruck hatten. Mehr Abwechslung zeigten einige Aufnahmen Ende des 19. Jahrhunderts, bei denen die Personen historische Gewänder aus dem 15./16. Jahrhundert trugen und eine eher lockere Körperhaltung einnahmen. Mode und persönliche Gegenstände waren für die Aufnahmen von Bedeutung, da man beispielsweise mit Gegenständen den Charakter der fotografierten Person hervorheben konnte. Nur wenige Fotoaufnahmen wurden im Freien gemacht, eher war das Fotoatelier mit malerischer Kulisse und Requisiten ein Ort der Aufnahmen.

Manche Requisiten wie Teppich oder Stuhl und mehr noch die aufgedruckte Visitenkarte auf der Rückseite des Fotos bzw. Untersatzkartons lassen auf das Atelier und den Fotografien schließen. Die Familie Einecke ließ ihre Aufnahmen zum Beispiel bei Ludwig Belitski, Carl Schiewek, Otto Wigand oder auch bei Louis Ohm herstellen. Sie zählten zu den renommierten Fotografen in Nordhausen. Nicht nur das Foto hat einen historischen und künstlerischen Wert, sondern auch das Album, in dem es aufbewahrt wird. Die Alben wurden aus edlen Materialen wie Leder mit floralen Verzierungen und Goldschnitt gefertigt. Dekorative Titelblätter oder auch Buchschließen heben die Wertigkeit des Albums und seine Bedeutung hervor.
Der Geschichtsverein dankt Herrn Trautmann-Büchel herzlich für sein Engagement für die Nordhäuser Geschichte und besonders für den gelungenen Vortrag.
Mit besten Wünschen zur Adventszeit möchte der Vorstand auch auf den kürzlich erschienenen neuen Band von „Beiträge zur Geschichte aus Stadt und Landkreis Nordhausen“ mit 11 spannenden Aufsätzen hinweisen, der im Buchhandel für 20 Euro erhältlich ist.
Dr. Marie-Luis Zahradnik