157. Artenschutzeinsatz des BUND-Kreisverbandes

Für Katzenpfötchen und Deutschen Enzian

Mittwoch
30.11.2022, 08:23 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Der Landkreis Nordhausen ist ein Hotspot der Artenvielfalt. Doch diese ist durch Gipsabbau, zu intensive Nutzung, fehlende Nutzung, Klimawandel und Schadstoffeinträge bedroht. Wir erleben die erste menschgemachte Aussterbewelle...

Mitglieder und Freunde des BUND-Kreisverbandes Nordhausen stemmen sich auf zahlreichen Flächen seit Jahren, vor allem kontinierlich und meist mit Erfolg gegen den Verlust der Biodiversität. Am vergangenen Wochenende gab es den 157. Pflegeeinsatz seit 2010.

Der Deutsche Enzian (Gentianella germanica) geht, wie so viele andere Pflanzen- und Tierarten auch, vielfach unbemerkt und aus verschiedenen menschgemachten Gründen, zurück. Im Landkreis Nordhausen haben wir das Glück, noch einzelne größere Bestände beobachten zu können. Gerade deswegen aber müssen sich die Verantwortlichen schon jetzt um deren Erhaltung bemühen. (Foto: B.Schwarzberg) Der Deutsche Enzian (Gentianella germanica) geht, wie so viele andere Pflanzen- und Tierarten auch, vielfach unbemerkt und aus verschiedenen menschgemachten Gründen, zurück. Im Landkreis Nordhausen haben wir das Glück, noch einzelne größere Bestände beobachten zu können. Gerade deswegen aber müssen sich die Verantwortlichen schon jetzt um deren Erhaltung bemühen. (Foto: B.Schwarzberg)

Bei Steigerthal unterstützten sechs engagierte Mitstreiterinnen und Mitstreiter Landwirt Andreas Hahn bei der Umsetzung einer einen ausgedehnten Magerrasen schonenden wirtschaftlichen Nutzung. Wir trugen bereits zuvor abgesägte bis ca. drei Meter lange Birkenstämme zusammen, die sich aus den Stümpfen von früher entfernten größeren Bäumen als Neuaustrieb entwickelt hatten. Die großen Reisighaufen kann der Landwirt nun bequem von der naturschutzfachlich sehr wertvollen Fläche abfahren.

Zugleich widmeten wir uns mittels Freischneider der Auflösung besonders verfilzter Rasenbereiche sowie der Entfernung weiteren Gebüschaufwuchses auf den historisch seit Jahrhunderten offenen Magerasen. Diese Arbeiten werden in den den kommenden Monaten je nach Wetterlage von uns in Zusammenarbeit mit dem Landwirt fortgesetzt.Auch werden von uns bereits gemähte Abschnitte abgeharkt.

Hintergrund unserer Aktivitäten ist die Umsetzung der Schutzgebietsverordnung des Naturschutzgebietes und der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, die die Erhaltung so genannter Lebensraumtypen von europaweiter Bedeutung vorschreibt.

Zu den verpflichtend zu erhaltenden Lebensraumtypen gehören auch die sehr flachgründigen, erdflechtenbereiche Bereiche mit oberflächlich anstehendem Gips. Zahlreiche Arten der Erdflechten sind überregional außerordentlich bedroht.

Ganz in diesem Sinne muss die durch über Jahrhunderte der extensiven Landbewirtschaftung entstandene Struktur und damit die botanische und damit zoologische Vielfalt dieses Lebensraumes erhalten werden.

Wenn im betreffenden Naturschutzgebiet von schützenswerten, allgemein zurückgehenden höheren Pflanzenarten die Rede ist, so kann als Beispiel hierfür der Deutsche Enzian (Gentianella germanica) herausgestellt werden. Die Bestände dieser Art mit einem relativ kleinen europäischen Verbreitungsgebiet gehen seit Jahren zurück. Im betreffenden Gebiet bei Steigerthal jedoch konnten wir 2022 noch rund 700 Exemplare dieser attraktiven Art kartieren. Da die Samen des Deutschen Enzians als kurzlebig und wenig "mobil" gelten, kann nur eine optimale, extensive Bewirtschaftung dieses Denkmals unserer Flora und einer naturverträglichen Landwirtschaft erhalten. Ist diese Art durch fehlendeoder zu intensive Bewirtschaftung verschwunden, lässt sie sich, wenn überhaupt, dann nur mit immensem Aufwand und wohl nicht so großflächig wie auf der betreffenden Fläche heute noch zu sehen, "zurückholen". Aus diesem Grunde muss Behörden, dem Umweltministerium und auch dem Landschaftspflegeverband immer wieder verdeutlicht werden, wie zentral die rechtzeitige Erhaltung und Förderung noch bestehender relativ individuenreicher Vorkommen seltener Arten im Gebiet ist.

Das gilt noch mehr für das mittlerweile in Thüringen vom Aussterben bedrohte Katzenpfötchen (Antennaria dioica). Das Korbblütengewächs hat in Thüringen
seit 1950 wahrscheinlich mehr als 3/4 seiner Vorkommen verloren und kaum jemand schien gegenzusteuern. Zwischen 1989 und 2021 verschlechterte sich die Bedrohungslage in der Roten Liste Thüringens von "gefährdet" zu "vom Aussterben bedroht".

Im Landkreis Nordhausen und speziell auf der hier diskutierten Fläche haben wir mit die letzten größeren Bestände des Freistaates, die dringend, durch eine optimale Bewirtschaftung erhalten werden sollten.

In anderen Bundesländern, so in Sachsen, wird nach Jahrzehnten fehlender Maßnahmen nun mit immensem Aufwand versucht, die letzten Exemplare des Katzenpfötchens zu retten. Wir im Landkreis Nordhausen haben noch die Chance, wenigstens die wenigen größeren Populationen für die Nachwelt zu erhalten. Daran müssen wir aber jetzt arbeiten, - und es ist zu begrüßen, dass es hier nun eine wirksame Zusammenarbeit zwischen oberen und unteren Naturschutzbehörden, der Landwirtschaft einerseits und uns ehrenamtlichen Naturschützern und Artenkennern gibt.

Am vergangenen Sonnabend waren wir Mitglieder und Freunde des BUND-Kreisverbandes Nordhausen sieben Stunden lang auf der artenreichen Fläche bei Steigerthal tätig, die ab kommendem Jahr extensiv mit Schafen beweidet und so erhalten werden soll. Ein besonderer Dank geht an die sechs Teilnehmenden des 157. BUND-Einsatzes und an Landwirt Andreas Hahn für die äußerst schmackhafte Unterstützung mit ganz frisch Hausgeschlachtetem.

Die Fotos zeigen den Deutschen Enzian, Exemplare des in Thüringen vom Aussterben bedrohten Katzenpfötchens und Eindrücke vom vergangenen BUND-Einsatz.

Interessenten an den Einsätzen sind stets herzlich willkommen und können sich unter bodo_schwarzberg@yahoo.de jederzeit melden.
Bodo Schwarzberg