Mittwoch
23.11.2022, 16:37 Uhr
Autor
red
Ein Hybridunterricht à la Thüringen wird so nicht funktionieren, wie es sich Minister Holter vorstellt, warnt Heike Schimke, Vorsitzende des Thüringer Philologenverbandes...
"Ein Lehrer, der mehrere Klassen unterrichtet, weil zu wenige Fachlehrer da sind – das bedeutet:
Ein Lehrer soll 50 und mehr Schülerinnen und Schüler gleichzeitig fachlich und pädagogisch individuell betreuen – nicht nur in Präsenz, sondern auch digital. Ein Lehrer muss für 50 und mehr Schülerinnen und Schüler Arbeiten erstellen und korrigieren (und in irgendeiner Weise auch die vorgeschriebenen mündlichen Leistungsüberprüfungen organisieren). Allein dies ist nicht zu schaffen. Das ist das Unterrichten mehrerer Klassen gleichzeitig bei einfacher Anrechnung der Stunde in der Unterrichtverpflichtung und Potenzierung der Arbeitsbelastung, rechnet die Verbandschefin vor.
Ganz nebenbei ist anzumerken, dass die online unterrichteten Schüler wohl kaum ohne Aufsicht ‚wie die Eckerchen‘ sitzen und konzentriert und aufmerksam dem Online-Unterricht lauschen werden, so Heike Schimke weiter. In den online unterrichteten Klassen werden also Aufsichten benötigt. Wo sollen diese herkommen?
Und letztendlich bleibt das leidige Problem der Technik. An vielen Schulen ist die für einen möglichen Onlineunterricht notwendige Technik gar nicht vorhanden. Um Unterricht streamen zu können, wären sowohl für die Schule, in der
der Unterricht in Präsenz stattfinden würde, weitere Anschaffungen von Technik erforderlich (z. B. Kameras und Mikrofone), als auch in den Schulen, in die der Unterricht übertragen werden soll (große Bildschirme oder Einzelgeräte). Der Ausbau des W-LAN und der entsprechend leistungsfähigen Kabelverbindungen steht an vielen Schulen auch noch aus.
Andreas Schleicher (OECD) befürwortet den Onlineunterricht, fordert jedoch gleichzeitig flexibleren Einsatz der Lehrkräfte und eine stärkere individuelle Betreuung. Wie soll das denn gehen?, fragt Heike Schimke. Der Einsatz von Lernsoftware und Selbsterarbeitung von Stoff ist zwar machbar. Das hat der Hybridunterricht in der Pandemie gezeigt. Jedoch muss eine Lehrkraft die Schüler dennoch betreuen, Lernergebnisse sichern, ergänzen und korrigieren. Das ist nicht möglich, wenn ein Lehrer auf der einen Seite voll im Unterricht eingesetzt ist und auf der anderen Seite zusätzlich online Stoff methodisch-didaktisch für eine andere Schülergruppe in Klassengröße aufbereiten soll. Da sind Lehrkräfte bereits in der Pandemiezeit an ihre äußersten Grenzen geraten.
Der von Sachsen initiierte Modellversuch zum Hybridunterricht gehe von einem anderen Ansatz aus. Hier soll versucht werden, bei kleinen Lerngruppen vor Ort mithilfe des Mischunterrichts dennoch erhöhte Kurswahlmöglichkeiten zu bieten. Ob dies sinnvoll ist oder nicht, darüber kann man sich trefflich streiten, merkt Heike Schimke an und ergänzt: "Über die Vorstellungen in Thüringen jedoch definitiv nicht."