Eine nnz-Betrachtung von Cornelia Wilhelm

Gedanken zu Martini

Donnerstag
10.11.2022, 14:53 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Das Martinifest hat in Nordhausen eine lange Tradition. Auch heute feiern wir wieder den Geburtstag des Dr. Martin Luther. Aber die Stimmung wollte heute Morgen so ganz und gar nicht feierlich sein...

„Das ist ja eine Unverschämtheit!“ schallt es mir entgegen, als ich den Supermarkt betrete. Ein Mann mit enttäuschter Miene kommt mir mit seinem Einkaufskorb entgegen und schimpft auf die Preise für die Martinsbrezeln. „Die sind ja bei der Konkurrenz, die schon hochpreisig ist, noch knapp einen Euro günstiger.“ Zwei Damen, die in der Nähe stehen, stimmen mit ein. Die Verkäuferin hat ein dickes Fell. Ich frage sie, wie oft die Kunden heute schon wegen der Preise geschimpft haben. „Die Brezelpreise sind wirklich ziemlich hoch“, entgegnet sie mir. Aber auch an Personal mangele es und für viele Handwerksunternehmen spitzt sich die Lage seit Wochen immer mehr zu. Preissteigerungen bei Energie und Rohstoffen zehren an der Liquidität. Wir kaufen preisbewusster und gezielter ein.

Dennoch, ob nun mit oder ohne Martinsbrezel, hat das Martinifest in Nordhausen eine sehr lange Tradition. Man könnte sagen, es hat Volksfest-Charakter. Horst Kieber war ein bekannter Stadthistoriker. Er hat vor knapp 30 Jahren in einer Lokalzeitung über die Begehung der Martinifeier in Nordhausen berichtet. Gern wollen wir in Zusammenhang mit dem heutigen Feiertag daran erinnern:

„Nordhausen ist im Jahr 1802 zu Preußen gekommen“, berichtet Kieber. Und in dieser Stadt – in unserer Heimatstadt – habe es immer eine stramme Ordnung gegeben. Der Nordhäuser Magistrat schrieb zur damaligen Zeit monatlich Berichte an die preußische Regierung, die über alles, was in der Stadt Nordhausen geschah, Auskunft gaben. Angefangen von Handel und Gewerbe bis über die Ernteaussichten und den Gesundheitszustand der Bevölkerung.

Im Bericht des Monats 1917 war folgendes nachzulesen: „Auf dem am 30. und 31. Oktober gefeierten Reformationsfest folgte am 10.November das dem großen Luther allein gewidmete Fest, die Geburtstagsfeier desselben. Ein Fest welches alhier sowie in den umliegenden Gegenden lediglich durch ein Abendessen gefeiert wird und seit undenklichen Zeiten ein wahres Volksfest ist, dessen Feier indes auf die Geschäfte des Tages nicht den kleinsten, wesentlich nachteiligen Einfluss hat, sondern der Regsamkeit des Handels gerade an diesem Tage einen sehr merklichen Umschwung gibt, da sämtliche alhier ankommende Land- und Fuhrleute pp stillschweigend eingeladen und willkommene Gäste sind, welche ohne weiteres an dem Male des Hausvaters freien Antheil nehmen […]“

Knapp 100 Jahre später, im Jahr 1918 konnte man im Nordhäuser Martinibericht nun folgendes lesen: „Zu den jährlich alhier wiederkehrenden Volksfesten gehört der sogenannte Martinsabend. Es ist dieses ein Fest, welches am Geburtstage des großen Reformators Luther aus der alten Vorzeit auf uns gekommen ist und am Abend des 10.November begangen wird. Die Form des Festes erhält sich unverändert, und man findet im kleinsten Hause dieselben, durch die alte Gewohnheit vorgezeichneten Gerichte ebenso, wie im größten Hause. Es ist dieses der Nordhäuser eigentliches Volksfest, an welchem alt und jung, reich und arm mit Interesse teilnimmt. Der ärmste Theil der hiesigen Einwohner spart vielleicht längere Zeit, um nur an diesem Tage ein Gericht grünen Kohl, einen Fisch, Gänsebraten und gemahlte Lichter zu haben. Nach diesem Genuss sucht ein Jeder den übrigen Theil des Abends oder der Nacht froh zu verleben und so beschränkt sich diese Feier ausschließlich für den Abend, indeß am Tage selbst die gewöhnlichsten Geschäfte unverändert in demselben Gange bleiben.“

Mit diesen Berichten soll die preußische Regierung in Erfurt zur damaligen Zeit wohl zufrieden gewesen sein. In den nachfolgenden Jahren hätten sich diese Niederschriften nicht wesentlich verändert und seien auch kürzer gewesen, schreibt Historiker Horst Kieber. Auch wurde immer wieder darauf verwiesen, dass die Speisen und die Form der im grauen Altertum entstandenen Begehungsweise der Feierlichkeit unverändert blieben.

Cornelia Wilhelm