Die Geschichte eines großen Missverständnisses

Der schwärzeste Tag seines Lebens

Mittwoch
02.11.2022, 07:07 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Mohammed Warreich Sarwar lebt seit 25 Jahren in Deutschland und ist ein erfolgreicher Unternehmer. In dieser Zeit hat der fünffache Vater und Besitzer vier gutlaufender indischer Restaurants einiges erlebt. So etwas wie letzten Mittwoch in Nordhausen allerdings noch nicht …

Seit Ende vergangenen Jahres prangt ein Vorankündigungsplakat im Fenster des ehemaligen Cafés am Zorgeufer in der Bahnhofstraße. „Indische Spezialitäten“ werden darauf verheißen und als Eröffnungstermin ein zeitlich durchaus dehnbares „demnächst“ angegeben. nnz-Mitarbeiter Anton Adlerauge fragte schon im Juli, wie lange sich das noch hinziehen könnte. Neugierige werden heutzutage schnell im Internet fündig, dass unter dem Namen „Sadhu“ vier profitable, weil gefragte Objekte in ganz Deutschland laufen, die mit indischer Küche zur gastronomischen Bereicherung an ihren Standorten beitragen.

Ankündigungsplakat in der Bahnhofstraße (Foto: nnz-Archiv) Ankündigungsplakat in der Bahnhofstraße (Foto: nnz-Archiv)

Diese Erfolgsgeschichte wollte Herr Warreich Sarwar in Nordhausen fortschreiben und erwarb das Café. Wohlgemerkt: er hat es nicht gepachtet oder gemietet, sondern gekauft, so wie auch alle anderen Wohnungen im Haus Bahnhofstraße 19 a Eigentumsobjekte verschiedener Besitzer sind.

Sein Plan war, das Café zum Vollrestaurant umzugestalten. Genehmigungen wurden eingeholt, diverse Forderungen der Ämter erfüllt, ein junger Geschäftsführer für Nordhausen eingestellt, eine Architektin engagiert, eine Küchenbaufirma beauftragt, eine Abluftanlage entworfen, ein neuer Gasanschluss ans Haus gelegt und zu insgesamt vier Eigentümerversammlungen von Berlin aus nach Nordhauen aufgebrochen, damit alles seine Richtigkeit hätte. Kostenpunkt laut Aussagen des Unternehmers über 30.000 Euro.

In den drei vorangegangenen Eigentümerversammlungen des Hauses Bahnhofstraße 19 a wurde Herr Warreich Sarwar zur Beibringung von Genehmigungen und Erlaubnissen und schließlich einer Abluftanlage aufgefordert, denn Küchengerüche wurden von seinen Hauseigentumspartnern als größtes Problem der Restaurantbetreibung ausgemacht. Jetzt kam es letzten Mittwoch zum traurigen Endpunkt der Geschichte. Die anderen Eigentümer des Hauses lehnten es schlichtweg ab, dass ins Erdgeschoss ein indisches Restaurant einzieht. Diese Entscheidung habe von Anfang an im Raum gestanden und sei Herrn Warreich Sarwar bekannt gewesen, sagen die Eigentümer. Es habe hier früher auch kein Vollrestaurant, sondern ein Café mit begrenzten Öffnungszeiten gegeben. Das wurde den angereisten Berliner Geschäftsleuten mitgeteilt und dass ein Restaurantbetrieb zur Wertminderung ihres Eigentum führen würde. Auf eine vom täglichen Restaurantbetrieb abweichende Geschäftsidee sei der Berliner Unternehmer leider nie eingegangen, berichtete uns eine Vertreterin der involvierten Immobilienfirma, die nach eigenen Angaben versucht hatte, vermittelnd zu schlichten.

Mit der endgültigen Ablehnung seines Ansinnens konfrontiert, fragte der aus Pakistan stammende Gastronom vergeblich in die Runde, ob jemand der Anwesenden ihm das Objekt vielleicht abkaufen wolle.

Jetzt ist der Mann, der seit drei Jahren über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügt, zutiefst enttäuscht und kann es nicht fassen, dass man ihn ein Jahr lang arbeiten und investieren ließ, um ihn dann letztendlich abzuweisen und seinen Traum von einem Restaurant am Zorgeufer zerstört. Für seinen bestellten Geschäftsführer in Nordhausen, der bereits zwei indische Köche engagiert hatte, ist die Absage eine existentielle Katastrophe.

Ein teures Missverständnis für den engagierten Unternehmer, der sich lediglich vorwerfen lassen muss, nicht vor dem Kauf des Objekts mit den anderen Eigentümern gesprochen zu haben. Denn die Rechtslage ist eindeutig die, dass alle Miteigentümer der Immobilie Bahnhofstraße 19 a dem Betreiben des indischen Restaurants hätten zustimmen müssen. Was sie aber alle nicht taten.

So bleibt ihnen nun wohl der Geruch von Knoblauch, Safran und Koreander erspart, der Stadt Nordhauen dagegen ein weiteres, möglicherweise die Bahnhofstraße bereicherndes Restaurant.
Olaf Schulze