Überraschende Steuerschätzung für die nächsten vier Jahre

Staat erwartet 126 Milliarden Euro Steuerüberschuss

Donnerstag
27.10.2022, 16:22 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Den sagenhaften Betrag von 126 Milliarden Euro erwartet die Bundesregierung an Mehreinnahmen aus Steuern in den nächste vier Jahren. Für Thüringens Finanzministerin Heike Taubert kein Grund, etwa Steuersenkungen in Erwägung zu ziehen. Denn „ auch die Risiken und Unsicherheiten“ würden steigen …


Das sagte die Ministern heute zu den bundesweiten Ergebnissen der Herbst-Steuerschätzung. Bund, Länder und Gemeinden können danach in den Jahren 2022 bis 2026 nochmals mit satten Mehreinnahmen rechnen. Das ist das Ergebnis des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“, dessen 163. Sitzung in Dessau-Roßlau heute zu Ende gegangen ist.

Insgesamt werden über alle Jahre des Schätzzeitraumes gesamtstaatliche Mehreinnahmen von 126 Milliarden Euro gegenüber der Schätzung vom Mai 2022 erwartet. Auf Bund, Länder und Gemeinden entfallen davon 47 Milliarden Euro, 43 Milliarden Euro bzw. 40 Milliarden Euro.

Für das laufende Jahr 2022 wird für die Länder von Mehreinnahmen in Höhe von 3 Milliarden Euro ausgegangen.

Finanzministerin Taubert erklärte dazu: „Wir sind in einer ungewöhnlichen Situation, in der die konjunkturelle Lage, vor allem aber der Ausblick, extrem eingetrübt ist und gleichzeitig die Einnahmen des Staates weiter steigen.“ Taubert zieht daraus nicht den Schluss, dass der Staat eventuell die Bürger bei Steuern entlasten könnte, sondern mahnt stattdessen, die nun erfolgte Aufwärtskorrektur nicht losgelöst von den enormen Unsicherheiten und Risiken zu sehen: „Zum einen kann die Konjunktur bald doch stärker auf die Einnahmen durchschlagen, als gegenwärtig angenommen. Zum anderen können weitere Entlastungsmaßnahmen erforderlich werden, um Effekte der Energiepreiskrise für die Gesellschaft abzufedern.“

Aktuell erfolge gerade die Umsetzung des sogenannten Entlastungspaketes III, das in den Ergebnissen der Steuerschätzung nur teilweise berücksichtigt ist. Weitere Maßnahmen daraus würden vor allem aber ab dem nächsten Jahr zu erheblichen Steuermindereinnahmen führen. Hier ist insbesondere das Inflationsausgleichsgesetz zu nennen. Die Effekte der nicht berücksichtigten Maßnahmen aus dem Entlastungspaket III summieren sich auf 21 Milliarden Euro im kommenden Jahr und 34 Milliarden im Jahr 2024.

Warum die Steuerschätzer die Entlastungspakete in ihrer Prognose nicht mit berücksichtigten, erläutert die Ministerin nicht und verteidigt diese Maßnahmen vehement: „Die bereits umgesetzten Entlastungspakete I und II sowie das aktuelle Entlastungspakt III sind ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit. Neben den Einnahmen steigen auch die staatlichen Ausgaben insbesondere für die Aufnahme, Unterbringung und Integration der aus der Ukraine Geflüchteten.“

Die konkreten Auswirkungen der Ergebnisse der Steuerschätzung auf Thüringen werden in den kommenden Tagen im Finanzministerium berechnet. Heike Taubert gibt jedoch bereits heute einen Ausblick: „Die Mehreinnahmen werden sich merklich im aktuellen Landeshaushalt niederschlagen.“ In diesem Zusammenhang verwies Taubert in ihrer Presseerklärung an die Zweckerweiterung des Corona-Sondervermögens und auf die Maßnahmen zur Bekämpfung der Folgen der Energiekrise: „Wir werden diesem Sondervermögen nochmals 350 Millionen Euro aus der Rücklage des Landes zuführen. Ich plädiere deshalb dafür, Steuermehreinnahmen zur Stabilisierung der Haushaltsausgleichsrücklage einzusetzen. Sie ist unser wichtigstes Instrument, um auch auf unvorhergesehene Entwicklungen reagieren zu können.“

Der Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ hatte vom 25. bis 27. Oktober 2022 getagt. Die Auswirkungen der aktuellen Herbst-Steuerschätzung für die Jahre 2022 bis 2027 auf Thüringen und seine Kommunen werden in der kommenden Woche am 2. November 2022 in der Kabinettsitzung der Landesregierung beraten und anschließend vorgestellt.

Die aktuelle Steuerschätzung basiert auf den gesamtwirtschaftlichen Rahmendaten der Herbstprojektion der Bundesregierung vom Oktober 2022. Danach wird die Prognose für das Wachstum des preisbereinigten Bruttoinlandsproduktes (BIP) im Vergleich zur Mai-Steuerschätzung für das laufende Jahr 2022 von 2,2 Prozent auf 1,4 Prozent abgesenkt. Ursächlich seien insbesondere die mit dem Ukraine-Krieg verbundene Entwicklung der Energiepreise sowie die verschärften Lieferkettenstörungen. Für das laufende Jahr wird die Inflationsrate 8,0 Prozent betragen. Gegenüber der Frühjahrsprojektion bedeutet das eine Anhebung um 1,9 Prozentpunkte. Für das kommende Jahr 2023 werden ein BIP-Rückgang von -0,4 Prozent sowie eine Inflationsrate von 7,0 Prozent erwartet.
Für die Jahre des mittelfristigen Prognosezeitraums 2025 bis 2027 wird ein durchschnittliches Wachstum von 0,8 Prozent pro Jahr sowie eine Annäherung der Inflationsrate an die Zielmarke der Europäischen Zentralbank von 2 Prozent unterstellt.

Wie der Bund die Steuermehreinnahmen verwenden will, ist derzeit nicht bekannt. Interessant ist aber, dass bei einer erwarteten Abschwächung der Wirtschaft und einem abgesenkten Bruttoinlandsprodukt die Steuereinnahmen des Bundes weiter steigen werden und eine hohe Inflationsrate bestehen bleiben. Höhere Preise auf alle möglichen Artikel und Dienstleistungen bedeutet immer auch höhere Steuereinnahmen für den Staat. Dessen Aufgabe ist es, die Mehreinnahmen an seine Bürger zurückzugeben. Darauf können wir gespannt sein in den nächsten Monaten.
Olaf Schulze