Reingeschaut

Drei Jahrzehnte Nachhaltigkeit

Mittwoch
26.10.2022, 12:04 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
Kaum ein Begriff wurde in den zurückliegenden Jahren so strapaziert, wie die “Nachhaltigkeit”. Mittlerweile wird er inflationär missbraucht, denn auch bei der Nachhaltigkeit ist nicht immer alles drin, was auf der Verpackung steht. Doch es gibt Ausnahmen, zum Beispiel seit drei Jahrzehnten in Nordhausen…

Jeanett Schüler in ihrem "Stoffwechsel" (Foto: nnz) Jeanett Schüler in ihrem "Stoffwechsel" (Foto: nnz)
Na, vielleicht haben Sie sich auch schon mal dabei ertappt: Frau oder Mann möchte sich von einer Jacke, einem Kleid, einer Hose oder einer Tasche trennen, weil kein Platz mehr in den Schränken ist? Eigentlich ganz einfach: ab in die Tonne und die vor die Tür gestellt. Aber nur eigentlich, denn es funktioniert auch anders. So ein Kleidungsstück oder Accessoires hat mitunter mehrere Leben und wenn man das alles noch verkaufen kann, dann ist das sowohl für den Geldbeutel als auch für die Umwelt eine Wohltat.

Jeanett Schüler kennt sich in dieser Branche bestens aus. Seit 1992 betreibt sie einen Second-Hand-Laden in Nordhausen. Zuerst in der Weidenstraße, nach vier Jahren dann der Wechsel in die Otto-Ludwig-Straße, in der Nähe des Petersberges. Aus der einstigen “Villa Kunterbunt” wurde neun Jahre später der “Stoffwechsel”. “Ich habe mich damals vom An- und Verkauf von Kindersachen getrennt und nur noch auf Mode, Schuhe oder Taschen für Erwachsene fokussiert. In meinem Geschäft findet sich kein abgelegter Ramsch aus dem Textildiscounter, sondern ausschließlich Markenware, denn auch die hat nicht nur ein Mode-Leben”, sagt die gelernte Verkäuferin.

Vera Börsch ist schon seit vielen Jahren eine Stammkundin (Foto: nnz) Vera Börsch ist schon seit vielen Jahren eine Stammkundin (Foto: nnz)
Dieses Geschäftsmodell hat nicht nur in der Kreisstadt seine zunehmende Stammkundschaft, sondern mittlerweile in der gesamten Region. Gute Qualität wird zu fairen Preisen sowohl angekauft als auch verkauft. Doch Jeanett Schüler ist wählerisch, nur ein Drittel von dem, was die Kundschaft bringt, wird auch in Kommission genommen. Und obwohl die Bekleidung dann an einer Stange hängt, ist sie eben nicht von dieser sprichwörtlichen. “Man muss in diesem Geschäft schon eine Menge Erfahrung und auch das richtige Gespür für das haben, was momentan angesagt und damit eben auch nachgefragt ist. Das gilt vor allem für das Segment der gehobeneren Kleidung”, berichtet Frau Schüler.

Was aber passiert mit den Stücken, die nach einer festgelegten Frist nicht weiterverkauft werden kann? Ist dann das textile Leben vorbei? “Überhaupt nicht. Was nicht verkauft wird, das gebe ich der Caritas und das schon seit 25 Jahren. Die Ware lebt also weiter.

Hier kann Frau oder Mann Stoffe wechseln (Foto: nnz) Hier kann Frau oder Mann Stoffe wechseln (Foto: nnz)
Im September feierte der “Stoffwechsel” seinen 30. Geburtstag und überstand die Corona-Krise, auch durch die Inanspruchnahme von staatlichen Unterstützungen. Momentan sind es die steigenden Energiepreise, die Jeanett Schüler umtreiben. Doch auch das wird die Unternehmerin meistern. Denn neben dem wirtschaftlichen Erfolg sind es auch die besonderen Momente, die zählen. “In den drei Jahrzehnten habe ich einige Kunden begleitet, die einst von ihren Eltern im Kinderwagen ins Geschäft geschoben wurden und die nun selbst als Eltern mit ihren Sprösslingen im Laden stehen. Diese Momente sind mir besonders wichtig und machen vielleicht das aus, was ich ebenfalls unter Nachhaltigkeit verstehe.”
Peter-Stefan Greiner