Thüringer ÖPNV-Symposium

Verkehrsexperten tauschten sich mit Abgeordneten aus

Freitag
14.10.2022, 14:24 Uhr
Autor:
red
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Die Thüringer Verkehrsbranche hatte gestern die Thüringer Landtagsfraktionen zu einem ÖPNV-Symposium geladen. Dem lang geplanten Treffen folgten die verkehrspolitischen Sprecher mehrerer Fraktionen...

Von CDU (Malsch), SPD (Liebscher) und LINKE (Dr. Lukin) waren Vertreter vor Ort. Die Linksfraktion wartete sogar mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Steffen Dittes auf.

Das Treffen wurde durch die zufällig zeitgleich in Bremen stattfindende Pressekonferenz der Verkehrsministerkonferenz aufgewertet. Die epochale Entscheidung für ein Deutschland-Ticket zum Preis von 49 Euro bestimmte damit die Debatte.

Die Thüringer Verkehrsunternehmen äußerten sehr deutlich und mit drastischen Worten den dringenden aktuellen Handlungsbedarf zur Sicherung der Verkehre und Unternehmen. Die aktuelle Krisenbewältigung von Kostenexplosion und Arbeitskräftemangel steht im Vordergrund. Dabei machten die Parlamentarier Hoffnung auf die heute debattierten Soforthilfen aus einem neuen Thüringer Sonderfonds. Darin soll der Bereich der Personenbeförderung und des ÖPNV verankert werden. Ebenso drängend sind aktuelle Fragen der Personalgewinnung für diesen Winter. Erfolgt keine kurzfristige finanzielle Stabilisierung der Unternehmen droht neben einer deutlichen Fahrpreisanhebung eine Angebotskürzung. Damit würden die verkehrspolitischen Erfolge der Vor-Corona-Zeit endgültig beerdigt.

Verstört zeigten sich die Busvertreter über die Nachricht, dass die Landesregierung zwar bereits an einer Dekarbonisierungsstrategie im Schienenverkehr arbeitet, aber dies im Bereich Busverkehr dem Selbstlauf überlässt und die Förderung für die Beschaffung von Omnibussen auf Null fährt. So würde eine Antriebswende nie gelingen. Insbesondere der Busverkehr braucht eine technologieoffene, aber gesteuerte Entwicklung, da derzeit zu viele Systeme parallel debattiert werden und ein Trend nicht erkennbar ist. Im Schienenverkehr ist die elektrische Oberleitung die seit 120 Jahren bewährte Lösung, welche nur ausgerollt werden muss.

Bis kommendes Frühjahr ist zu klären wie die Kosten des Deutschland-Tickets den Unternehmen rückvergütet werden. Dabei stehen den Unternehmen kaum handfeste Informationen zur Verfügung. Die Sicherung der Liquidität ist vom ersten Gültigkeitstag an zu gewährleisten, denn die Landkreise und Städte sind schon überproportional belastet!

Langfristig müssen Strategien zur Dekarbonisierung der Fahrzeuge, für mehr Barrierefreiheit und vertaktete Regionalbusse sowie generell eine Erhöhung des Angebotes kommen. Das werden die Bürger einfordern, insbesondere in den ländlichen Regionen. Die bestehenden guten Ansätze müssen deutlich beschleunigt werden. Es ist zu definieren, was unter „ÖPNV“ zukünftig zu verstehen ist und was die Gesellschaft finanzieren kann, besonders wenn die Lenkungsfunktion von Tarifen durch das pauschalisierte Deutschland-Ticket für Jedermann wegfällt.

Die Branchenvertreter sprachen von einer aktuellen multiplen Krise des ÖPNV. Geschäftsführer mit langjähriger Berufserfahrung zeigten sich ratlos angesichts der enormen Herausforderungen, die alle Bereiche der Unternehmen zeitgleich betreffen.

Daher forderten die Teilnehmer wiederholt eine interministerielle Befassung des Themas ÖPNV in Thüringen. Die Probleme können nicht allein vom Infrastrukturministerium und nicht nur unter Rückgriff auf Regionalisierungsmittel (Bundesmittel) gelöst werden. Eigene Landesmittel müssen bereitgestellt werden, wobei die Bemühungen um mehr Bundesmittel nicht nachlassen dürfen.

Es ist ein Strategie- oder Masterplan ÖPNV aufzustellen. Dafür bietet sich die Branche zur Teilnahme an einem Runden Tisch an.

Sehr kurzfristig muss ein Fachmann im Ministerium bestimmt werden, der sich ausschließlich um die Fragen des Deutschland-Tickets und die zahlreichen ungelösten nachfolgenden Fragen kümmern muss.