Ordentlicher „Wumms“ für Koalitionspartner FDP in Umfragen und bei Wahlen

Zeitfenster liberalen Zauderns schließt sich schnell

Donnerstag
13.10.2022, 15:55 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Die einstmals stolzen freien Demokraten brachen im Jahre 2017 die Koalitionsverhandlungen ab, als die Ewig-Kanzlerin Merkel bereit war, zur Abwechslung auch mal mit den Grünen zu regieren. Lieber in die Opposition gehen, als die Forderungen der einstigen Öko-Partei mittragen, war die Devise. Und was ist heute, fragt sich Olaf Schulze…

Schauen FDP-Politiker bald als Besucher auf die Arbeit des Bundestages? (Foto: nnz-Archiv) Schauen FDP-Politiker bald als Besucher auf die Arbeit des Bundestages? (Foto: nnz-Archiv)
Niemand weiß mit Sicherheit zu sagen, warum der Coverboy der Liberalen vier Jahre später unaufgefordert und freiwillig nicht nur mit der ungeliebten SPD, sondern eben auch mit den seiner Meinung nach nicht regierungsfähigen Grünen in eine Koalition eingetreten ist. An einer Änderung der Politikausrichtung der Grünen seit der letzten Bundestagswahl kann es nicht gelegen haben. Ganz im Gegenteil ist deren ideologischer Regierungsansatz mit den neuen Anführern Annalena Baerbock und Robert Habeck noch klarer, unerbittlicher und dogmatischer geworden. Hatten die Freidemokraten 2017 beklagt, dass die Grünen keinerlei politischen Realismus gelten lassen würden, was haben sie denn dann im letzten Herbst bei den Koalitionsverhandlungen empfunden?

Böse Zungen behaupten, es wäre Lindner nur um die Teilhabe an der Macht gegangen, er habe unbedingt mitregieren und ein Amt haben wollen, egal mit wem als Partner. Nun, das ist sicherlich nicht beweisbar und wird wohl kaum jemals so bestätigt werden; aber all das ist ja auch der Schnee des letzten Winters. Vielleicht des letzten Winters, wie ihn die meisten von uns ihr ganzes Leben lang kannten: in Frieden und Wärme mit halbwegs bezahlbaren Heizkosten.

Natürlich konnte Christian Lindner nicht wissen, dass nur kurz nach seiner Ernennung zum Finanzminister russische Truppen auf ukrainisches Gebiet vordringen und der Ansage seiner Außenministerin, es werde mit ihr keine Eröffnung der Nordstream 2-Leitung geben, quasi Gas ins Feuer schütten würden. Was danach kam hatte aber weder mit liberaler noch sonst irgendwelcher bisher bekannten Politik zu tun. In einem Überbietungswettbewerb der Sanktionen hauten die diplomatisch und wirtschafswissenschaftlich eher ungeübten Regierenden in Berlin sich und dem ganzen Land die komplette Energieversorgung unter den Füßen weg. Hilfspakete mit hier 200 Euro und dort einem dreimonatigen Preiserlass auf Kraftstoff und Bahnkosten konnten keine Lösung des drängenden Problems herbeiführen. Wenn das einer in der momentanen Bundesregierung hätte wissen müssen, dann der Finanzminister und Liberaldemokrat Lindner, dessen Parteiphilosophie darauf fußt, dem Bürger so viel Freiheit und Vermögen wie möglich und so wenig staatliche Eingriffe wie nur irgend nötig zu gewährleisten.

Spätestens im Sommer hätte es ihm dämmern müssen, dass die gewagten Vorstellungen seines grünen Koalitionspartners zur Energiesicherheit für Bürger und Wirtschaft unweigerlich in eine umfassende Krise dramatischen Ausmaßes führen werden. Jetzt bekommt seine Partei für ihre indifferente Haltung und die Ausrede, in der Koalition „das Schlimmste verhindern“ zu wollen, inzwischen die Quittung bei Landtagswahlen und verabschiedete sich am Sonntag auch aus dem niedersächsischen Landesparlament. In den Umfragen zur Bundeswahl dümpelt die FDP bei gerade noch 6-7 Prozent herum. Die fehlenden vier Prozentpunkte zum letzten Bundestagswahlergebnis hat dagegen die verhasste AfD zugelegt.

Lindner und seine Parteistrategen sollten sich vielleicht überlegen, wie wichtig der Machterhalt heute noch ist. Es stellt sich die Frage, ob sie die Regierung in drei Jahren abgewählt und planmäßig verlassen wollen, oder ob sie den Mut aufbringen, die jetzige Ampelregierung zu sprengen und dem hilflos wirkenden Schlingern der Ampelkoalition ein Ende zu bereiten.

Die Argumente dafür dürften heute die gleichen sein wie während der Koalitionsverhandlungen vor fünf Jahren; allerdings sind die damaligen hypothetischen Befürchtungen von der heutigen grünen Realität längst überholt worden. Viel Zeit bleibt auch nicht mehr zum Handeln, denn der Winter steht schon vor der undichten Tür. Der derzeitige Streit um den weiteren Betrieb der Atomkraftwerke bis 2024 kann nur der Anfang des liberalen Aufbegehrens sein, wenn die FDP nicht die Plenardebatten im nächsten Bundestag von außen mit platt gedrückten Nasen an den Fenstern des Berliner Reichstages verfolgen will.
Olaf Schulze