30 Jahre Schachtbau und Bauer

Der Vermittler, der Mutige und der Macher

Freitag
16.09.2022, 13:53 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Die Wendezeit kennt nicht viele große Erfolgsgeschichten aus Nordhausen, zu vieles was gewohnt war, was bis dahin als „Groß“ galt, ging unter. Ein paar Institutionen aber sind geblieben, darunter auch der Schachtbau. Vor genau 30 Jahren wurde das Traditionsunternehmen von der Bauer-Gruppe übernommen. Diese Geschichte wurde zum Erfolg, den man heute feierlich beging…

Schachtbau ist seit 30 Jahren fester Bestandteil der Bauer-Gruppe und das wurde heute gefeiert (Foto: agl) Schachtbau ist seit 30 Jahren fester Bestandteil der Bauer-Gruppe und das wurde heute gefeiert (Foto: agl)

Vor allem drei Leuten ist es zu verdanken, dass Schachtbau die turbulenten Wendejahre überstehen konnte: Thomas Bauer, Prof. Heinrich Markgraf und Dr. Peter Pfeifer. Es ist Bauer, der Unternehmer aus Bayern, der vor exakt 30 Jahren, am 16. September 1992, das Nordhäuser Traditionsunternehmen kauft und Schachtbau über die Jahre zu einem wesentlichen Bestandteil seiner Unternehmensgruppe macht. Es ist Markgraf, der die Kontakte hält, neu knüpft und in der wirren, neuen Welt gemeinsam mit Bauer Zukunftspläne schmiedet und schließlich ist es Pfeifer, der das Schiff als Geschäftsführer durch die schwere See der Nachwendezeit führt.

Die Rückschau nach 30 Jahren gemeinsamer Arbeit oblag heute aber keinem der drei, sondern dem amtierenden Schachtbau-Chef, Michael Seifert. Der suchte den Anfang in der Geschichte, berichtet vom 16. September 1989 und der Alltäglichkeit in den letzten Tagen der DDR, von den drei turbulenten Jahren die folgen sollen und von den Kämpfen, die man auch nach der Übernahme zu bestehen hat.

In einer Zeit des radikalen Umbruchs steht der Volkseigene Betrieb, eben noch staatlich gelenkt, auf einen Schlag alleine da, mit 3.000 Beschäftigten. „Es gab kein Lehrbuch, wie man damit umzugehen hatte, was es brauchte war Mut, Beharrlichkeit und Schnelligkeit“, sagt Seifert. Mit der Herauslösung aus dem Mansfeld-Kombinat glaubt man, das Schicksal in die eigenen Hände nehmen zu können, doch kurze Zeit später übernimmt das die Treuhand-Gesellschaft. Gleichzeitig aber legt man die Grundsteine für die Expertise im Stahlbrückenbau, die einen 27 Jahre später bis ans Nordkap führen wird.

Den Rückblick auf drei bewegte Jahrzehnte übernahm Schachtbau-Geschäftsführer Michael Seifert (Foto: agl) Den Rückblick auf drei bewegte Jahrzehnte übernahm Schachtbau-Geschäftsführer Michael Seifert (Foto: agl)

Doch erst einmal sind Jammer und Pein groß, man muss drastisch Personal abbauen. In dieser Zeit nimmt Markgraf alte Fäden wieder auf und kommt mit der Firma Bauer Spezialtiefbau ins Gespräch. Man kennt sich, hat schon vor der Wende zusammen gearbeitet. Nun stecken Heinrich Markgraf und Thomas Bauer die Köpfe zusammen. Drei Tage grübelt man und legt den Grundstein für ein neues, gemeinsames Unternehmen, die „SPESA“ Spezialbau- und Sanierung, eines der ersten „Joint Venture“ der neuen Zeit.

Die Partnerschaft läuft gut, doch in Bayern geht die Sorge um, dass man den Partner an einen Investor verlieren könnte. Und so greift Thomas Bauer zu, in Berlin wird der Verkauf unter Dach und Fach gebracht.

„Das war eine spannende Zeit, man musste sich erst einmal abtasten und kennenlernen aber das lief immer fair und auf Augenhöhe“, sagt Seifert. Das Verhältnis sei immer von Vertrauen in die Geschäftsleitung geprägt gewesen und so beließ Bauer, entgegen anders lautender Empfehlungen Dritter, alle maßgeblichen Personen in ihren Funktionen. Die müssen nun Marktlücken ausfindig machen. Schachtbau wollte Straßentunnel bauen, wird bald aber auch anderweitig tätig, bis hin zu Biogasanlagen und Forsterntemaschinen. Man wird international arbeiten, in Spanien, Rumänien, Frankreich und sogar in Abu Dhabi. Nicht immer hat man Erfolg, es gibt Rückschläge die man teuer bezahlt, aber am Ende geht es voran.

Ein besonderer Dank gelte der konstanten und aufopferungsvollen Begleitung durch Thomas Bauer, sagt Seifert. Er habe dafür gesorgt, dass Schachtbau seinen eigenen Weg gehen konnte und in Schweißarbeit, Stahl- und Bergbau eine Expertise aufgebaut habe, die es so in Deutschland kein zweites mal gebe. „30 Jahre gemeinsame Arbeit haben sich gelohnt“, schließt Seifert.

Grußworte und Glückwünsche gab es auch von der Politik, von alten Wegbegleitern und aus der Mitte der eigenen Reihen. Ministerpräsident Ramelow hat die Spuren der Nordhäuser noch in Vietnam gefunden, Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee lobte die unternehmerische Entscheidungs- und Risikofreude, von der man in diesen Tagen wieder mehr brauchen könne und Oberbügermeister Buchmann gab Thomas Bauer Gelegenheit, sich für seine Verdienste um das prägende Traditionsunternehmen der Stadt in das Goldene Buch Nordhausens einzutragen.

Ein Bayer in Nordhausen
Auch in Bayern erinnert man sich lebhaft an die ersten Jahre. Man habe damals das Gefühl gehabt, einen Beitrag zu den Geschehnissen leisten zu müssen und Teil des Neuen zu werden. „Wir hatten als „Wessis“ überhaupt keine Ahnung“, erzählt Thomas Bauer, Mentalität, Arbeitsweise und die Notwendigkeiten die ein Arbeiten mit sich bringt, dass aus wenig viel zu machen hatte, waren nur schwer nachvollziehbar.

Nach den drei Tagen auf der Markgraf’schen Datsche und der Gründung der „SPESA“ habe man immer „rübergeschielt“ zu Schachtbau um zu sehen, wie es geht. „Es war ja gar nicht denkbar, dass so ein großes Unternehmen bei solchen Umwälzungen die Kraft hat, noch etwas zu bewegen und etwas völlig Neues zu beginnen. Man hat sich lauter Sachen getraut, mit denen man noch nie etwas zu tun hatte. Hätte es diesen Mut nicht gegeben, dann wäre Schluss gewesen. Da war Wille drin bei Schachtbau und es war beeindruckend das zu sehen“.

Ehre wem Ehre gebührt: der "Mutige", Thomas Bauer beim Eintrag in das Goldene Buch der Stadt, dahinter Oberbürgermeister Kai Buchmann, der "Macher" Dr. Peter Pfeifer, Geschäftsführer Michael Seifert und "der Vermittler", Prof. Heinrich Markgraf (Foto: J. Piper) Ehre wem Ehre gebührt: der "Mutige", Thomas Bauer beim Eintrag in das Goldene Buch der Stadt, dahinter Oberbürgermeister Kai Buchmann, der "Macher" Dr. Peter Pfeifer, Geschäftsführer Michael Seifert und "der Vermittler", Prof. Heinrich Markgraf (Foto: J. Piper)


Die Entscheidung, sich um den Kauf der Nordhäuser Firma zu bemühen, sei dann „in einem verrückten Moment“ gefallen. Die Zukunft, erinnert sich Bauer, habe damals für alle „golden“ ausgesehen und aus dieser Überzeugung sei der Mut erwachsen. Doch es sollte anders kommen. Kaum zwei Jahre nach der Übernahme brechen die Märkte ein, viele Unternehmen gehen unter. Doch Bauer und Schachtbau überleben auch das. Man steckt die Köpfe zusammen und unter Pfeifer’s Führung umschifft man die Untiefen der Nachwendejahre. „Es war unglaublich wie schnell die Schachtbauer gelernt haben und blendend mit neuen Arbeitsweisen umgehen konnten. Wie waren im Westen immer der Meinung, die Qualität im Osten sei schwach und oft war das auch der Fall. Was aber ganz und gar nicht schwach war, dass waren die Leute. Die konnten gute Qualität liefern, wenn man sie nur ließ.“, sagt der Bayer heute im Ratssaal.

Schwieriger sei der Umgang mit den „informellen Regeln der Marktwirtschaft“ gewesen, da habe man einen gewaltigen Lernprozess hinter sich bringen müssen. Aber die Entscheidung, den neuen Weg mit den alten Leuten zu gehen, sei die richtige gewesen. „So ein Unternehmen, dass konnte man nicht an einen westlichen Manager übergeben, davon war ich überzeugt. Ehe der sich an die Kultur des Umgangs gewöhnt hätte, wäre die Sache schief gegangen. Also machten wir das mit den vorhandenen Leuten“.

Es sei ein „eiserner Weg“ gewesen, sagt Bauer weiter, aber einer, den man zusammen gegangen sei. „Die Welt hat damals nicht hinter den Leuten gestanden, wir haben das gemeinsam getan und das ist der Grund, warum es gelungen ist“.
Angelo Glashagel