Vortrag über Robert Graf Hue de Grais:

Von Wolkramshausen nach Japan

Mittwoch
14.09.2022, 14:47 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Rund 600 Besucher zählte man zum diesjährigen „Tag des offenen Denkmals“ im Schloss Hue de Grais in Wolkramshausen. Groß war daher auch das Interesse am Dienstag im Museum Tabakspeicher, als Robert von Lucius über den bedeutendsten Bewohner des Ritterguts referierte: Robert Graf Hue de Grais…

Robert von Lucius, Urenkel Hue des Grais' bei seinem Vortrag (Foto: V. Eisfeld) Robert von Lucius, Urenkel Hue des Grais' bei seinem Vortrag (Foto: V. Eisfeld)

„Auf dem Schreibtisch jedes preußischen Beamten lag ein ‚Hue de Grais‘“, so begann Robert von Lucius vor rund 50 Zuhörern seinen Vortrag über seinen Urgroßvater, dem bedeutenden Verwaltungsjuristen und wohl bekanntesten Bürger Wolkramshausens, Robert Graf Hue de Grais (1835–1922). Dieser Name avancierte ab Ende des 19. Jahrhunderts zu einer festen Institution für jeden deutschen Beamten und fand auch international Anerkennung. Verblüffend, da es nur wenige Juristen gibt, „deren Namen zum Markenzeichen wurden“, und das über gut fünf Jahrzehnte hinweg. Hue de Grais‘ Hauptwerk „Handbuch der Verfassung und Verwaltung in Preußen und dem Deutschen Reiche“ erschien erstmals 1881 und brachte es 1930 auf die 25. Auflage. Es war das Standartwerk des preußischen Verwaltungsrechts und beeinflusste auch die Verwaltungs- und Verfassungsstruktur des fernen Japans.

Robert Graf Hue de Grais entstammte einem ursprünglich in der Normandie ansässigen Adelsgeschlecht. Sein Großvater Achilles Francois Hue de Grais (1734–1799) kam als französischer Gesandter an den Hof des Landgrafen von Hessen in Kassel. 1782 heiratete er Wilhelmine Charlotte Henriette von Wilcke, Tochter eines in Wolkramshausen begüterten Adligen. Mit der Französischen Revolution fasste Hue de Grais den Entschluss, in Deutschland zu bleiben und so wurde aus dem „Neuwilckeschen Rittergut“ das „Schloss Hue de Grais“.

Neben seinem enormen publizistischen Schaffen zum Verwaltungsrecht, war Robert Hue de Grais u. a. auch Landrat in Hildesheim, Stettiner Polizeipräsident, im Innenministerium in Berlin, Regierungspräsident in Potsdam und Abgeordneter im Preußischen Abgeordnetenhaus. Zahlreiche Ehrungen wurden ihm zuteil; darunter die Auszeichnung „japanischer Kommandeur der Aufgehenden Sonne“.

Robert Hue de Grais, dem man nicht zuletzt durch seine Zugehörigkeit zur Freikonservativen Partei zu den Anhängern des Kaiserreichs zählen mag, zeigte sich nach den Umbrüchen des Ersten Weltkrieges nicht als starrer monarchistischer Preußenbeamter. Vielmehr war er auch mit über 80 Jahren ein Reformer und nahm an der Weimarer Verfassung von 1919 regen Anteil. So berichtete der Referent von Lucius dem überraschten Publikum, dass Hue de Grais in einer Denkschrift für die Etablierung der „Staatsbürgerkunde“ warb; ein Begriff, den man doch nur aus der sozialistischen Erziehung der DDR kennt. Überhaupt waren ihm „das Wohl auch weniger begünstigter Bevölkerungskreise und von Frauen wichtig“.

„Robert Hue de Grais war ein arbeitswütiger, aber bescheidener Mensch. Seine Person trat hinter seiner Arbeit zurück“, so Robert von Lucius über seinen Urgroßvater. Zu seinem Tod 1922 gibt es mehrere Versionen: So sei er bei der Gartenarbeit im Park gestorben, oder am Schreibtisch. „Auf jeden Fall in tätiger Arbeit im Alter von 87 Jahren“.

Der relativ geringe Grundbesitz wurde 1945 nicht enteignet. Eine seiner drei Töchter, Gräfin Elsa Hue de Grais, lebte bis zu ihrem Tode 1956 auf dem Landsitz. In den 1960er und 70er Jahren ‚verschwand‘ ein Teil der Inneneinrichtung und das Gut stand bis 1990 leer. 1997 kam das Herrenhaus mit Bibliothek, Hof und Park an die Erbengemeinschaft Hue de Grais zurück und wird seither von Roberts Urenkel Manfred Werthern bewohnt. Über die Sanierung des Schlosses führt die Familie einen Blog (huedegrais.de).

Robert von Lucius, Autor, Journalist und von 1987 bis 2014 Korrespondent der FAZ, hütet seitdem auch das von nationaler kultureller Bedeutung geltende Familienarchiv. In den „Beiträgen zur Geschichte aus Stadt und Landkreis Nordhausen“ wird im November 2022 seine umfangreiche Abhandlung zum Wirken von Robert Hue de Grais und zur Geschichte des Schlosses erscheinen.

Ein Tipp gab es noch zum Schluss: Von Freitag, 23.09.2022 bis Sonntag, 25.09.2022 feiert Wolkramshausen das dreitägige Gemeindefest auf dem Gelände des Denkmals Hue de Grais. Hier haben Gäste erneut Gelegenheit, das Anwesen zu besichtigen und mit den Erben ins Gespräch zu kommen.

Der nächste Vortrag des Nordhäuser Geschichts- und Altertumsvereins findet am 11. Oktober statt. Tino Trautmann zeigt „Fotos aus dem Familienarchiv Seidel-Einenckel, Beobachtungen zur Nordhäuser Fotografie Geschichte", 19:30 Uhr im Museum Tabakspeicher.
Vincent Eisfeld