Nachgefragt:

Ist das schon Arroganz?

Freitag
09.09.2022, 16:00 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
Die Hiobsbotschaften aus der Wirtschaft reißen nicht ab. Dennoch macht die Regierung in Berlin immer weiter mit ihrem Weg der Energiewende. Koste es, was es wolle. Wir haben nachgefragt...


"Ich verstehe, dass viele Unternehmer keine andere Möglichkeit mehr sehen, um sich zum Ernst der wirtschaftlichen Situation Gehör zu verschaffen, als das mit einer Demo möglich ist."

Der das im Gespräch mit der nnz sagt, ist Niels Neu, der Chef des Nordthüringer Unternehmerverbandes (NUV). Seiner Meinung und der des NUV-Vorstandes nach ist die Wahrnehmung der tatsächlichen Situation in der Bevölkerung und in der Wirtschaft anders als die in Berlin. "Ich weiß nicht, ob das der Arroganz oder der Ignoranz der handelnden und verantwortlichen Politiker geschuldet ist", fragt der Unternehmer aus Nordhausen.

Er und seine Vorstandskollegen verspüren sowohl im Bekanntenkreis als auch unter ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Unternehmen eine Atmosphäre der Unzufriedenheit, der Unsicherheit und eines Vertrauensverlustes gegenüber der Politik, die mit einem Kessel zu beschreiben ist, der kurz vor der Explosion steht. "Der Verlust von Vertrauen in die politisch Handelnden ist so ziemlich das Schlimmste, was einer Regierung passieren kann. Dabei liegen Lösungen auf dem Tisch. Lösungsvorschläge von Industrie- und Handelskammern, von Handwerkskammern bleiben in Berlin ungehört. Man hat das Gefühl, die Nöte und Probleme von Unternehmern sowie deren Belegschaften interessieren nicht mehr", konstatiert der NUV-Vorsitzende.

Noch schlimmer. Für die Unternehmer der Region hat es den Anschein, als würde sich die Politik noch feiern, wie sie die Krise bislang gemeistert habe. Das allerdings sei gefährliches Denken. Wenn die strategisch wichtigen Bereiche einer Volkswirtschaft erst einmal runtergefahren sind, wenn Teile der Produktion stillgelegt werden müssen, dann geht das Hochfahren im Frühjahr nicht so einfach. Die Märkte interessiert Deutschland und seine politisch motivierte Krise nicht, die sehen sich nach Produkten aus anderen Ländern um. Die Welt drehe sich einfach weiter.

Unverständlich für Niels Neu ist zum Beispiel die Diskussion um die drei noch verbliebenen AKW in Deutschland. "Sie gehören zu den sichersten Meilern der Welt und könnten doch einfach solange weiterlaufen, wie sie zur Absicherung der Grundlast gebraucht werden. Parallel muss die Regierung mit Ländern reden, von denen wir Energie, Öl und Gas geliefert bekommen könnten. Dabei ist es mir egal, ob das Kanada, Russland oder Katar ist. Was wir brauchen ist Sicherheit in der Lieferung. Was ich im Moment allerdings sehe und vernehme ist eine gefährliche Mischung aus Unwissen, Unfähigkeit, aus Verbohrtheit und Ideologie, die alles an pragmatischer Politik zu verdrängen scheint", sagt Neu im Gespräch mit der nnz.

Viele Unternehmen stehen bereits jetzt schon angesichts der Energiepreise mit dem Rücken an der Wand. Auf die privaten Haushalte kommt das nach Ansicht von Niels Neu ab dem kommenden Jahr erst noch zu, "da nützen auch die Pseudogeschenke der Regierung in Berlin nicht viel. Das sind vergiftete Geschenke, das ist alles nur Kosmetik."

Der NUV will in den kommenden Tagen seine Mitglieder befragen, ob sich die Unternehmer an Protesten gegen die derzeitige Regierungspolitik beteiligen würden. "Wir wollen keinen Systemwechsel, wir wollen weiterhin das demokratische Miteinander als den Anker für unsere Gesellschaft. Wir wollen weder zurück zum Sozialismus noch wollen wir eine Diktatur, gleich welcher Farbe. Wir wollen keinen Verlust unseres hart erarbeiteten Wohlstandes hinnehmen, der sich auf einer Ideologie fernab der globalen Realität manifestiert. Wenn jedoch die Bereitschaft der Politik zum Dialog mit der Wirtschaft nicht vorhanden ist, dann müssen wir uns hier in der Region und darüber hinaus mit anderen Mitteln Gehör verschaffen. Wenn es sein muss, dann auch auf der Straße, ohne das wir uns von der politischen Rändern vereinnahmen lassen", meint der NUV-Vorsitzende abschließend.
Peter-Stefan Greiner